Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

169† Obsaurs (Schönwies), Kirche Hl. Vigil 1. V. 16. Jh.

Evangelistensymbole mit Beischriften, Farbe auf Stein, auf den Schlusssteinen im Gewölbe des Langhauses. Die sechs Schlusssteine des Netzrippengewölbes zeigen nordwestlich den Lukasstier mit Spruchband (I), südwestlich den Markuslöwen mit Spruchband (II), zwischen beiden die Mutter Gottes mit Kind, nordöstlich den Johannesadler mit Spruchband (III), südöstlich die menschliche, geflügelte Matthäusfigur mit praktisch verlorenem Spruchband (IV), zwischen beiden das Lamm Gottes. Die schwarz auf weißem Grund aufgemalten Inschriften sind heute durch restauratorische Eingriffe völlig verfälscht; der aktuelle Buchstabenbestand ist zwar weitgehend sinnlos, erlaubt jedoch noch Rückschlüsse auf den ursprünglichen Text.

Bu. ca. 2–3 cm. – Frühhumanistische Kapitalis (?).


Textedition
			

I. FVITa)// IN // DIEB(VS) II. FVITb) // IOHANN//(E)S BAPTIZ(ANS) III. INc) PRINC//IPIO IV. LIBER GENERATIONISd)

Anmerkungen
a) Is. auf die Abschnitte des Spruchbandes verteilt; DIEB(VS) kopfständig in Relation zur übrigen Inschrift; aktueller Bestand: FVIT // MI // OIPb(VS).
b) Is. auf die Abschnitte des Spruchbandes verteilt; FVIT kopfständig in Relation zur übrigen Inschrift; aktueller Bestand: IVIT // TOI IAN(N)//S bANTTO.
c) Is. auf die Abschnitte des Spruchbandes verteilt; aktueller Bestand: S // TNIPINC//IPIO.
d) erg. nach dem Sinnzusammenhang in Analogie zu Is. I–III; aktueller Bestand: lIb[– – –.

Lc 1,5 (I), nach Mc 1,4 (II), Io 1,1 (III), Mt 1,1 (IV).


Kommentar

Die stark manipulierten, nach dem aktuellen Bestand kaum mehr sinnvoll lesbaren Inschriften der Schlusssteine stammen wohl aus der ersten malerischen Ausstattungsphase der spätgotischen Kirche im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. Die Restaurierung der Gewölberippen und Schlusssteine zeigt, dass sich Tinkhauser irrt, der die Entstehung der Rippen ins 19. Jahrhundert setzt, nachdem die originalen gotischen Rippen abgeschlagen worden seien1).

Zwar sind die Inschriften durch restauratorische Eingriffe als völlig entstellt zu bezeichnen, doch erlauben einzelne offenbar noch einigermaßen dem ursprünglichen Bestand entsprechende Formen (A mit gebrochenem Balken, retrograde N) und die generell eher schlanken Proportionen der Buchstaben die Erschließung der originalen Schriftart als Frühhumanistische Kapitalis.

1) „Dieses altehrwürdige Gotteshaus ist leider! schon vor längerer Zeit bei irgend einer ‚Restauration‘ seiner gothischen Gewölberippen beraubt worden; natürlich wurden auch die alten Mauergemälde bis zur Unkenntlichkeit übertüncht. Der jetzige [i. J. 1889] Kurat, Abraham Linser, ließ, da diese Malerein doch kaum mehr zu retten waren, die Kirche neu dekorieren und an dem Gewölbe neue Rippen anbringen.“ Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 15f. Worauf sich diese sehr präzisen Angaben bei Tinkhauser/Rapp beziehen, bleibt unklar. An der Originalität der Schlusssteine im Langhaus besteht jedenfalls kein Zweifel; vgl. auch Kundratitz, Restaurierungsbericht 13f.
Literatur

Tinkhauser/Rapp 4, 14–16. – Ammann, Oberland 327f. – Dehio Tirol 697. – Kundratitz, Restaurierungsbericht 13f. – Pernikar, Schönwies 9.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 169,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj169.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Obsaurs (Schönwies), Kirche Hl. Vigil    •  Evangelistensymbole  •  Beischriften  •  Schlusssteine  •  Frühhumanistische Kapitalis  •  Linser, Abraham  •  Tinkhauser, Georg

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 131: Schlussstein (1. V. 16. Jh.)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)