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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

387 Göttweig, Sammlungen 1609

„Büttenmann“ mit Besitzernennung (?) und Jahreszahl, Lindenholz mit Silber- und Messingmontierung, zum Zeitpunkt der Bearbeitung (September 2005) im Depot. Trinkgefäß (Willkommbecher) in Gestalt eines ausschreitenden Büttenträgers auf runder Sockelplatte mit Palmettenfries und Schnurleiste: die hölzerne Figur, mit Kniebundhose, Strümpfen und Schnallenschuhen mit Silberbeschlag und knielangem Mantel mit kurzen Ärmeln bekleidet, am Gürtel eine Tasche mit Messingbeschlag, gefüllt mit Früchten und Brot, trägt mit vor der Brust verschränkten Armen (einen Stab schräg einklemmend) vornübergebeugt die auf dem Rücken sitzende nachträglich montierte Butte aus Silber als Trinkgefäß. Auf dem Kopf ein flacher, breitkrempiger Hut samt Feder aus Silberblech, über einen älteren Holzhut montiert. Auf der Krempe umlaufende, nach außen orientierte Inschrift. Das ursprünglich neben der Tasche an der linken Hüfte vom Gürtel hängende Messer fehlt.

H. 23 cm, D. 11,5 cm (Sockelplatte), Bu. 0,3–0,4 mm. – Kapitalis.


Textedition
			

· WENDELL · SCHVLTH͜ES · APOTERa) · 1 · 6 · 0 · 9b)

Anmerkungen
a) sic! möglicherweise für APOTEKER?
b) Trennzeichen rautenförmig.

Kommentar

Künstlerisch qualitätvoll als „Büttenmänner“ gestaltete Trinkgefäße, seit dem 15. Jahrhundert in der burgundischen Hofkunst bezeugt, stellten im 16. Jahrhundert naheliegenderweise vor allem in Weinbauregionen, besonders am Rhein, in der Schweiz und im Elsaß häufig Willkommbecher von Hauerzechen dar. Meist sind die Figuren des Trägers, wie hier, unter ihrer Last gebeugt, wohl auch, um den Schwerpunkt des befüllten Trinkgefäßes näher in die Längsachse der Skulptur verlagern zu können. Der Göttweiger Büttenmann wurde nach Vergleichsbeispielen im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (um 1600, Monogrammist PC), im Schweizerischen Landesmuseum Zürich (1618, Bartholomäus Paxmann, Inv.-Nr. 7022), im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (vor 1623, Tobias Wolf ) und im Grünen Gewölbe in Dresden auf die Zeit um 1540 datiert, die Metallmontierungen stellen also eine sekundäre Zutat dar, durch die ein früher wahrscheinlich größeres Büttengefäß ersetzt wurde1). Ein Künstler Wendel Schulthe(i)s ist nicht nachgewiesen, wahrscheinlich weist aber die Bezeichnung APOTER (für APOTEKER?) auch nicht auf den ausführenden Künstler, sondern einen ehemaligen Besitzer hin.

Das vermutlich erst im 18. oder 19. Jahrhundert als Kunstkammerstück in die Sammlungen des Klosters gelangte Trinkgefäß könnte aus dem näheren Umfeld des Klosters stammen. Ein mit dem Wendel Schulthes der Inschrift vielleicht verwandter Apotheker Gregor Schultes hatte am 30. Dezember 1583 den Kremser Bürgereid abgelegt und um 1591 die Kremserin Susanna Derlin geheiratet. 1593 war er Gerhab (Vormund) eines minderjährigen Sohnes des Arztes Dr. Johann Kaspar Nefen, dessen Witwe seine Schwägerin war, und erhielt nach dem Tod seines Mündels die gesamte Verlassenschaft zugesprochen. Schultes machte 1606 sein Testament, starb am 13. April 1611 im Alter von 48 Jahren und wurde am (evangelischen) Friedhof vor dem Steiner Tor begraben. Seine Witwe heiratete in zweiter Ehe Hans Hirsch, seit 1586 Kremser Bürger und später Mitglied des Kremser Äußeren (1592–1598) und Inneren Rats (1600–1602) sowie Stadtkämmerer (1597–1599 und 1603) und Kirchenmeister von St. Veit (1595), der sich im Kremser Salzhandel engagiert hatte. Hirsch starb am 17. September 1630, seine Witwe ließ zum Gedächtnis ihrer beiden Ehemänner eine Wappengrabplatte (heute WEINSTADTmuseum Krems, Inv.-Nr. S 124) anfertigen2).

1) 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 598 (5 Abb.).
2) S. Adamek, Grabdenkmäler (1971) 190f. (Kat.-Nr. 119) und Schönfellner, Krems 253 und 339. 1592 trug er sich in das Stammbuch des Dr. Martin Helling ein.
Literatur

900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 598 (5 Abb.). – Hofmann, Wasser 92 (Abb. 1) und 259 (Kat.-Nr. IV/21). – Dehio Süd 579 (um 1540, Silbermontierung 1609).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 387,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj387.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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