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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

492 Gobelsburg, Pfk. Mariä Geburt 1642

Wappengrabplatte des Gotthard Carl von Carlshofen, roter Marmor, im südlichen Seitenschiff im vierten Joch von Westen an der Südwand, ursprünglich (noch um 1899) im Boden des Mittelschiffs. Unter Vollwappen in vertieftem vollrunden Feld 19-zeilige Inschrift. Platte stark abgetreten, die untere Hälfte von nach 1965 vor dem Stein montiertem Heizkörper verdeckt.

H. 210 cm, B. 102 cm, Bu. 3 cm. – Kapitalis.

Textwiedergabe ab Z. 11 nach ÖAW, NLH, 13. 4. 1965.


Textedition
			

SISTEa), GRADVM, VIATORb), / INa) S(ANCTORVM)c) PATRVMa) LECTIONE SEDVLVS AD PATRESa) / ABYT QVI SVB MARMORE HOC CONDITVS IACET / QVONDAM NOBILISa) AC STRENVVS DOMINVS / GOTHARDVSa) CARLa) Â CARLSHOFENa) IN MVLBACHd) / ET HEINDORFa) (ET) C(ETERA) MVNDVMa) HVNC INGRESSVS / EST ANNOa) POST CHRISTVMa) NATVM M.D.C.e) DIE / III MAYa): EGRESSVSa) XXII MARTYa) MDCXLIIe). / VIXIT ANNOSa) XLI MENSES X DIES XVIIII / AD ALTERAM VITAM TRANSIRE FESTINAVIT / VIRf) QVI HANC CVM OMNIBVS TRANSITORYS / CONSTANTER SPREVIT. TVa) QVI HIC STAS DE / STATV TVOg) SERIO COGITA SAXVM HOC / INSPICE LAPIS IYDIVS EST FIDEM COECISh) / ETIAM DE MORTALITATE FACIT ERGO SI LAPIS / ES TIBI ISTAM INCIDE ET PRO DEFVNCTO / PRECES [EFFV]NDE / RELICTIa) VIDVAa) ET LIBER[I – – –]i) GERENTES MONV=/MENTVM HOC P(IE) P(OSVERVNT) ANNO SALVTIS MDCXLIIe)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) Zeile zentriert.
c) Bestand der Kürzung: S:S:
d) über V zwei kurze rechtsschräge Striche für den diphthongierten Lautwert.
e) gesamtes Wort vergrößert.
f) Inschrift ab hier verdeckt durch Heizkörper und unlesbar, Textwiedergabe nach ÖAW, NLH, 13. 4. 1965.
g) bei Hornung wohl versehentlich TO.
h) IYDIVS bis COECIS: sic! Hornung; eine sinnvolle Konjektur für die Fehllesung konnte nicht gefunden werden.
i) erg. vielleicht AFFECTVM o.ä.

Halte deinen Schritt an, Wanderer! In eifriger Lektüre der Heiligen Väter schied ab zu seinen Vorvätern er, der unter diesem Marmorstein begraben liegt, der vormals edle und gestrenge Herr Gotthard Carl von Carlshofen zu Mühlbach und Haindorf usw. In diese Welt trat er im Jahr nach Christi Geburt 1600, am 3. Mai, aus ihr ging er am 22. Mai 1642. Er lebte 41 Jahre, zehn Monate und 19 Tage und beeilte sich, in das andere Leben hinüberzugelangen, als ein Mann, der dieses mit allem Vergänglichen beständig verachtet hatte. Du, der du hier stehst, bedenke ernsthaft deinen Zustand. Betrachte diesen Stein: Es ist der Stein †...† selbst aus der Sterblichkeit macht. Wenn du also ein Stein bist, meißle dir diese ein und gieße für den Verstorbenen Fürbitte aus. Die hinterbliebene Witwe und die Kinder ließen aus (Zuneigung?) dieses Denkmal pflichtgetreu errichten im Jahr des Heils 1642.


Wappen: Carl von Carlshofen1).


Kommentar

Gotthard Carl war vermutlich ein Sohn des Steiner Ratsbürgers (im Rat seit wenigstens 1583, 1586 Richter, 1589 und 1597 Bürgermeister, 1591 Richter, 1593 Richteramtsverwalter) und späteren kaiserlichen Hofdieners Wolf Carl (von Carlshofen) zu Mühlbach und Haindorf, der 1602 den vom Inhaber von Gobelsburg, seinem Schwiegervater Sebald Händl, zu seinen Gunsten zu einem adeligen Freihof verwandelten Hof in der oberen Kirchenzeile des Gobelsburger Eigens (Windbergerhof?) besaß und 1604 den Lehensrevers des Sebald Händl zu Haindorf und Gobelsburg über die Göttweiger Zehenten in Gobelsburg besiegelte. Am 19. Oktober 1610 wurde Wolf zusammen mit seinen Brüdern Martin und Peter mit dem Prädikat „von Carlshofen“ in den Reichsritterstand erhoben, er starb 1624. Seine Sargtafel befand sich noch vor 1860 in der Gruft der Gobelsburger Pfarrkirche2). 1625 klagte Gotthard Carl beim Passauer Offizial über den Langenloiser Pfarrer Georg Christoph Grießmair, der Carls Ernte in Kammern beschlagnahmen hatte lassen, weil der von den Gründen an die Langenloiser Pfarre zu reichende Dienst seit vielen Jahren nicht abgeliefert worden sei3).

Die vorliegende Grabplatte nimmt in der einleitenden Betonung einer vorbereiteten, durch Gebet oder fromme Lektüre geprägten ruhigen und „guten“ Sterbestunde eine sonst überwiegend an Frauen gerichtete Idealforderung besonders evangelischer Artes moriendi und Leichenpredigtliteratur auf. Entsprechende Formulierungen, häufig auch auf den ungetrübten Geisteszustand der Sterbenden bezogen, finden sich im 17. Jahrhundert in zahlreichen Abwandlungen in Grabinschriften (vgl. etwa Kat.-Nr. 414)4).

Die Gestaltung des Vollwappens erinnert stark an die charakteristischen Formen der älteren Denkmäler aus der Kremser Werkstatt des Kilian Fuchs, deren Kapitalis jedoch auf dem vorliegenden Stein keinen Nachklang findet. Die mit moderatem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen unter deutlicher Betonung der Senkrechten und nur mäßiger Verstärkung der Linksschrägen recht locker gesetzten überwiegend recht breiten Buchstaben weisen feine Serifen und kleine dreieckige Sporen auf. Bei C reichen oberes und unteres Bogenende jeweils unterscheidlich weit nach rechts, das untere Bogenende läuft tendenziell spitz aus oder erhält einen im Vergleich zum oberen deutlich kleineren Sporn. E hat verkürzten Mittelbalken, G senkrechte, mitunter minimal über die Mittellinie hinausreichende Cauda, M ist gerade mit etwa zwei Drittel der Höhe des Schriftbands einnehmendem Mittelteil, O ist recht breit, einmal (in HEINDORF) fast vollrund. R zeigt eine stachelförmige, mitunter tendenziell auch leicht durchgebogene bzw. geschwungene Cauda.

1) S. Si NÖ 1, 48 (Carlshofen) und Taf. 27.
2) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 149r, Frast, Geschichte 288, Schacherl, Gobelsburg 482f., Si NÖ 1, 49 (der hier genannte Gotthard muß jedoch ein jüngerer Träger dieses Namens gewesen sein), Schönfellner, Krems 145, 154, 185, 191, 193, 200 und 228 und Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 116. Der Gobelsburger Freihof, den damals ein Vetter Gotthards, Philipp Jakob Carl besaß, wurde 1637 wieder der Herrschaft untertänig, s. Schacherl, Gobelsburg 483. Zu Wolf Carl als Steiner Ratsbürger und Amtsträger bzw. zusammen mit seinem Bruder Peter als Abgesandter der Städte Krems und Stein zu Verhandlungen mit den aufständischen Bauern 1597 vgl. Topographie 6, 849, Görg, Bürgermeister 160–162, Schönfellner, Krems w. o. (mit von Görg abweichenden Angaben zu den Funktionsdaten Carls) und Kainz, Strafgericht 26f. Melchior Klesl wollte ihn nach erfolgter Ratswahl der Stadt Stein durch einen katholischen Gegenkandidaten ersetzen, s. Schönfellner, Krems 145 (Anm. 31). Den Sitz „Mühlbach“ hatte ihm seine zweite Frau Barbara Schwarzbeck (vgl. Kat.-Nr. 399) in die Ehe eingebracht, s. Görg, Bürgermeister 160–162. Zu Philipp Jakob Carl, 1626 in Padua inskribiert, 1639/40 unter die Neuen Geschlechter des NÖ Ritterstands aufgenommen, 1648 NÖ Landrechtsbeisitzer, 1653 NÖ Regimentsrat, NÖ Klosterrat 1651–1661, NÖ Ritterstandsverordneter 1657–61 s. Starzer, Beiträge 441 und Si NÖ 1, 49.
3) S. NN., Beiträge 511 (1625 November 1, Haindorf ).
4) Beispiele bei Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 280.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 20r. – ÖKT 1, 151. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 86 („Sechs Grabsteine: 1521–1732“). – ÖAW, NLH, 13. 4. 1965. – Zotti, Kunst 2, 113. – Dehio Nord 284. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 280 (Anm. 241).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 492,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj492.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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