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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

15 Stams, Stiftskirche 1289/(um 1415

Wappengrabplatte der Familie von Eben, rötlicher Sandstein, innen in der Vorhalle an der Westwand nördlich der Tür, hier wohl schon um 1756. Die auffallend schmale hochrechteckige Platte ist zweigeteilt; oben eine vierzeilige1), vertiefte Inschrift, die Zeilen durch einfache Linien voneinander abgesetzt; sie ist nur mehr schlecht erhalten (Abschlag an der rechten oberen Ecke, Abbröckelungen des Steins insbesondere im unteren Teil) und schwer lesbar. Im vertieften Feld darunter befindet sich ein Vollwappen. Der Stein soll zunächst in der Maria Magdalena-Kapelle eingelassen gewesen sein, bevor er in die Allerheiligenkapelle verbracht wurde, in der er um 1600 vorzufinden war2). Im Zuge des Umbaus im 18. Jahrhundert kam die Platte an ihre jetzige Position in der Vorhalle der Stiftskirche3).


H. 205 cm (gesamt) bzw. 54 cm (oberes Schriftfeld), B. 69 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Standortangabe und Textergänzung nach Stiftsarchiv Stams, G VIIa n. 17, fol. 5 (Zeichnung von Josef Schöpf).


Textedition
			

+ an(n)oa) · d(omi)ni · mb) [·] / cc · lxxx · ix · Iarc) · / Sepvltvra · dom/inorum · de · Ebn

Anmerkungen
a) die Trennzeichen der Is. sind in Form eines Kreuzes mit einem Quadrangel in der Mitte ausgeführt.
b) das folgende Trennzeichen ist nicht mehr erhalten, kann aber nach der Zeichnung von Josef Schöpf ergänzt werden.
c) nach dem Trennzeichen wurde am Zeilenende eine heute kaum mehr erkennbare Rose als weiteres Füllzeichen eingefügt; sie fehlt in der Zeichnung Schöpfs.

Im Jahre des Herrn 1289. Grabstätte der Herren von Eben.


Wappen: Eben4).


Kommentar

Die Inschrift muss, wie die Gotische Minuskel und das in die lateinische Inschrift eingestreute deutsche Iar nahe legen, aus dem späten 14. oder dem 15. Jahrhundert stammen. Dies verrät überdies der Stechhelm über dem Wappenschild5). Da folglich die genannte Jahreszahl 1289 deutlich vor dem Entstehen des Grabdenkmals liegt, wurde sie offenbar gezielt zu dem Zweck geschaffen, die Stamser Tradition der Familie bis ins 13. Jahrhundert zurückführen zu können. Inschrift und Schild zeigen, dass es sich um die Familie von Eben handelt, deren Wappen ein aufrechter, schwarzer Dreizack in Silber ist. Bereits für 1280 kann eine Schenkung eines Albert von Eben und seiner Frau Hatta (oder Atta) in den Stamser Chroniken festgemacht werden; beide sind demnach auch in Stams beerdigt worden6). Die auch von den Stamser Chronisten bestätigte Lesung der Jahreszahl 1289, die diese unter Fortlassung des Iar bieten7), lässt annehmen, dass die Inschrift auf einen direkten Nachfolger Alberts Bezug nimmt. Aus der Genealogie der Ebener bei Mayrhofen lässt sich nämlich schließen, dass Albert von Eben 1281 bereits verstorben gewesen ist8). Seine zweite Frau Hatta sei eine Schwester Ulrichs von Tablat gewesen9); Ulrich von Tablat ist ebenso wie das Geschlecht der Ebener in der Nähe Meinhards II. zu greifen (die Ebener waren seit Ende des 13. Jahrhunderts gräflich tirolische Ministerialen)10). In dieser Nähe zum Landesfürsten dürfte der Grund für die frühe Bestattung in Stams – immerhin noch vor der Einweihung der Stiftskirche und der Anlage der ersten Fürstengruft – zu suchen sein. Im 15. Jahrhundert, als der hier besprochene Stein wohl entstand, scheint man gerade auf die Tradition, als eine der ersten Familien in Stams eine Grablege erworben zu haben, Wert gelegt zu haben.

Bedenkt man diese Intention, so scheidet eine Entstehungszeit zum inschriftlich angegebenen Datum aus: Die Gotische Minuskel wäre zu modern und kontraproduktiv zur Datierung des Steines ins 13. Jahrhundert. Da mit dem Tod Dietrichs von Eben 1451 das Geschlecht aber offenbar ausstarb und danach kein Interesse mehr daran bestanden haben kann, die Memoria der ersten Ebener Stifter in Stams hochzuhalten, muss der Stein spätestens in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts fertig gestellt worden sein. Es bieten sich vornehmlich drei Ebener als mutmaßliche Auftraggeber des Steines an: (1.) Der oben genannte Dietrich von Eben. Er scheint aber keine Söhne gehabt zu haben und wird so vermutlich kein gesteigertes Interesse an einer teuren Selbstpräsentation gehabt haben, wie sie der besprochene Wappenstein darstellte. (2.) Der aus der älteren Linie der Ebener stammende Hans von Eben, der um 1414 starb. Dieser hatte zwar einen Sohn und Stammhalter; darüber hinaus stiftete er 1407 und 1414 nach Stams. Doch wurde er in Inzing begraben, was wohl gegen eine besonders enge Verbindung mit Stams spricht. Auch starb sein unverheirateter Sohn noch vor dem Vater, wodurch die ältere Linie der Ebener in männlicher Linie erlosch. (3.) Am wahrscheinlichsten scheint eine jüngere Linie der Familie als Stifter des Steines: Der Vater des oben genannten Dietrich, Rudolf bzw. Christian von Eben (es ist unsicher, welcher der beiden Brüder Dietrichs Vater gewesen ist). Dieser Vater Dietrichs war mit dem Tod Hans’ von Eben zum ältesten männlichen Vertreter der Familie geworden. Vielleicht hat er, um dem Anspruch seiner jüngeren Linie mit der Berufung auf den gemeinsamen Vorfahren Albert von Eben Nachdruck zu verleihen und in Vertrauen auf seinen eigenen Sohn Dietrich, das Stamser Grabmonument fertigen lassen.

Die Herren von Eben sind mehrfach als Stifter für das Kloster nachweisbar; wo aber ihre Grablege in Stams gewesen ist, und wer aus der langen Liste der bezeugten Stifter dort tatsächlich begraben lag, vermochte bereits Lebersorg nicht mehr zu sagen11).

1) Im Artikel Schmitz-Essers wird die Inschrift irrtümlich als dreizeilig bezeichnet; Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 77. Auch die dort geäußerte Meinung, es handle sich um ein Grabmonument von 1280 muss bei genauer Betrachtung des paläographischen Befundes revidiert werden, auch wenn die spätere Datierung auf 1289 die Frage aufwirft, auf welches Datum sich die Ebener damit beziehen wollten.
2) Lebersorg, Chronik 48 (Haidacher 80f.).
3) Dies beweist u. a. auch der handschriftliche Eintrag unter der Zeichnung des Wappensteins von Josef Schöpf („Inner der Kirchthür beym Stuhl links“), der nur vom Chronisten Cassian Primisser selbst (1735–1771) stammen kann; Stiftsarchiv Stams G VIIa n. 17 fol. 5.
4) Si WüA 85 und Taf. 49 (Wappen I), vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 147 (Ebner von Ebnet).
5) Bereits Lebersorg bemerkte zu der Grabplatte: „quod [die Datierung auf das 13. Jahrhundert] tamen mihi verisimile non videtur propter sculpturae elegantiam, quae antiquitus tam artificiose non consueverant fieri“; Lebersorg, Chronik 48 (Haidacher 80f.).
6) Lebersorg, Chronik 13 (Haidacher 26f.): „Et dominus Albertus de Eben ac Atta uxor pro sepultura etc. sua donarunt praedium in Mülands 1280“. Primisser, Annales II, cap. XVI § 30: „Hatta conjux Alberti de Eben defuncta atque in porticu templi Stamsensis sepulta est“. Auch Albert habe sich dort beerdigen lassen, nachdem er dem Kloster „prata in Mülandis“ geschenkt hatte; ebda. Eine Abschrift der Urkunde mit dieser Stiftung findet sich bei Primisser, Additiones II, cap. XVI, 148.
7) Lebersorg, Chronik 48 (Haidacher 80f.); Gay, Historia I, cap. XII, 96 und Primisser, Annales II, cap. XVI § 30 (bei Primisser ist nicht explizit das Jahr 1289 genannt, doch ist er in seiner zumeist chronologischen Darstellung bereits im vorangehenden cap. § 29 zum Jahr 1288 gelangt; er übernimmt also offenbar Gays und Lebersorgs Lesung).
8) Mayrhofen, Genealogien 3, 181.
9) Mayrhofen, Genealogien 3, 181.
10) Bitschnau, Burg 145 und 179f.; Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 77f.
11) Lebersorg, Chronik 48 (Haidacher 80f.). Hier findet sich auch eine Liste der für Stams bezeugten Ebener.
Literatur

Lebersorg, Chronik 13 und 48 (Haidacher 26f. und 80f.). – Gay, Historia I, cap. XII, 96. – Stiftsarchiv Stams G VIIa n. 17 fol. 5 (Zeichnung von Josef Schöpf ). – Primisser, Annales II, cap. XVI § 30. – Primisser, Additiones II, cap. XVI, 148. – Mayrhofen, Genealogien 3, 181–184. – Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 77–79 und 105. – Schmitz-Esser, Stift Stams 216f. und 237 (Abb. 3).



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 15,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj15.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 25: Wappengrabplatte der
Ebener (1289/um 1415)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)