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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
7† |
Stams, Stiftskirche |
1295/(um 1300) |
Grabinschrift für Graf Meinhard II. von Görz-Tirol. Nach den Stamser Chronisten war die Tafel mit dem Gedicht an einer Säule über dem Grab Meinhards und seiner Gemahlin Elisabeth aufgehängt. Dies gemeinsame Grab habe sich im linken Teil des Chores befunden, über dem Grab des Stifterpaares seien zusätzlich die Wappen Tirols und Bayerns in Stein gehauen gewesen. Bereits Primisser berichtet, dass zu seiner Zeit die Tafel nicht mehr vorhanden war; ebenso seien die beiden Wappensteine, von denen auch Lebersorg berichtet, bereits 1729 im Zuge der Barockisierung der Stiftskirche beseitigt worden1).
Text nach Iohannis abbatis Victoriensis lib. III, ed. Schneider 316 (Rec. A zum Jahr 1295).
Textedition
Heua) Meynartb), actor pacis litisque subactor,
Cenobiic) factor huius pius et benefactor,
Quod) similem nescit, dux et comes hic requiescit.
Criminae) compescit, sic regna superna capescit.e)
Bis quingentenos annos deciesque vicenos
Et nonagenos iungas, medios quoque denos
Post ortum Christi, tunc lux hecf) tollitur isti.
Quem fratres isti deplorant pectore tristi.
Anmerkungen
Kommentar
Die oben referierten Aussagen der Stamser Chronisten über die Lage des Stiftergrabes in der Kirche sind vielleicht anzuzweifeln, da die 1981 bei Restaurierungsarbeiten (wieder-)gefundenen Wappensteine, die einen Tiroler Adler und einen mit bayerischen Rauten belegten Schild zeigen, und auf die sich die Stamser Chronisten wohl bezogen hatten2), nicht sicher dem Stifterpaar zugeschrieben werden können: sie datieren offenbar erst aus dem 14. Jahrhundert3). Das Zisterzienserkloster Stams war 1273 durch Meinhard II. (als Graf von Görz Meinhard IV.) gegründet worden. Mit dieser Stiftung wollte Meinhard, der im Laufe seines Lebens in Tirol ein beachtliches Territorium unter seiner Herrschaft zu einigen vermocht hatte, ein geistliches Zentrum für sich und die künftigen Landesfürsten von Tirol schaffen, das als Grablege seiner Dynastie fungieren konnte. Diese Zielsetzung der Stiftung wurde von Meinhard auch von Anfang an unterstrichen: Zur Weihe der Kirche des Klosters, die am Tag des Hl. Malachias (5. November) 1284 stattfand (vgl. Kat.-Nr. 2), hatte Meinhard neben den sterblichen Überresten seiner Gemahlin und der früh verstorbenen Kinder auch insgesamt zwölf Leichname aus der alten Grabstätte auf Schloss Tirol nach Stams überführen lassen4). Man hat die Stiftung Meinhards später auch in Verbindung mit dem Tode des letzten Staufers, Konradin, in Italien sehen wollen; dies liegt deshalb nahe, da Meinhard nicht nur Parteigänger der Staufer war, sondern seine Frau Elisabeth von Wittelsbach auch die Mutter Konradins und Witwe König Konrads IV. gewesen ist, doch ist eine solche Deutung von der jüngeren Forschung immer wieder bezweifelt worden5).
Zur Datierung der Entstehung des Grabdenkmales für Meinhard II. sind die Umstände seines eigenen Todes wesentlich. Er war noch kurz vor seinem Tod 1295 vom Papst aufgrund zahlreicher Übergriffe auf Tridentiner Kirchengut exkommuniziert worden. Trotz der Schenkung von Pfunds an das Kloster Stams durch den sterbenden Meinhard musste sein Leichnam zunächst in Innsbruck niedergelegt werden. Um die an die Beisetzung im Stift gebundene Schenkung anzunehmen und den Stifter in seine vorgesehene Grablege überführen zu können, war es nötig, dass der Stamser Abt persönlich in Rom für die nachträgliche Entbindung des Toten von der Exkommunikation eintrat6). Dürfen wir der Beschreibung bei Lebersorg trauen7), so vergingen mehr als vier Jahre, bis dies geschehen war. Meinhards Leichnam konnte also wohl erst kurz vor 1300 in das von ihm gegründete Stift verbracht werden. Da die Inschrift an seinem Grab bereits um 1340 bei Johannes von Viktring auftaucht, dürfte deren Anbringung um oder kurz nach 1300 erfolgt sein. Die metrische Datierung in der Inschrift des Meinhard-Grabmals entspricht einer Mode der Zeit, die insbesondere während der Gotik weiter anhielt8); ein zweites, deutlich später entstandenes Beispiel für solch eine metrische Datierung bieten die beiden kopial überlieferten Inschriften vom Grabdenkmal Erzherzog Sigmunds (vgl. Kat.-Nr. 31†).
Äußerst verworren ist die Überlieferungsgeschichte der Meinhard-Inschrift. Während die obige Edition der ältesten (und vollständigsten) kopialen Überlieferung folgt, die um 1340 im Werke des Johannes von Viktring vorliegt9), weichen viele der folgenden Kopien der Inschrift deutlich von diesem Text ab. Bereits in der Abschrift des Anonymus Leobiensis ging die vierte Zeile – wohl aufgrund eines Schreibfehlers – verloren10); dieses Werk fand im Mittelalter jedoch weitere Verbreitung als der Text des Johannes von Viktring und so wurde auch die verkürzte Inschrift des Meinhard-Grabes aus ihr übernommen. Der Haller Kaplan Burchard Gamorett griff in seiner Chronik von 1414 die siebenzeilige Version des Anonymus Leobiensis auf11), und auch Primisser folgte noch im 18. Jahrhundert diesem Text12). Dennoch zeigt ein zweiter Strang der Überlieferung, dass die originale Inschrift in Stams noch länger bekannt gewesen sein muss. So ist Putsch um 1560 in der Lage, die vollständige achtzeilige Inschrift zu edieren13), und ihm folgt darin 1642 auch Burgklechner14). In der Historia Stambsensis des Paul Gay vom Anfang des 17. Jahrhunderts ist jedoch diese achtzeilige Inschrift ohne das hec in der siebten Zeile wiedergegeben15). Vielleicht darf man hieraus den Schluss ziehen, dass Gay bereits nicht mehr das Original vorlag; es könnte also bei der Verwüstung des Klosters 1552 zerstört worden sein16). Auch bei dem nahezu gleichzeitig im selben Kloster schreibenden Lebersorg fehlt (wie bei Gay) das hec, doch ist hier verwirrenderweise auch (wie in dem ersten Überlieferungsstrang) die vierte Zeile der Inschrift fortgelassen17). Sollte Lebersorg das fehlende hec von Gay übernommen haben, so wäre dies ein weiteres Indiz dafür, dass auch ihm Anfang des 17. Jahrhunderts das Original zur Überprüfung fehlte; warum er dann aber – entgegen der Darstellung Gays – dieselbe Zeile ausließ, die auch der Anonymus Leobiensis in seiner Abschrift übergangen hatte, bleibt ungewiss. Der Vollständigkeit halber sei auch noch ein dritter Überlieferungszweig genannt, der auf das Werk des Jakob Andrä von Brandis zurückgeht; in seiner Geschichte der Landeshauptleute von Tirol (um 1620) ließ er nicht nur die vierte, sondern auch die achte Zeile aus18); ihm folgte sein Verwandter, Franz Adam von Brandis, der 1678 in „Deß Tirolischen Adlers Immergrünendes Ehren=Kräntzel“ nicht nur die sechszeilige Edition abschrieb, sondern dieser eine noch kürzere deutsche Übersetzung beigab19).
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Stams, Stiftskirche • Inschriften des Totengedenkens •
Albert III. •
Anonymus Leobiensis •
Brandis, Franz Adam •
Brandis, Jakob Andrä •
Burgklechner, Matthias •
Elisabeth •
Gamorett, Burchard •
Gay, Paul •
Johannes von Viktring •
Konrad IV. •
Konradin •
Lebersorg, Wolfgang •
Meinhard III., Meinhard II. •
Meinhard III., Meinhard III. •
Primisser, Cassian •
Putsch, Christoph Wilhelm •
Sigmund •
Innsbruck •
Pfunds •
Rom •
Schloss Tirol •
Stams
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Ach, hier ruht Meinhard, der Verteidiger des Friedens und der Schlichter der Streitigkeiten, dieses Klosters frommer Stifter und Wohltäter, Herzog und Graf, der seinesgleichen nicht kennt. Er unterdrückte die Verbrechen und strebte so nach den himmlischen Reichen. Zwei mal fünfhundert Jahre nach der Geburt Christi und zehnmal zwanzig und neunzig, (dazu) ein halbes Jahrzehnt sollst Du aneinander reihen, da erlosch für diesen das Licht, welchen mit traurigem Herzen die Brüder hier betrauern.
Leoninische Hexameter, zweisilbig binnen- und paarweise endgereimt.