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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

126 Serfaus, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau im Walde 1427

Madonnen-Statue mit Jahreszahl, im Hochaltar aufgestellt. Die Inschrift wurde in das unbemalte Holz an der Rückseite der romanischen Figur eingeritzt. Da die Skulptur einer näheren Untersuchung nicht zugänglich war, erfolgt die Bearbeitung nach einer rezenten Publikation.

Bu. ca. 1,5 cm.

Standortangabe, Beschreibung und Text nach Hörmann-Weingartner, Kunstschätze 268–275.


Textedition
			

427

Kommentar

Schon zu Ende des 16. Jahrhunderts wurden die an der Rückseite der als Votivbild verehrten Skulptur eingeritzten Ziffern als Jahreszahl 427 und somit unkritisch als Auffindungsjahr der Statue und als Beleg für die frühe Christianisierung der Gegend von Serfaus im 5. Jahrhundert gesehen1). 1927 nahm man sie zum Anlass, ein Jubiläum zu feiern und eine eigene Festschrift dazu herauszugeben2). Selbst die neueste Literatur, die zwar die Zahlzeichen als „gotisch“ bezeichnet, möchte doch dieselben Schlüsse aus ihr ziehen3). Es scheint jedoch gänzlich unwahrscheinlich, dass man sich im 14. Jahrhundert (nach gut einem Jahrtausend!) an das Jahr des Beginns der Wallfahrt erinnerte – ein Jahr im 5. Jahrhundert, in dem zudem die Zählung nach Christi Geburt noch überhaupt nicht verwendet worden war. Denkbar wäre hingegen eine im 15. Jahrhundert vorgenommene, erfundene Frühdatierung – etwa zur Prestigesteigerung der Serfauser Wallfahrt. In diesem Fall jedoch müsste man die Jahreszahl an einer viel prominenteren, zumindest aber sichtbaren Stelle an oder um die Statue herum erwarten4). Damit bleibt die Lesung der Jahreszahl als 1427; schließlich ist es in spätmittelalterlichen Inschriften nicht ungewöhnlich, die 1 am Anfang der Jahreszahl fortzulassen. Zudem entspricht eine Datierung der Inschrift auf 1427 angesichts der schlingenförmigen 4, der spitzen 2, und der aufgerichteten 7 mit linksschrägem Deckbalken auch ihrem epigraphischen Befund. Fraglich bleibt in diesem Fall dennoch, worauf die Datierung hinweist. Denkbar wäre eine Datierung anlässlich der Restaurierung der Madonna oder der Erneuerung ihres Rahmens.

Die Statue selbst ist schwierig zu datieren; nach einer dendrochronologischen Untersuchung wurde ihr Holz spätestens 1170, frühestens 980 geschlagen5). Vielleicht darf man sie also bereits ins 12. Jahrhundert datieren. Der heutige Metallrahmen wurde im Zuge der Restaurierungen von 1960 durch den Künstler Josef Staud angefertigt.

1) Hörmann-Weingartner, Kunstschätze 268. Im Pfarrmuseum Serfaus hat sich ein Bild mit der Darstellung der Gründungslegende der Wallfahrtskirche erhalten, in dem 427 als Jahr des Gründungswunders angegeben wird. Hochenegg gibt als von ihm bezweifeltes Datum der Entstehung der Wallfahrt davon abweichend das Jahr 804 an; Hochenegg, Kirchen 224.
2) Lorenz, Serfaus. Dekan Lorenz bemerkt darin allerdings, dass die Statue erst aus dem Hochmittelalter, die Jahreszahl überhaupt aus dem Spätmittelalter stammen müsse; ebda 6. Umgekehrt listet er weitere Belege (etwa das barocke Andachtsbild) für die Tradition einer Gründung von Serfaus 427 auf; ebda 5–8.
3) Etwa Klien, Pfarre 155. An anderer Stelle vermutet derselbe Autor: „Die Zahl 427 könnte auch auf eine alte Reliquie aus der Zeit der Christianisierung hindeuten.“ Klien, Kunstschätze 40. Auch diese These ist historisch nicht haltbar.
4) Eine Inschrift mit solcher Vordatierung zur Prestigesteigerung findet sich etwa in Stams; vgl. Kat.-Nr. 15.
5) Vgl. Hörmann-Weingartner, Kunstschätze 272.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 558. – Lorenz, Serfaus 6. – Hochenegg, Kirchen 224. – Matscher, Am obersten Inn 232. – Ammann, Oberland 331. – Dehio Tirol 728. – Klien, Kunstschätze 40. – Hörmann-Weingartner, Kunstschätze 268–275. – Klien, Pfarre 155.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 126,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj126.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Serfaus, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau im Walde    •  Madonnen-Statue  •  Jahreszahl  •  Staud, Josef