Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
88 |
Stams, Stiftssammlungen |
1623 |
Kasel (so genannte „Freibergkasel“) mit Stifterinschrift, schwarzer Samt mit Applikationen aus weißer, blauer, gelber und roter Seide. Die Rückseite der Kasel zeigt fast vollflächig die stehende Skelettfigur des Todes, die sich mit dem rechten Arm auf eine Sense aufstützt. Mit der linken Hand weist sie auf die am Boden liegenden Kriegstrophäen (Rüstungsteile, Blankwaffen und Helme), aus denen am linken und rechten Rand je eine Fahnenlanze hervorragt. Den Rand der Kasel bilden friesartig aneinander gereihte Todessymbole (vor allem die Sanduhr); unterhalb des Skelettes wird der Fries durch ein Wappen unterbrochen, das ober- und unterhalb von je einem Spruchband mit zwei Abschnitten einer zusammengehörigen Inschrift gerahmt wird. Die Vorderseite der Kasel zeigt einen Totenschädel vor zwei gekreuzten Knochen, durch den sich Schlangen winden.
H. 117 cm, Bu. 0,9 cm–1,1 cm. – Kapitalis.
Textedition
MARQVARDVS DE / FREIBERG // DONAVITa) A(NNO) · D(OMINI) ·
1623
Anmerkungen
Wappen: Freiberg1), Freiberg2).
Kommentar
Die Kasel ist, wie die Inschrift verrät, eine Stiftung des Marquard von Freiberg und Eisenberg (gest. 29. Dezember 1625), der seit 1614 Kanoniker in Augsburg war; er hatte auch Kanonikate in Eichstätt und Salzburg, sowie die Propstei von St. Moritz in Breisach inne3). Die Familie Freiberg, deren Wappen sich gleich dreimal auf der Kasel findet, besaß im Kreuzgang von Stift Stams ihre alte Erbgrablege (vgl. Kat.-Nrr. 14†, 19†, 20, 23, 30 und 33†). Zweifellos sollte die Kasel beim Vollzug der Jahrtage und der Feier der Seelenmessen am Ort der Freiberger Grabstätte Verwendung finden.
Die Freiberger scheinen sich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts besonders für ihre ehemalige Familiengrablege interessiert zu haben. Im selben Jahr 1623 besuchte Günther Ferdinand von Freiberg Stams, um die alte Erbgrablege zu besichtigen und schenkte seinerseits dem Stift Stams eine „casulam de samd violacro“4).
Auffällig ist die geradezu drastisch geschilderte Vanitas-Symbolik der Kasel. Sie wird nicht nur in dem Skelett auf der Rückseite oder dem Totenschädel mit Schlangen auf der Vorderseite deutlich, sondern ebenso in den Details – etwa den Sanduhren am Rand der Darstellung – ausgedrückt. Die unter dem Skelett liegenden Rüstungen, Helme und Waffen (Schwert, Keule und Streitkolben) sind als Zeichen des vergänglichen Kriegsglücks zu verstehen.
Die Freibergkasel gleicht in ihrem Aufbau der Kasel des Abtes Anton Wolfradt aus Stift Kremsmünster von 1630. Beide Kaseln folgen in der Darstellung des Todes mit nur geringen Abweichungen dem anatomischen Holzschnitt eines Skeletts bei André Vésal. Da die Kasel aus Kremsmünster nachweislich vom Augsburger Johann Jakob Pfalzer geschaffen wurde, dürfte es sich aufgrund der Ähnlichkeiten beider Kaseln auch bei der Freibergkasel aus Stams um ein Stück aus der Werkstätte dieses Künstlers handeln.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
|
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Stams, Stiftssammlungen • Kasel • Freibergkasel • Stifterinschrift • schwarzer Samt • Seide • Kapitalis •
Freiberg, Günther Ferdinand •
Freiberg, Marquard •
Maximilian III. •
Pfalzer, Johann Jakob •
Vesal, André •
Wolfradt, Anton •
Augsburg •
Breisach •
Eichstätt •
Kremsmünster, Benediktinerkloster •
Salzburg •
Stams, Kreuzgang
Abbildungen
Abb. 79: Kasel (1623) Bildzitat nach Franckenstein, Kunsthandwerk 98
|
Marquard von Freiberg schenkte (dies) im Jahre des Herrn 1623