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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

408 Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung 1615/(1617–1619)

Epitaph der Anna Kirchberger, roter Marmor, Rotscheck, Solnhofer Plattenkalk, schwarzer Schiefer und Alabaster, an der Chorsüdwand neben dem Triumphbogen. Dreiachsige Ädikula: Zentral fast quadratisches Relief Auferstehung Christi (Solnhofer Plattenkalk), beiderseits je eine komposite Säule (Rotscheck), den breiten Architrav tragend. In der Frieszone (schwarzer Schiefer) zwischen den mit Groteskmasken besetzten Kämpfersteinen zweizeilige Inschrift (I). Über breitem, mehrfach profiliertem Gesims gesprengter Dreieckgiebel (roter Marmor) mit drei aneinandergelehnten Wappenschilden (Solnhofer Plattenkalk?), auf dem bekrönenden kleinen Postament ein Totenschädel (Alabaster oder Stuck?). Im Unterhang zwischen zwei breiten Pilastern (Rotscheck) schwarze Schiefertafel mit 15-zeiliger Inschrift (IV). In den beiden Seitenachsen in Rundbogennischen vollplastische Alabasterfiguren auf beschrifteten Sockeln (links Spes mit Taube und Anker [II] rechts Patientia ohne Attribut [III]) außen volutierte Rahmenfragmente mit Cherubsköpfen aus Alabaster, über dem profilierten Gesims je eine weitere vollplastische Alabasterfigur (links Fides mit Kelch, rechts Caritas mit zwei Knaben auf dem Schoß), im Unterhang Volutenspangen (Rotmarmor), mit Cherubsköpfen aus Alabaster besetzt. Inschriften vergoldet, der Cherubskopf der linken unteren Volutenspange sowie des rechten oberen Rahmenfragments und ein Akanthusornament vom rechten unteren Pilaster fehlen.

H. (gesamt) ca. 280 cm, B. ca. 250 cm, H. (Inschrifttafel) 65 cm, B. 98 cm, Bu. ca. 7 cm (I), 3,5 cm (II und III) und 3 cm (IV). – Fraktur (I und IV) und Kapitalis (II und III).


Textedition
			

I. CHristus Jst Mein Leben . / Sterben Jst Mein Gewin . II. SPES III. PACIENTIA IV. Weilanndt der Wolgebornen Frauen . Frauen Anna Einer gebornen Khirchpergerin / Erstlich ein Gemahel . deß Wolgebornen Herren . Herren Hanß Geörgen Herren / Khuefstainers . Freyherren, Mitt deme Sie sich Jn dem xv(ten)a) Jahr ihres alltters Verehelicht / auch bey xxxj Jahren ehelich gelebtt . xvj . Lebenndige khinder erZeugtt vnnd / Deren . vij . hinntter sich verlassen . auch . xvij . Enickhel erlebtt: Vnnd Dann nach / Drey Jahren . Jhrer Verwittibunng . ein Gemahel . Deß auch Wolgebornen / Herren . Herren Matthessen Teuffel . Freyherren . Deme Sie bey Zweyen / Jahren ehelich beigewohnnt . aber kheinen Leibs Erben erworben: so Nachdem / sie bey Drey Jahren Zum anndermahl eine Wittib gebliben auch das . Lv(te)b) . Jahr . / ix Monatt . iii Tag . Jhres alltters erraicht . Jm Jahr Christi . 1615 . den xvij(ten)a) Febrvarij / Jn Wien seeligclich . mit schöner vernunnfft vnnd bettendem Munndt sannfft verschiden / Jnn gegenwartt aller Jhrer in Erster Ehe erZeugtt: damahlen noch lebennder Herren / Söhn vnnd Fraw Vnnd Freylin Töchter: Haben dieselben allß Jhrer / Liebsten Fraven Muettern diß Epitaphium . Zu schuldiger Ehrngedächtnvs machen vnd / Neben dise Grvfft darinen der seelige Leichnamb Ruehet . Auffrichtten Lassenc).

Anmerkungen
a) winkelförmiges Kürzungszeichen für (ten) im Oberlängenbereich.
b) winkelförmiges Kürzungszeichen für (te) im Oberlängenbereich.
c) Trennzeichen quadrangelförmig.

Hoffnung (II).
Geduld (III).

Phil 1,21 (I).


Wappen: Kuefstein1); Kirchberg2); Teufel3).


Kommentar

Anna Kirchberger wurde am 16. Juli 1559 als zweites Kind des Wilhelm Kirchberger und der Anastasia von Mam(m)ing auf Schloß Seisenburg geboren4). Hans Georg (III.) von Kuefstein (s. Kat.-Nr. 377) hatte sie im Alter von 15 Jahren am 13. Juni 1574 in Wien nach dem Tod von dessen erster Frau Radigund von Neuhaus geheiratet. Aus der Ehe stammten 16 Kinder, von denen 1603 jedoch nur noch neun, die vier Söhne Hans Jakob, Hans Lorenz, Hans Wilhelm und Hans Ludwig sowie die fünf Töchter Eva, Veronika, Anastasia, Sara und Justina am Leben waren. Von diesen starben Hans Wilhelm und Veronika noch vor ihrer Mutter5).

Nach dem Tod ihres ersten Mannes 1603 heiratete Anna am 4. Juli 1606 auf Schloß Buchberg den kaiserlichen Fürschneider und Truchseß Matthias Teufel von Guntersdorf, der schon zwei Jahre später in Gars verstarb6). In ihrem vor 1614 abgefaßten, in diesem Jahr nur geringfügig abgeänderten Testament hatte Anna Kirchberger gefordert, nach ihrem Tod in der neu umgebauten Schloßkapelle ihres Witwensitzes Buchberg am Kamp aufgebahrt und nach erfolgter erster Leichenpredigt nach Guntersdorf überführt zu werden, wo sie in der Gruft der Teufel in der dortigen Pfarrkirche an der Seite ihres zweiten Ehemanns beigesetzt zu werden wünschte. Die im Februar 1615 am Sterbebett ihrer Mutter in Wien anwesenden Söhne erster Ehe – aus der Verbindung mit Teufel stammten keine Kinder mehr – ließen die Verstorbene jedoch gegen deren letztwillige Verfügung nach Maria Laach überführen und am 15. März in der Kuefsteiner Gruft beisetzen, wohl um die Geschlossenheit der Bestattungen am Erbbegräbnis der Familie zu gewährleisten. Ihr mit einer Sargtafel versehener Sarg war 1789 noch in der Gruft vorhanden7). Die inschriftliche Betonung einer „guten“, vorbereiteten und ruhigen Sterbestunde (seeligclich mit schöner vernunnfft vnnd bettendem Munndt sannfft verschiden) entspricht einer in der Frühen Neuzeit häufig gerade für Frauen in Leichenpredigten und Artes moriendi formulierten Idealforderung8).

Das Epitaph ist eines der wenigen nachweislich dem Kremser Bildhauer Kilian Fuchs zuzuschreibenden Denkmäler. Zur Werkstatt und der Bedeutung des Epitaphs für die Zuweisung weiterer Arbeiten an Fuchs s. Einleitung S. LXXIII f.

1) S. Si OÖ 162 und Taf. 48 (Wappen I) und NÖ 1, 249 (Kueffstein) und Taf. 129 (Stammwappen).
2) S. Si OÖ 154 (Kirchberg) und Taf. 46 (Wappen I) und NÖ 1, 231 und Taf. 114 (Wappen II).
3) S. Si NÖ 2, 312 und Taf. 150 (Wappen VI).
4) S. OÖLA, Weinberger Archivalien Hs. 21 (Kuefsteiner Familienverträge), fol. 149f.: Abschrift des Geburtenbuchs des Wilhelm Kirchberger, vgl. auch Fischer-Colbrie, Fuchs 177f. (Anm. 7). Den Angaben der Grabinschrift zufolge müßte der Geburtstag auf den 14. Mai 1559 fallen, das Geburtenbuch ihres Vaters ist aber in dieser Frage sicher verläßlicher, zumal auch die Summe der in der Inschrift aufgeführten Ehebzw. Witwenjahre fälschlich das Sterbejahr 1613 statt richtig 1615 ergeben. Zu einer weiteren abweichenden Angabe vgl. Anm. 7.
5) Der Sohn Hans Wilhelm (s. Kat.-Nr. 368) starb 1604, Veronika wohl zwischen 1603 und 1615 im Alter von 18 Jahren auf Schloß Gars. Ihr genaues Todesjahr ist unbekannt, die Sargtafel ihres 1789 in der Laacher Gruft aufgefundenen Sargs nannte angeblich das Jahr 1555, was jedoch nur ein Versehen des Abschreibers darstellen kann, s. Lichtenberger, Grabmäler 111. Anastasia starb am 23. Februar 1648 in Regensburg und wurde in der Laacher Gruft beigesetzt, s. Lichtenberger, Grabmäler 113. Eine genealogische Tabelle in NÖLA, Herrenstand Kk Nr. 35, fol. 159/172, nennt die vor 1603 unvogtbar verstorbenen Kinder Maria, Helmhard und Hans Erasmus (gest. angeblich 1601, vgl. aber Kat.-Nr. 386). Nach dieser Tabelle heiratete Justina Claudia Veit Trautson, Eva Balthasar Christoph Thanradl, der in erster Ehe seit 1568 mit Afra Teufel verheiratet gewesen war, s. HKA, Familienakten DT 63, fol. 13 und Glatzl, Freiherrn 135. Nach Welsersheimb, Kuefstein 7, hatte Justina Concordia (!) Veit Benno von Brandis geheiratet, während Anastasia in den 1640er Jahren unverheiratet gestorben war.
6) S. OÖLA, Weinberger Archivalien Hs. 21 (Kuefsteiner Familienverträge), fol. 145–148 (Heiratsabrede von 1606 Juli 4, Buchberg), Si NÖ 2, 314 und Glatzl, Freiherrn 150. Als Witwe nach Teufel, der in erster Ehe mit Praxedis Kirchberger verheiratet gewesen war, verkaufte sie 1609 die Pfandherrschaft Gars an Erzherzog Maximilian III. (den Deutschmeister), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 88.
7) S. OÖLA, Weinberger Archivalien Hs. 21 (Kuefsteiner Familienverträge), fol. 268–271; ebd., fol. 274f. eine Lebensbeschreibung der Verstorbenen, vgl. Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 133f. und Ders., Zentrum 334 (Anm. 46). Vielleicht in Voraussicht der Beisetzungspläne ihrer Kinder hatte die Verstorbene im Testament eigens betont, sie „bitte derowegen nochmals disen meinen letzten willen nit zu ändern“. Die Sargtafel gab als Sterbetag den 18. Februar 1615, das Lebensalter mit 55 Jahren, fünf Monaten, 29 Tagen und drei Stunden an, woraus sich als Geburtstag der 20. August 1559 ergäbe, s. Lichtenberger, Grabmäler 112; vgl. aber Anm. 4. Das Datum der Beisetzung stammt aus dem ersten Laacher Matrikenband, s. Lichtenberger, Grabmäler 114.
8) S. Classen, Darstellung 302 und Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 280.
Literatur

Schmidl, Umgebungen 1, 373. – Tschischka, Kunst 103. – Weidmann, Wegweiser 59. – Weidmann, Kreis 38. – Sacken, Kunstdenkmale (1848) 20. – Lichtenberger, Grabmäler 112. – DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 134 und Heft F, fol. 5r-6r. – Topographie 5, 610. – Tietze, Werke 187 (Abb.; Werkstatt Colins). – ÖKT 1, 37 und 283f. (Fig. 182; „Werkstatt des Alexander Colins“ [!]). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 157 („[...] soll der berühmte Bildhauer Alexander Colin geschaffen haben“). – Riehl, Wachau 27. – Gnevkow-Blume, Maria Laach (1932) 15f. – Gnevkow-Blume, Maria Laach (1933) 3. – Plesser, Kirchengeschichte (1939) 595f. (Colin). – Feuchtmüller, Maria Laach (unpag.). – ÖAW, NLH, 23./24. 8. 1962. – Eppel, Waldviertel 160 („wahrscheinlich Werkstatt von Alexander Colin“). – Eppel, Wachau 137. – Eppel, Kunst 185. – Häusler/van der Kallen, Wachau 42. – Fischer-Colbrie, Fuchs passim (Abb. 3). – Zotti, Kunst 2, 239 („wahrscheinlich aus der Werkstatt Alexander Colins“). – Dehio Nord 716 („Werkstatt A. Colin“). – Kren, Grablege 250f. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 133f., 159, 177 (Anm. 119), 212 (Anm. 339), 231, 275, 277 und 280. – Zajic, Zentrum 334 (Anm. 46).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 408,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj408.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 175: Epitaph der
Anna Kirchberger (1615/1617-19)

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Abb. 176: Detail

©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv