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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

444 Grafenegg, Schloß 4. V. 16. Jh.-1. V. 17. Jh.

Renaissanceportal mit zwei Wortdevisen, Hart- und Weichholz lackiert, sekundär im Rittersaal im Nordflügel des Schlosses in der Ostwand eingebaut, Provenienz unbekannt. Vermutlich um 18511) zu einem monumentalen zweiflügeligen Portal ergänzte und adaptierte Originalteile: Die reich mit Beschlag- und Rollwerk beschnitzten Türblätter (beide mit dem sekundär angebrachten tingierten Wappen des Bauherren Breuner versehen) in mit formenreichem Dekor versehener Pilasterrahmung. Breiter Architrav mit profiliertem, durch Eierstableiste abgesetztem Gesims, auf dem durch drei Maskeronkonsolen in zwei Abschnitte geteilten Fries über den Türflügeln je eine Rollwerkkartusche mit querrechteckigem Feld und den beiden schwarz aufgemalten Inschriften (I links, II rechts). Gesamtes Portal dunkelbraun lackiert, die Inschriftenfelder holzsichtig in rötlichem Ton.

H. (der Kartuschen) 32 cm, B. 59 cm, H. (der Schriftfelder) 10 cm, B. 40 cm, Bu. 4 cm (I) und 4,5 cm (II). – Fraktur (I) und Kapitalis (II).


Textedition
			

I. Gott Mein Hoffn͜ung II. PATIOR VT POTIARb)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) Anfangsbuchstabe vergrößert; Z. indistinkt geschrieben.

Ich erdulde, um zu überwinden (II).


Kommentar

Die lateinische Wortdevise „Patior ut potiar“ war in der Frühen Neuzeit als Sentenz weit verbreitet. Johann Michael Moscherosch setzte sie in seiner „Centuria II. epigrammatum“ als Motto an die Spitze des Epigramms 37, „Ad Aulicum“2).

Die Fraktur der deutschsprachigen Wortdevise entspricht in der komplizierten Auflösung der mehrfach gebrochenen Versalien, den die fetten Schwellzüge begleitenden feinen Schlingen und Schleifen, der durch minimale Schaftdurchbiegungen im Mittelband erzeugten harmonischen Spannung der Schrift und ansatzweise vorhandenen Hornansätzen an den quadrangelartigen Schaftenden an der Oberlinie des Mittelbands den kalligraphischen Kanzleifrakturschriften des oben angegebenen Zeitraums. In dieselbe Zeitstellung, vielleicht eher in deren zweite Hälfte, verweist die Kapitalis der lateinischen Devise, bei der die fetten Serifen der T-Balken einmal gegengleich links- und rechtsschräg, das andere Mal parallel linksschräg abgeschnitten werden. Die stark geschwungene, an der Basislinie sich in einem Haarstrich einrollende Cauda des R tritt im Bearbeitungsgebiet erst knapp nach 1600 häufiger auf.

1) „Die wandfeste Ausstattung des Rittersaals war vermutlich vor dem 30. Oktober 1851 vollendet […]“, s. Eggert, Baugeschichte 517 und vgl. Telesko, Schloss 10. Die holzbildhauerische und kunsttischlerische Ausstattung entwarf der Bildhauer (seit 1873 k. k. Hofbildhauer) Johann Müller, s. Eggert, Baugeschichte 517 und vgl. zum Künstler Butzke, Müller.
2) Moscherosch, Centuria, pag. 78.
Literatur

Schmidtbauer, Grafenegg 11 (Abb. 10: Rittersaal, Zustand vor 1945).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 444,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj444.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Grafenegg, Schloß    •  Renaissanceportal  •  Wortdevisen  •  Fraktur  •  Kapitalis  •  Moscherosch, Johann Michael  •  Müller, Johann  •  Grafenegg

Abbildungen

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Abb. 185: Portal mit Wortdevise
(4. V. 16. Jh.-1. V. 17. Jh.), Detail
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Andreas Zajic)