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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

82 Stams, Stiftssammlungen 1505/vor 1618 (?)

Altarretabel (so genannter Feldaltar Erzherzog Maximilians III. von Österreich) mit erklärenden Beischriften, Deckfarben auf Pergament, auf Holz aufgezogen und verglast, im Depot. In einer von einem Jesusmonogramm bekrönten Holzrahmung aus dem frühen 19. Jahrhundert1) sekundär arrangierte ältere bildliche Darstellungen in drei waagrechten und sechs senkrechten Registern. Im Zentrum hochrechteckige Kreuzigungsszene, darüber im mittleren Register annähernd quadratisches Letztes Abendmahl, darunter annähernd quadratische Grablegung, die beiden Bilder jeweils flankiert von zwei schmalen hochrechteckigen Prophetenbildern: die Figuren in Rundbogennischen stehend, auf kleine hochrechteckige, schwarz auf weiß fünf- bis neunzeilig beschriftete Inschriftentafeln aufgestützt (oben links I, oben rechts II, unten links III, unten rechts IV). Unter den Nischen jeweils eine Szene (in derselben Reihenfolge): Opfer des Melchisedek, Opferung Isaaks, Mannalese, Josef wird in den Brunnen geworfen. In den beiden äußeren Bildregistern der Tafel je vier Szenen aus dem Christusleben in hochrechteckigen Bildfeldern (chronologisch von links nach rechts und oben nach unten springend): Verkündigung, Geburt Christi, Ölberg, Gefangennahme, Geißelung, Dornenkrönung, Ecce Homo, Handwaschung des Pilatus. Mehrere Inschriften wurden in die einzelnen Szenen eingebaut: Über der knienden Madonna in der Verkündigungsszene ist zwischen den zwei auf Wolken thronenden, mit dreieckigen Nimben versehenen göttlichen Personen mit Tiara ein Trinitätssymbol mit einer an den drei Seiten umlaufenden Inschrift (V) und einer darin eingeschlossenen Tiara zu sehen. Über der Krippe der Geburtsszene befindet sich ein Engel mit einem Schriftband (VI), der von zwei Putten begleitet wird. Im auf perspektivische Tiefe angelegten Hauptbild der Kreuzigung (mit Kreuzestitulus VII) ist unten links ein Monogramm mit Jahreszahl zu erkennen (VIII), das einer gemalten Holztafel eingeschrieben ist. Eine Überarbeitung wohl ebenfalls des frühen 19. Jahrhunderts hat den originalen Schriftcharakter stark beeinträchtigt.

H. 159 cm, B. 85 cm, Bu. 0,4–0,5 cm (I–IV), 0,2–0,3 cm (V, VI), 5 cm (VII), 0,1 cm (VIII). – Kapitalis und Minuskelantiqua.


Textedition
			

I. CIBABO TE / HA͜EREDITA/TE IACOB / PATRIS TVI / ISAIA͜E Cap(itulo) 5:8 II. NVNQVID / ISTE EST / TORRIS / ERVTVS / DE IGNE . / ZAHARIA͜E / Cap(itulo) 3: III. IPSI VERO IN=/SPEXERV(N)Ta) ME / ET DERISERVNT / ME DIVISERVNT / SIBI VESTIMENTA / MEA ET SVPER / VESTEM MEAM / MISERVNT SOR=/TEMa): Psalm(us) 21b) · IV. O, VOS OMNES, / QVI TRANSITIS / PER VIAM, AT/TENDITE, ET / VIDETE, SI EST / DOLOR, SICVT / DOLOR MEVS / Ierem(iae) Cap(itulo) 1 V. VERBVM / CARO / FACTVM EST VI. GLORIA IN // EXCELSIS DEO VII. INRI VIII. 1505 / ADc)

Anmerkungen
a) als Abteilungszeichen zwei übereinander gestellte Doppelpunkte.
b) es folgt ein Quadrangel mit nach rechts auslaufendem Zierstrich.
c) D dem A untergestellt; A mit Deckbalken.

Ich werde dich speisen mit dem Erbe deines Vaters Jakob. Jesaja, Kapitel 58 (I).
Ist denn dieser (Mann) ein Holzscheit, das man aus dem Feuer gerissen hat? Zacharias, Kapitel 3 (II).
Sie aber gaffen und weiden sich an mir, sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand. Psalm 21 (III).
Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz. Jeremias Kapitel 1 (IV).
Das Wort ist Fleisch geworden (V).
Ehre sei Gott in der Höhe (VI).

Is 58,14 (I); nach Za 3,2 (II); nach Ps 21,18f. (III); Lam 1,12 (IV); Io 1,14 (V); Gloria (VI).


Kommentar

Aufgrund der monogrammatischen Signatur mit Jahreszahl in Inschrift VIII hielt man den Feldaltar früher unreflektiert für ein Objekt aus dem Umfeld König Maximilians I. Der stilistische Befund – eine inschriftenpaläographische Analyse ist angesichts der entstellenden Eingriffe durch Überarbeitungen nicht zielführend – zeigt jedoch überdeutlich, dass es sich um ein Werk vom Anfang des 17. Jahrhunderts handelt, das mutmaßlich als Stiftung Maximilians III. (also vor dessen Tod 1618) entstand2). Geschaffen wurde dieser Feldaltar vielleicht von einem Innsbrucker Hofmaler, dessen Darstellungen mehreren bekannten Vorlagen (darunter der „Große Kalvarienberg“ Dürers) folgen3). Auf die Reproduktion einer Vorlage Dürers verweist auch die vom Vorbild wörtlich übernommene Signatur mit der Jahreszahl 1505 (Is. VIII), die sichtlich Dürers bekannter monogrammatischer Signatur nachgebildet ist.

1) Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 463.
2) Franckenstein, Kunsthandwerk 101.
3) Vgl. dazu ausführlicher Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 463.
Literatur

Franckenstein, Kunsthandwerk 101. – Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 463f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 82,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj82.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 77–78:
„Feldaltar“ Maximilians III.
(1505/vor 1618?) und Detail
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)