Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
58† |
Stams, Stiftskirche |
(1556–1560) |
Grabdenkmal für Herzog Severin von Sachsen, ursprünglich in der Stiftskirche „nahe an der erzfürstlichen Begräbniß in einem besondern Grabe“1). Wahrscheinlich handelte es sich um ein Grabdenkmal aus Erz, wie der Text der Inschrift selbst nahe legt. Da Primisser die Inschrift im 18. Jahrhundert bereits nicht mehr im Original vorlag, dürfte das Grabmal bereits im Zuge von Renovierungen der Fürstengruft (etwa 1610 oder 16802)) zerstört worden sein.
Text nach Putsch, Continuatio 149 (zum Jahr 1533).
Textedition
Aere SEVERINVS Princeps hoc clauditur: artes
Cum Natis Regis dum colit ille bonas:
Indole magnanima iam Patrem aequabat, Auumque,
Quos celebrat summos Saxonis ora Duces.
AVGVSTVS fieri haec Fratri monumenta iubebat,
Post messem undecimam quem tulit atra Diesa).
D(OMI)N(O) SEVERINO Duci Saxoniae ad HENRICI Patris, et ALBERTI Aui
uirtutem indole pietatis ac magnanimitatis aspirantj, Patriae in spe summa erepto
D(OMI)N(VS) AVGVSTVS Frater P(oni) C(uravit) Toti Genti Saxoniae
Luctum: Liberis Regijs, quibuscum educabatur, desiderium reliquitb). Vixit ultra
annum XI Mense I. Die XIII. Exta eius Aenipontj in templo Diui Iacobj condita.
Anmerkungen
Kommentar
Die Inschrift wurde mehrfach ediert: Zunächst bei Putsch um 15604), dem auch die obige Edition folgt, in den erstmals 1594 erschienenen „Variorum in Europa itinerum deliciae“ des Nathan Chytraeus5), deren Inschriften in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vom Autor gesammelt wurden, sowie im Frühwerk Primissers im 18. Jahrhundert6). Daneben gibt es noch eine ältere, sächsische Rezeptionslinie7). Aufgrund dieser lokal äußerst breit gestreuten Vielfalt an Wiedergaben des Textes kann an der ehemaligen Existenz dieses Grabmals des Herzogs Severin von Sachsen nicht gezweifelt werden8).
Das Grabdenkmal galt dem jungen Herzog Severin von Sachsen, der als Sohn Herzog Heinrichs 1533 zur Ausbildung zu den Kindern König Ferdinands I. nach Innsbruck geschickt wurde. Nachdem er hier nur elfjährig überraschend verstarb, ließ ihn Ferdinand in Stams bei der neuen landesfürstlichen Begräbnisstätte beerdigen9). Fälschlich gibt Primisser an, diese Inschrift stamme von dem 1552 geplünderten Grab Severins und sei damals von den Truppen seines Bruders Moritz von Sachsen samt dem dazugehörigen Grabmal zerstört worden10). Tatsächlich zeigt die Nennung des dritten Bruders August von Sachsen, der erst 1553 zum Herzog von Sachsen wurde, dass es sich um ein erst nach der Plünderung entstandenes Grabdenkmal für Severin handelt. In einem Schreiben an die Oberösterreichische Regierung vom 22. September 1556 bat August, man möge das Grabmal seines Bruders in Stams entsprechend seiner mitgesandten Anweisung und auf seine Kosten errichten11). Damit dürfte das Grabmal zwischen 1556 und der Zeit um 1560, als Putsch die Inschrift zum ersten Mal edierte, entstanden sein. Durch die Besprechung der Inschrift bei Putsch kennen wir auch ihren Verfasser: „his versibus conscripsit politissimus poeta regiusque historiographus Gaspar Ursinus Velius Silesius“12). Der Zuchtmeister der königlichen Kinder Caspar Ursinus war der Lehrer Severins in Innsbruck gewesen, so dass es offensichtlich ihm zukam, eine Grabinschrift auf seinen verstorbenen Schützling zu verfassen13).
Im Hauptstaatsarchiv Dresden haben sich Pläne eines Grabdenkmals aus der Zeit Augusts für Severin erhalten; es handelt sich um eine Federzeichnung des toten Herzogs mit auf dem Bauch überkreuzten Händen, eine ovale Wappenkartusche und eine rechteckige Kartusche mit einer Inschrift, die jedoch nicht mit der hier edierten übereinstimmt14). Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um die Entwürfe zu einem Grabdenkmal Severins in der Innsbrucker Pfarrkirche, wo man seine Eingeweide beigesetzt hatte15). Dies Grabmal könnte – sofern es tatsächlich ausgeführt wurde – seinerseits im Zuge des Umbaus der Jakobskirche im 17. Jahrhundert, spätestens aber im Zuge des barocken Neubaus durch Johann Jakob Herkommer 1717 zerstört worden sein16).
Es bleibt damit die Frage, ob ein Grabdenkmal Severins bereits unmittelbar nach seinem Tod in Stams aufgestellt worden ist. Tatsächlich findet sich im Dresdner Kupferstichkabinett ein Blatt, das ein Grabmal Severins zeigt17): Der junge Fürst ist als Standfigur gezeigt; sein Bildnis wird von den verschiedenen Wappen sächsischer Herrschaften umgeben. Über dem Kopf Severins findet sich eine Kartusche mit einer Inschrift18). Ob dieses Grabmal jedoch wirklich ausgeführt worden ist, kann nicht nachgewiesen werden; in diesem Fall wäre es jedoch spätestens bei der Plünderung durch die sächsischen Truppen 1552 zerstört worden. Schließlich ist noch eine weitere Inschrift zu erwähnen, die Georg Fabricius in einem Brief an den kursächsischen Sekretär Hans Jenitz zitiert19); dabei dürfte es sich jedoch nicht um ein Grabmonument des Sachsenprinzen aus Stams oder – wie von Theodor Distel fälschlich angenommen – aus Innsbruck handeln. Wahrscheinlich liegt uns hier ein Entwurf für eine Inschrift eines geplanten Epitaphs des Herzogs Severin in Altzella und Meißen vor20).
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Unter diesem ehernen Denkmal ruht der Fürst Severin verschlossen. Als er zusammen mit den Kindern des Königs die Freien Künste studierte, war er schon daran, mit seiner angeborenen Großmütigkeit mit Vater und Großvater gleichzuziehen, die Sachsen als seine größten Herzöge verehrt. Augustus ließ seinem Bruder dieses Denkmal setzen, den nach seinem elften Jahr ein schwarzer Tag dahinraffte. Dem Herrn Severin, Herzog von Sachsen, der der Tugend seines Vaters Heinrich und seines Großvaters Heinrich durch angeborene Pflichttreue und Großmut nacheiferte, dem Vaterland als größte Hoffnung entrissen, ließ Herr Augustus, sein Bruder, dieses (Denkmal) setzen, zur Trauer des ganzen sächsischen Stammes: bei den königlichen Kindern, mit denen er zusammen erzogen wurde, hinterließ er tiefe Sehnsucht. Er lebte elf Jahre und noch einen Monat und 13 Tage. Seine Eingeweide sind in Innsbruck in der Jakobskirche bestattet3).