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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

153 Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (1504)

Ehemalige Mitteltafel des Hochaltares der Pfarrkirche Landeck (Inv. Nr. Gem 92). Sie befand sich im 19. Jahrhundert nach der Angabe von Josef Ringler in der Kapelle des Landecker Ansitzes Gerburg, bevor die Tafel 1887 als Geschenk der Gemeinden des Gerichtsbezirkes Landeck an das Ferdinandeum kam1). Die oben halbrund abgeschlossene Tafel zeigt Anna Selbdritt auf dem Thron sitzend. Die Figur der Maria hat ein aufgeschlagenes Buch in der Hand, auf dessen weiße Seiten in schwarzen Strichen eine fingierte Inschrift eingemalt wurde. Lesbar ist hingegen eine in Kapitalis gefasste goldene Inschrift auf dem grünen Innensaum des Kleides der Maria (I). Das Christuskind hält einen Stieglitz in der Hand. Über der Darstellung der Anna Selbdritt befinden sich drei singende Engel mit einer herabhängend gemalten, weißen Schriftrolle, in die (auf den Kopf gestellt) Notenlinien und der Text des Gloria in schwarzer Farbe gemalt sind (II). Links des Thrones sind die Figuren der Hll. Petrus und Paulus, rechts jene des Evangelisten Johannes und Jakobus des Älteren zu sehen. An der Unterseite knien die Stifter auf einem kostbaren anatolischen Knüpfteppich2): Links ein kniender Ritter, vor ihm sein Helm und sein ebenfalls kniender Sohn. In der linken unteren Ecke ist sein Vollwappen zu erkennen. Auf der rechten Seite des Bildes, ihrem Mann gegenüber, ist die Frau des Stifters mit ihren zwei Töchtern zu sehen. Da an der Unterseite der Tafel die Farbe stark abgeblättert ist, bleibt von ihrem in der unteren rechten Ecke gemalten Vollwappen kaum mehr als der Helm mit der Helmzier zu erkennen3).

H. 12 cm (II), B. 5 cm (II), Bu. 2,5 cm (I), 0,5–1 cm (II). – Frühhumanistische Kapitalis (I), Gotische Minuskel (II).


Textedition
			

I. KOI // HFa) // SAL(O)MONISb) // GE[.]//LEc) II. Gloriad) in / excelsis deo / et in ter(r)ae) / pax

Anmerkungen
a) Unterbrechungen durch die Falten des Saums.
b) statt dem O ein Punkt auf der Mittellinie und zwei Kürzungsstriche: einer über dem L und einer über diesem Punkt.
c) der Buchstabe in der Mitte durch die Falte des Saums nicht lesbar; ein weiterer Buchstabe am Ende des Wortes durch die Überschneidung eines anderen Stoffstückes abgeschnitten (dabei handelt es sich um einen Bogen, so dass C oder O denkbar wären).
d) G rot. – da der Text auf den Kopf gestellt ist, werden die Zeilen hier (dem Sinn folgend) von unten nach oben ediert.
e) Kein Kürzungsstrich.

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden (II).


Wappen: Tänzl4), Rindschait5).


Kommentar

Trotz der eindeutigen Lesung des Großteils der ersten Inschrift kann ihr Sinn nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Neben der Annahme einer späteren Manipulation im Zuge einer Restaurierung ist es durchaus denkbar, dass nie mehr als das zentrale Wort SAL(O)MONIS sinnvoll zu lesen war, da Gewandsauminschriften häufig sinnlose Buchstabenfolgen zeigen6). Bei dieser Inschrift dürfte es sich um eine Anspielung auf die typologische Beziehung von Maria und König Salomon handeln. Ein gutes Vergleichsbeispiel für diese Inschrift des Landecker Altares bietet der Zyklus des Meisters des Marienlebens aus der Alten Pinakothek in München. In der Szene der Vermählung Mariens ist auch hier auf der Altardecke eine – allerdings in hebräischen Buchstaben geschriebene – verkürzte Inschrift angebracht worden, die trotz ihrer geradezu fragmentarischen Kürze für den Rezipienten verständlich bleibt: ave [p]lena, die Anfangsworte der Begrüßung des Erzengels bei der Verkündigung7). In der Szene der Verkündigung aus demselben Zyklus finden sich auf dem Gewand des Erzengels mehrere typologische Anspielungen, dabei auch eine Darstellung mit der Königin von Saba vor dem Thron Salomons8) – eine Szene, auf die auch der Landecker Altar mit seiner Gewandsauminschrift hinweisen könnte.

Im Gegensatz zur Gewandsauminschrift ist die zweite Inschrift des Landecker Altares eindeutig; sie zeigt das Gesangblatt mit dem Gloria.

Die auf der Altartafel gezeigten Stifterfiguren stellen die Familie des Veit Jakob Tänzl (gest. 1530) und seiner Gattin Anna Rindschait dar. Diese im Schwazer Bergbau zu Reichtum gekommene Familie hatte Besitzungen bei Landeck; so tauschte man bereits 1498 Burg Berneck bei Landeck gegen Schloss Tratzberg, das der Familiensitz werden sollte. 1502 wurden die Tänzl von König Maximilian in den Adelsstand erhoben, worauf auch der hier gezeigte Leopard im Tänzelschen Wappen deutet, der erst mit der zugleich erfolgten Wappenbesserung hinzugefügt wurde9). Von Veit Jakob Tänzl hat sich in Schloss Tratzberg bei Schwaz ein Totenschild erhalten, der dieses gebesserte Wappen mit dem Wappen seiner Frau Anna als Herzschild zeigt10).

Nach einer Rechnung aus dem Archiv der Pfarrkirche kann man die Aufstellung des Altares mit 1504 datieren11); zusammen mit dem gebesserten Wappen ergibt sich so eine Entstehungszeit zwischen 1502 und 1504.

Die Buchstabenformen der Gewandsauminschrift entsprechen sowohl im Formenbestand wie in den Gestaltungselementen dem in Frühhumanistischer Kapitalis zu Erwartenden: der Balken des A ist gebrochen, E ist einmal epsilonförmig ausgeführt; der Balken von H und der Schrägschaft von N zeigen Ausbuchtungen nach unten, I und S besitzen Nodi in der Mittellinie, L zeigt einen Halbnodus am Schaft.

1) Ringler, Museum 32 und Egg, Kunst in Innsbruck 20.
2) Vgl. dazu Egg, Bildteppiche 8f. Egg möchte in dem Teppich ein anatolisches Werkstück erkennen, das als Statussymbol und kostbarer Besitz der Familie Tänzl auch in das Mittelbild des von Veit Jakob gestifteten Altars Eingang fand; ebda, 9.
3) Auf einer Aufnahme, die in Eggs Aufsatz publiziert wurde, erkennt man einen rechtsblickenden Adler im Wappen der Stifterin; Egg, Kunst in Innsbruck 21, Abb. 6. Dieser findet sich als Herzschild auch auf dem Totenschild Veit Jakob Tänzls; vgl. Egg/Trapp, Totenschilde 89.
4) Si Tir 16 und Taf. 19 bzw. Bay 60 und Taf. 63 (freiherrliches Wappen), vgl. auch Württembergisches Adelsund Wappenbuch 795.
5) Wappenschild nicht mehr vorhanden (vgl. Anm. 3); Spangenhelm mit schwarzem Mannesrumpf als Helmzier.
6) Vgl. Kloos, Einführung 45–48.
7) Alte Pinakothek 325f.
8) Alte Pinakothek 326.
9) Vgl. Egg, Kunst in Innsbruck 20f.; Egg/Trapp, Totenschilde 88f. und Egg, Aufstieg 39–50.
10) Egg/Trapp, Totenschilde 88f.
11) Egg, Kunst in Innsbruck 20.
Literatur

Ringler, Museum 32. – Egg, Kunst in Innsbruck 20–23. – Egg/Trapp, Totenschilde 89.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 153,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj153.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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