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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

446† Albrechtsberg a. d. Gr. Krems, Schloß 1623 oder 1626 (?)

Deckelpokal (liturgischer Kelch?) mit Tituli, erklärender Beischrift und Gebetsanrufung, Silber vergoldet und Kokosnuß, noch 1928 vorhanden, Provenienz unbekannt. Über gewulstetem Fuß und Schaft in Form eines gegabelten und gewundenen Baumstamms Cuppa aus Kokosnuß mit drei ornamentalen cherubskopfbesetzten Spangen und drei Kartuschen (Silberblech vergoldet) mit eingravierten Tituli (I–III), auf dem am oberen Rand abschließenden Band (Silberblech vergoldet) Inschrift (IV), die auf dem Deckel (Silber vergoldet) aufgesetzte Statuette des Hl. Franz von Assisi (Silber), auf einen Stab gestützt und ein Spruchband (V) haltend, kommentierend. Im Deckelinneren emailliertes Wappen (Lempruch) und Jahreszahl (VI). An nicht näher bekannter Stelle eine Augsburger Beschaumarke, als Meistermarke eine dreizackige Krone.

H. 20 cm. – Kapitalis.

Beschreibung, Abmessungen und Textwiedergabe nach ÖKT 4, 10 (Fig. 15)1).


Textedition
			

I. IESVS II. MARIA III. IOHANNES IV. S(ANCTVS) FRANCISCVS SENIS PLANTAVIT SVVM BACCVLVM QVI SEQVENTI DIE IN VIRENTEMa) ARBOREM EXECREVITb) V. SANCTE SERAPHICE PATER FRANCISCE ORA PRO NOBIS VI. 1623c)

Anmerkungen
a) ÖKT 4, 10: offensichtlich fälschlich virentum.
b) Text nach DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 6: Franciscus plantavit baculum suum, qui sequenti die excrevit in arborem virentem.
c) nach DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 6: 1626.

Der Hl. Franziskus pflanzte als alter Mann (?) seinen Stab (in die Erde). Am folgenden Tag verwandelte sich dieser zu einem grünenden Baum (IV).
Heiliger seraphischer Vater Franziskus, bitte für uns (V).


Kommentar

In Anbetracht der Heiligenfigur auf dem Deckel liegt die Annahme einer vielleicht sekundären Verwendung des ursprünglich profanen Zwecken dienenden Deckelpokals als liturgischer Kelch nahe2). In Albrechtsberg kann das Gefäß frühestens 1696 in Gebrauch gekommen sein, da Hans Karl Ignaz von Lempruch erst in jenem Jahr im Erbweg nach dem vormaligen Inhaber, Matthias Ernst Spindler von Hofegg, in den Besitz der neuerrichteten Fideikommißherrschaft Albrechtsberg gelangt war3).

Das inschriftlich kommentierte Stabwunder des Hl. Franziskus ist ikonographisch und legendarisch nicht nachweisbar.

1) Der dort in Minuskeltypen abgedruckte Text jedoch nach der nebenstehenden Abb. (Fig. 15) zu Kapitalis verbessert. Vgl. auch DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 6: „Im Schlosse ein Cokosnussbecher? – auf dem Deckel: Figur S. Francisci Ser.: [folgt Text wie oben Anm. b)] – Innen das Baron Lempruch’sche Wappen in Email (schön) 1626 [aus 1625 verbessert]“, vgl. Plesser/Groß, Heimatkunde 139: „Deckelpokal mit Schale aus Kokosnuß und Silberstatue des heil. Franz Seraphikus. Darin Wappen der Lempruch und Jahrzahl 1623.“
2) S. schon DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 6: „Communicanten Kelch? Vermuthet Kilian Landgraf“. Als Kunstkammerstücke waren Kokosnußpokale im 16. und frühen 17. Jahrhundert jedenfalls beliebt und weit verbreitet, vgl. etwa mehrere einzelne Kokosnußbecher und -pokale des 16. Jahrhunderts und eine Garnitur von zwölf Stück aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Schatzkammer des Deutschen Ordens in Wien, vgl. Adel im Wandel, Kat.-Nr. 20.08 (Bernhard Demel) bzw. Krones, Schatzkammer 45–48 (Kat.-Nr. 1, 3, 7, 8a und b und 10; Inv.-Nr. G-001, G-003, G-007, G-009 und G-011.1–24) oder ein Stück aus dem späten 16. Jahrhundert im Bayerischen Nationalmuseum München, seit September 2004 in der Kunst- und Wunderkammer Burg Trausnitz in Landshut, http://www.bayerisches-nationalmuseum. de/presse/kunstkammer/index.htm (April 2006). Schon im Nachlaß der etwa 1560 verstorbenen Kremser Bürgerin Barbara Pittersdorfer hatte sich eine vergoldete, in Silber gefaßte „indianische“ Nuß befunden, s. Görg, Bürgermeister 131.
3) S. Biedermann, Albrechtsberg 39 und ausführlich Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 147.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 6. – ÖKT 4, 10 (Fig. 15). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 15. – Biedermann, Albrechtsberg 40. – Plesser/Groß, Heimatkunde 139.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 446,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj446.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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