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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

12 Stift Stams E. 14. Jh. (?)

Vier Fragmente der Wappengrabplatte (Tumbendeckplatte?) des Matthias/Matthäus N. und (seiner Frau?) Helena, Kalksandstein, derzeit in Verwahrung im Stift, vor dem 11. 9. 1996 außen in einer Wandnische an der Nordseite der Pfarrkirche Hl. Johannes d. Täufer in Stams im Boden, zum genannten Zeitpunkt geborgen und zunächst an die Südfassade des Konventgebäudes des Stiftes/Klosterfriedhof verbracht. Bis heute sind an den Fragmenten weitere Beschädigungen aufgetreten; die Beschreibung und Transkription erfolgt nach dem Zustand von 1996. Hochrechteckige Platte mit zentralem Wappenschild. Die durchgehend steil abgefaste Kante der Platte trägt eine an der rechten oberen Ecke einsetzende nach außen gerichtete Umschrift. Erhalten sind zwei schmucklose Teile, die zusammen etwas weniger als die annähernd quadratische obere Hälfte des Denkmals ergeben, ein hochrechteckiges Bruchstück des Mittelteils mit dem (heraldisch) linken Teil des Wappens und dem Ende der Inschrift sowie ein etwa quadratischer Teil der rechten unteren Ecke des Steins mit dem Beginn des vierten Schriftbands. Die beiden Teile vom oberen Ende des Steins scheinen nicht abgebrochen, sondern exakt entlang dem Oberrand des Wappenschilds abgeschnitten worden zu sein, was auf eine wenigstens zeitweilige Sekundärverwendung hindeutet. Die Inschrift ist besonders im zweiten Schriftband stark beschädigt.


H. 183 cm, B. 82 cm, Bu. ca. 4,5 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

+ hiea) · ist · begraben · / maister · ma[..]eisb) [– – – / – – –] helena · sei/n · hausf[r]awc) ·

Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.
b) ergänze wohl ma[tt]eis; danach Bruchstelle des Fragments.
c) Rest des Schriftbandes leer.

Wappen: unbekannt1).


Kommentar

Vermutlich handelt es sich bei den gegenständlichen Fragmenten um das bei Tinkhauser/Rapp unter Bezug auf eine offenkundig falsche lokale Tradition erwähnte Grabdenkmal: „Neben der Seitenthüre der Kirche erblickt man unter einer Mauernische auf dem Boden ein uraltes verwittertes Grabmahl aus grauem Sandstein, welches die Gebeine des ersten Abtes von Stams, Heinrich von Honstätten, decken soll.“2) . Ganz offensichtlich handelt es sich jedoch um das Grabdenkmal eines durch das Epitheton maister und das Wappenbild (wohl eine Zange) eindeutig als solchen vorgestellten Handwerkers Matthias/Matthäus und seiner Frau Helena. Sein Beruf lässt sich aus der Grabplatte nicht stichhaltig erschließen, doch steht hypothetisch zu vermuten, dass er vor Ort für das Stift Stams tätig gewesen war, das ihm jedoch als Begräbnisstätte nicht offenstand. Dass er ein Steinhandwerker gewesen war (vielleicht handelt es sich beim Wappenbild um eine Steinzange?), der möglicherweise sein Grabdenkmal zu Lebzeiten selbst ausgeführt hat – ein Sterbevermerk ist im erhaltenen Teil der Inschrift nicht überliefert – kann nur Mutmaßung bleiben. An seiner Wohlhabenheit kann jedenfalls angesichts des repräsentativen Grabdenkmals – ob es sich um eine Tumbendeckplatte oder eher um eine auf kurzen Säulchen bzw. Konsolfiguren aufgelegte Grabplatte handelt, ist nicht zu entscheiden – kein Zweifel bestehen. Die locker gesetzte, mit großen Schaftstärken bisweilen gedrungen wirkende Gotische Minuskel verweist mit dem völligen Fehlen von Versalien und den vollständig im Mittelband verbleibenden b (dessen Bogen darum nur die unteren zwei Drittel des Mittelbands einnimmt) und g ebenso deutlich auf den oben angegebenen Zeitraum wie die Schildform mit spitzer Fersenstelle.

1) Eine aufgerichtete Zange (?); vollständig erhalten nur der (heraldisch) linke Teil.
2) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 3, 277. Diese Meinung könnte sich nicht zuletzt deshalb herausgebildet haben, weil man einerseits die ungewöhnliche Gestaltung als Tumbadeckel erkannte, andererseits aber die Is. nicht mehr entziffern konnte; dazu kam die im Stift etwa in der Bildbeischrift des barocken Idealportraits von Abt Heinrich I. tradierte Grabstelle Heinrichs in der Stamser Pfk., die eine entsprechende Zuordnung der gegenständlichen Fragmente nahe legte; vgl. Kat.-Nr. 99
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 3, 277.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 12,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj12.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Imst  Stift Stams   •  Wappengrabplatte  •  Tumbendeckplatte  •  Kalksandstein  •  Gotische Minuskel  •  Inschriften des Totengedenkens  •  Heinrich I.  •  Helena  •  Matthias  •  Tinkhauser, Georg  •  Rapp, Ludwig  •  Stams

Abbildungen

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Abb. 18 - 22
Fragmente einer Grabplatte (E. 14. Jh.?)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)