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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

478 Göttweig, „Apothekergang“ 1637

Wappengrabplatte des Kaspar Thoman von Frankenberg, roter Marmor, im sogenannten Apothekergang an der Südwand der zweite Stein von Osten, 1958 ebd. der erste Stein von Westen, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Gotthardskirche im Boden, unter Abt Magnus Klein in den Apothekergang versetzt, am heutigen Standort seit wenigstens 17771). Hochrechteckige Platte mit breiter einfacher Leistenrahmung. Aus synkretistischen Ornamenten (zwei Cherubsköpfe im Scheitel, Volutenspangen, Knorpel- und Beschlagwerk) gebildete Rundbogennische mit zwanzigzeiliger, gestaffelt zentrierter Inschrift in schwankender Zeilengröße über plastisch reliefiertem Vollwappen.

H. 209 cm, B. 104 cm, Bu. ca. 3,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

HONORI ET AMORI / GENEROSI D(OMI)N(I) CASP(ARI)a) / THOMANNI À FRANCKEN-/BERG; FERD(INAND)Ob) II. IMP(ERATORI) À / CONSILIIS; HVIVSCE COE-/NOBIc) PER X. ANNOS / CAPITANEI, / PII, STRENUI, FIDELIS. / ELISABETHA GERARDINa) / NATA FALBENSTEINIA VIDV-/A, LIBERIQ(VE) SVPERSTITES / MOESTISSIMI POS(VERVNT) / OBIIT VIENNA͜E A(NN)Ob) CH(RISTI) M/DCXXXVIId). D(IE) II. AVGVS(TI) / A͜ETATIS A(NN)Ob) XXXIX. / CVIVS EXUVIAS, IVSTIS FU-/NEBRIB(VS) RITE SOLVTIS, HOC / IN LOCO SEPELIRI FECIT. / DAVID GREGORI(VS) ABBASa) / GOTTWIC(ENSIS)

Anmerkungen
a) ganze Z. vergrößert.
b) Kasusendung verkleinert hochgestellt.
c) I verlängert.
d) Bestand: C X, retrogrades C, I C, retrogrades C, XXXVII.

Zur Ehre des und aus Liebe zum edlen Herrn Kaspar Thoman von Frankenburg, Rat Kaiser Ferdinands II. und zehn Jahre lang pflichtliebender, strenger und treuer Hauptmann dieses Klosters, setzten seine Witwe Elisabeth Gerhard(t), geborene von Falbenstein, und die nachgelassenen Kinder in tiefer Trauer (diesen Stein). Er starb in Wien im Jahr Christi 1637, am 2. August, im 39. Jahr seines Alters. Dessen sterbliche Hülle ließ nach würdigem Vollzug der angemessenen Trauerfeierlichkeiten David Gregor Corner, Abt von Göttweig, hier beisetzen.


Wappen: Thoman von Frankenberg2).


Kommentar

Kaspar Thoman von Frankenberg war zunächst Sekretär des Göttweiger Abtes Georg (II.) Falb (s. Kat.-Nr. 468). 1624 trat er der Further Sebastiansbruderschaft bei. Bald darauf heiratete er die Nichte des Abtes, Elisabeth Gerhard(t) von Falbenstein (s. Kat.-Nr. 498), und wurde etwa 1627 Klosterhauptmann3).

Der Wappenschild des Kaspar Thoman von Frankenberg war ursprünglich am vermutlich von ihm zusammen mit Elias (Seeauer) von Seeau (s. Kat.-.Nr. 440†) zwischen 1635 und 1637 bestifteten alten Gregorsaltar in der südlichen (früher Gregors-, heute Altmanni-)Kapelle der Krypta der Göttweiger Klosterkirche (geschnitzt oder in Stein gehauen) angebracht. Im Jahr 1777 schenkte Abt Magnus Klein den Oberteil des Altars der Ortsgemeinde Eggendorf, die ihn in der damals neuerrichteten Ortskapelle aufstellte4).

Die Textpassage von CVIVS EXUVIAS bis FECIT scheint auf eine metrische Vorlage zurückzugehen, deren Hexameter-Rhythmik in die Prosa der Inschrift weitgehend ungebrochen übernommen wurde.

Die Platte stammt angesichts der übereinstimmenden Merkmale in der Gestaltung des Vollwappens und des Rahmendekors offensichtlich aus derselben Werkstätte wie die allerdings in Fraktur beschriftete Wappengrabplatte des Gregor Schultes und des Hans Hirsch (gest. 1633) im WEINSTADTmuseum Krems (Inv.-Nr. S 124)5). Die an den unteren Ecken der Rahmung ausgebildeten kleeblattartigen und mit einer Niete versehenen Beschlagwerkformen und die Gestaltung des Vollwappens des vorliegenden Steins erinnern überdies stark an die Grabplatte des Niklas Gerhard(t) (Kat.-Nr. 453), deren Beschriftung jedoch keinen näheren Bezug zum vorliegenden Stein aufweist. Die recht charakteristische Wappengestaltung, die auch die Grabplatte des Georg Dilger (Kat.-Nr. 429) und das Grabdenkmal des Daniel Härtl (Kat.-Nr. 430) in denselben Zusammenhang stellt, steht den entsprechenden Usancen der Kremser Werkstatt des Kilian Fuchs nahe (vgl. Einleitung S. LXXIII f. und Kat.-Nr. 414).

Von den Schriftformen der oben genannten Steine unterscheidet sich der Buchstabenkanon des gegenständlichen Denkmals vor allem in der eher ungewöhnlichen Form des R mit recht kleinem Bogen, der unten nicht ganz bis zum Schaft reicht, sondern knapp zuvor spitz umknickt und in die gerade Cauda überleitet. Die drei in der Inschrift neben dem klar überwiegenden V aufscheinenden U sind neben einem älteren Beleg in allerdings gewissermaßen „unepigraphischer“ Verwendung (Kat.-Nr. 411) die frühesten und einzigen in den kapitalen Inschriften des bearbeiteten Bestands. Die gleiche ungewöhnliche Schreibung der Tausender- und Hunderterwerte der Jahreszahl in römischen Zahlzeichen weist ein Gedenkstein des Georg Christoph von Schallenberg von 1624 im Schloß Puchenau bei Linz auf6).

1) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 221v: „In pervetusto ambitu penes januam qua itur ad cryptam“.
2) Geviert: 1 und 4 nach innen gewendeter gekrönter Löwe; 2 und 3 geviert; Zwei offene Helme: aus Helmdecke wachsender langhaariger und bärtiger Mannesrumpf, das Gewand geviert; über Helmkrone kegelförmiger Hut, aus der Krone am oberen Ende ein kurzer Pfauenstutz wachsend, vgl. das tingierte Wappen in StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 95r (aquarellierte Federzeichnung).
3) Maroli, Pest- und Totenbruderschaft 304.
4) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 95r. Die zugehörige aquarellierte Federzeichnung bringt nebeneinander zwei Wappen in gleicher Größe und unter gleicher unspezifischer Adelskrone, von denen Dückelmann das rechte richtig als das Thomans beschreibt, das linke jedoch unkommentiert läßt. Da es sich beim linken Wappen (Geviert: 1 und 4 in schwarz ein nach innen gewendetes Kamel; 2 und 3 silber, vgl. Aspernig, Geschichte Farbtafel II) eindeutig um das des Elias (Seeauer) von Seeau handelt (s. Kat.-Nr. 440†), kann als Datierung des Altars nur der oben angegebene Zeitraum zwischen der Heirat Seeauers und der Magdalena von Altenau und dem Tod Thomans in Frage kommen. In jenen Jahren dürfte Abt David Gregor Corner eine weitgehende Adaptierung der Krypta der Klosterkirche, besonders der Gregorskapelle, in der er 1638 die neue Konventgruft einbauen ließ (s. Kat.-Nr. 481), vorgenommen haben. Die beiden Schilde: geviert: 1 und 4 Kamel; geviert: 1 und 4 Löwe, 2 und 3 geviert.
5) S. Adamek, Grabdenkmäler (1971) 190f. (Kat.-Nr. 119).
6) S. Aspernig, Entwicklung 77f., und vgl. Winkelbauer/Kroz, Geschlecht 137f.
Literatur

StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 126. – StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 492 (Krenner), pag. 164. – StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 221v (Federzeichnung). – StiB Göttweig, Cod. rot 891, fol. 207r. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 39r. – ÖKT 1, 481. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („18 Grabsteine und Reliefs […] im sogenannten Apothekergange“). – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Lechner, Stift 49. – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1328. – Fischer, Atlas 58. – Dehio Süd 572.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 478,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj478.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 196: Grabplatte des Kaspar
Thoman von Frankenberg (1637)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)