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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

421 Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung 1618

Epitaph der Klara von Kuefstein, geb. von Puchheim, Solnhofer Plattenkalk und Stuck, im ersten Chorjoch an der Südwand unmittelbar über der Sakristeitür. Epitaph nach Art eines Totenschilds: Längsovale 34-zeilige Inschrifttafel (I) aus Solnhofer Plattenkalk in Lorbeerblattleistenrahmung, auf dem breiten ovalen, schwarz getünchten Rahmen zehn von ursprünglich 16 (1866 noch zwölf, um 1896 bereits nur mehr zehn) kartuschförmigen Ahnenwappenschilden mit Beischriften (II–IX, heraldisch rechts und heraldisch links jeweils von oben nach unten, verlorene Beischrift X an unbekannter Stelle) in sekundärer (genealogisch) willkürlicher Anordnung, die Wappen der (heraldisch) rechten Seite offenbar linksgewendet. Im Scheitel Totenschädel, flankiert von den seitlich hingelagerten allegorischen Stuckfiguren der Caritas (links mit zwei nackten Knaben im Schoß bzw. im Arm) und Fides (rechts mit Kelch). Die teilweise (bes. Z. 15–18) stark fleckige und schwer leserliche Inschrift I – Z. 10 eingerückt zentriert – schwarz mit roten Hervorhebungen eingeätzt, Beischriften eingehauen. Eine fotografische Aufnahme aus den frühen 1960er Jahren (BDA) zeigt eine andere Anordnung der Wappen, sechs Wappenschilde fehlen, von den erhaltenen sind zwei ohne Beischrift, vier weitere sind beschädigt. Reste der eingeritzten Zeilenlinierung sowie die originalen Dübellöcher bzw. Haken zur Befestigung der Wappenschilde sichtbar. Vor 1996 restauriert.

H. ca. 200 cm, B. ca. 150 cm, Bu. ca. 2,5 cm (I) bzw. 3 cm (II–IX). – Fraktur (I) und Kapitalis (II–IX).

Textwiedergabe von Inschrift X† nach Schmidl, Umgebungen 1, 372.


Textedition
			

I. Psalm am 73 vnd 26 / Herr wann ich nur dich hab so frag ich / nichts nach Himmel vnd Erden, wann mir gleich / leib vnd seel verschmaht, so bist du doch Gott allein meines / Hertzens Trost, vnd mein Thaill. Auß den Propheten Esaia am 56 Ca(pittel) / Aber der gerecht kombt vmb vnd Niemandt ist der es zum hertz=/en nehme vnd heillige leuth werden aufgerafft vnd niemandt achtet dar=/auf, dan die gerechten werden aufgerafft für dem vnglükh, vnd die richtig für sich ge=/wandelt haben, Khomen zum fride vnd Ruhen in ihren Kammern. / Auß der offenbarung Johannisa) des 21 Capittelsb). / vnd Jch Johannes sahe einen Neuen Himel, vnd eine neue Erde, vnd der Erste Himel vnd / die erste Erde vergieng, vnd das meer ist nicht mehr, vnd Jch Johannes sahe die Heillige / Stadt das neue Jerusalem von Gott auß dem Himel herab fahren zubereit als ein gesch=/mükhte Brauth ihrem Manne vnd ich höret eine grosse Stimb von dem Stuel die Sprach / Siehe da eine Hütten Gottes bey den Menschen vnd er wirdt bey inen wohnen vnd Sie / werden sein volck sein, vnd Gott wirdt abwischen die Thränen von ihren Augen vnd / der Todt wirdt nicht mehr sein, noch leid, noch Geschrey, noch Schmertzen wierdt mehr / sein, dann das erste ist vergangen, vnd der auf dem Stuel saß, Sprach, Siehe Jch / macht es alles new vnd er spricht zu mir schreib, dan dise wordt sindt warhafft=/ig vnd gewiß (et) c(etera)c) / Hie Ruehet in Gott der Edle leib Weillennt der Wolgebornnen frauen frauen Clara / frauen Khueffstainerin freyherrin eine geborne Freyherrin von Puechaimb welcher / nachdem er in gemainschafft der numehr von ihme abgeschaidenen seeligen seelen / 39 Jahr 6 Monath 23 Tag 12 Stunden in disem Mieheselligen vnd Ellenden leben / Cristlichen, vnd mit allen Tugenten zuegebracht den 5 October des 1618 Jahr nach / Cristy geburth in dem Schloß Greillenstain mit grosser gedult vnd andacht / Aber Höchsten Schmertzen, vnd Traurigkhait Jhres hinterlassenen Herrn / Gemaehel vnd khindern willig geschieden, vnd Gott Jhrem Schöpffer wide=/rumben gegeben hat der gewissen zuuersicht der Allmechtige / werde sie baidte am Jüngsten Tag mit freiden widerumben / verainigen vnd vmb das verdienst Jesu Christy seines / geliebten Sohns willen mit allen Gläubigen / der Ewigen freidt geniessen lassen / Amen (et) c(etera)d) II. SONNEBERG III. [MONT]FORT IV. VOLKHERSTORF V. EBERSTAI[N] VI. PVECHAIM VII. [RO]GENDORF VIII. POTTENDORF IX. FREIBERG X.† WOLKENSTAIN

Anmerkungen
a) zwischen n und i ein redundanter Schaft.
b) Z. zentriert.
c) Rest der Z. unausgefüllt.
d) als Trennzeichen ein quadrangelförmiger Punkt auf der Basislinie.

Ps 73,25f; Jes 57,1f; Offb 21,1–5 (I).



Kommentar

Klara, als Tochter des NÖ Herrenstandsverordneten Adam von Puchheim und der Anna von Thannhausen am 11. Mai 1579 auf Schloß Karlstein geboren, und Hans Jakob (s. Kat.-Nr. 386), ältester Sohn Hans Georgs (III.) von Kuefstein, hatten im Spätsommer 1600 eine erste Heiratsabrede getroffen, die Hochzeit fand im Folgejahr statt11).

Die am 5. Oktober 1618 auf Schloß Greillenstein Verstorbene wurde erst am 1. Jänner 1619 in der Laacher Kirchengruft beigesetzt12). Die Sargtafel ihres 1789 aus der Gruft entfernten Sargs (Kat.-Nr. 421a†) gab ihr Lebensalter abgesehen von einer minimalen Abweichung übereinstimmend mit der vorliegenden Inschrift an13). Aus der Ehe stammten insgesamt fünf Söhne und zwei Töchter, von denen neben den frühverstorbenen Hans Erasmus und Hans Georg (IV.) (vgl. Kat.-Nr. 386) jedoch nur Georg Adam, kaiserlicher Kämmerer, Hofkriegsrat und Wiener Stadtguardia-Oberstleutnant (verh. mit der 1639 verstorbenen Eva Christina, Tochter des Georg Gundakar von Neuhaus und der Scholastica von Hoheneck) und die mit dem 1639 verstorbenen Ernst von Kollonitsch verheiratete Anna Elisabeth bekannt sind14).

Eine Rekonstruktion der vollständigen 16er-Ahnenprobe der Verstorbenen und die korrekte Anordnung der Wappen auf dem Epitaph erlaubt die kopial überlieferte Sargtafel der Verstorbenen (Kat.-Nr. 421a†). Deutlich wird die in beiden Linien dokumentierte Abstammung von Angehörigen durchwegs hochadeliger Geschlechter aus den beiden österreichischen Erzherzogtümern, aus Südwestdeutschland und Tirol bzw. den habsburgischen Vorlanden.

Die inschriftliche Betonung einer „guten“, vorbereiteten und ruhigen Sterbestunde (mit grosser gedult vnd andacht […] willig geschieden) entspricht einer in der Frühen Neuzeit häufig gerade für Frauen in Leichenpredigten und Artes moriendi formulierten Idealforderung (s. Kat.-Nr. 408). Ein beschädigtes und (im 19. Jahrhundert?) überarbeitetes Porträt Klaras im Alter von 21 Jahren in jenem Kleid, das sie am zweiten Tag ihrer Hochzeitsfeier 1601 getragen hatte, befindet sich zusammen mit dem Gegenstück ihres Mannes in Schloß Greillenstein15).

Die Gestaltung des Denkmals weist in den weiblichen allegorischen Figuren und teils auch in der Gestaltung der Wappenschilde große Ähnlichkeit zum wenig älteren Epitaph der Anna Kirchberger (Kat.-Nr. 408) auf, einer Arbeit der Kremser Werkstatt des Kilian Fuchs. Die mäßig sorgfältig mit spürbarer Rechtsneigung und schwankender Schriftgröße ausgeführte Inschrift zeigt jedoch nur bedingte Ver­wandtschaft mit dem jener Werkstatt zuzuschreibenden Formenkanon. Die im Mittelband befindlichen runden Buchstabenbestandteile und Bogenlinien sind überwiegend gebrochen und tendenziell zu parallelen Schäften umgebildet, was einen steifen Gittercharakter bedingt. Dekorative Haarzierlinien finden sich nur selten, etwa im Unterlängenbereich am unteren Bogen des g, wo sie schleifenförmig zurückgebogen werden, auch die einfach aufgebauten Versalien weisen nur selten Haarzierlinien auf. Über u stehen stets zwei Quadrangeln als diakritische Zeichen.

1) S. Si 2, 19, jedoch linksgewendet.
2) S. Si OÖ 278 und Taf. 75 (Wappen V) und Si NÖ 1, 367 und Taf. 201 (Wappen III).
3) S. Si NÖ 2, 321 und Taf. 153 (Wappen IV).
4) Panther?
5) S. Si NÖ 1, 308 und Taf. 161 (Wappen I).
6) S. Si NÖ 1, 379 („Freiherrl. Wappen“) und Taf. 212 (Wappen II).
7) Gerüsteter Reiter, in der Rechten eine Fahnenlanze, in der Linken einen hermelinüberzogenen Schild, auf dem Kübelhelm zwei Büffelhörner, im Hintergrund an den Schildrändern je ein Kirchengebäude, vgl. dazu mit kleinen Abweichungen Si OÖ 535 (Volkenstorf, Wappen VII), hier mit überzogener Kritik am unheraldischen, aus einem älteren Reitersiegel übernommenen frühneuzeitlichen Wappenbild, das auch in die OÖ Matrikel übernommen wurde.
8) S. Si NÖ 1, 356 und Taf. 195, am Epitaph jedoch linksgewendet.
9) Rose.
10) S. Si 1, 112.
11) S. OÖLA, Weinberger Archivalien, Hs. 21 (Kuefsteiner Familienverträge) Hs. 21, fol. 132–135, 1600 September 28 und Änderung von 1614.
12) S. Lichtenberger, Grabmäler 115 nach dem ersten Laacher Matrikenband. Oft mehrmonatige Abstände zwischen Tod und Begräbnis von Verstorbenen sind beim frühneuzeitlichen Adel nicht selten festzustellen. Einer der Hauptgründe dafür ist – neben individuell verschiedenen Ursachen – in den aufwendigen Vorbereitungen zu den Trauerfeierlichkeiten zu sehen, an denen auch eine möglichst große Zahl Verwandter und Nachbarn teilnehmen sollte. Die ebenfalls das genannte Todesdatum und die Lebenszeit korrekt und noch ausführlicher (Sterbestunde zwischen 18 und 19 Uhr) überliefernde genealogische Tabelle in NÖLA, Herrenstand Kk Nr. 35, fol. 159/172, führt als Beisetzungsort kurioserweise und schwer glaubhaft die Schloßkapelle Greillenstein an. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 343 nennt eine in Greillenstein vom dortigen Hofprediger Daniel Ha(a)s gehaltene Leichenpredigt.
13) Dort statt 12 Stunden 17 Stunden.
14) NÖLA, Herrenstand Kk Nr. 35, fol. 159/172, vgl. auch Kren, Grablege 252. Ernst von Kollonitsch, Oberst von Komorn, war übrigens 1628 ein Begleiter des Hans Ludwig von Kuefstein auf dessen Gesandtschaft in Konstantinopel gewesen, s. Teply, Großbotschaft 33.
15) S. Bönsch, Bekleidungsformen 175f. (Abb. 14) und vgl. Bastl, Lebenslauf 380.
Literatur

Schmidl, Umgebungen 1, 372. – Tschischka, Kunst 103. – Weidmann, Wegweiser 59. – Weidmann, Kreis 38. – Sacken, Kunstdenkmale (1848) 19f. – NN., Maria Laach 157. – DASP, Nachlässe 5, Heft F, fol. 6r. – Topographie 5, 610. – ÖKT 1, 282f. (an zwei Stellen unter Kontamination mit dem Totenschild des Hans Erasmus und Hans Georg [IV.] von Kuefstein versehentlich als zwei verschiedene Denkmäler behandelt; die Beschreibungen jeweils fehlerhaft). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 157. – Gnevkow-Blume, Maria Laach (1932) 21. – Feuchtmüller, Maria Laach (unpag.). – ÖAW, NLH, 23./24. 8. 1962. – Eppel, Wachau 137. – Zotti, Kunst 2, 238. – Dehio Nord 716. – Kren, Grablege 251f. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 166 (Anm. 61), 177 (Anm. 119) und 280. – Zajic, Zentrum 338 (Anm. 60).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 421,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj421.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 180: Epitaph der
Klara von Kuefstein (1618)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)