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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

213 Obsaurs (Schönwies), Kirche Hl. Vigil vor 1589/4. V. 16. Jh. (?), 2. Jz. 17. Jh. (?), 1634

Wandmalereien mit Namensbeischriften, Tituli und Stifterinschrift, im Chor. An der Südseite unter dem sekundären barocken Rundfenster, von diesem beschädigt, befindet sich eine Reihe von im Gebet knienden Stifterfiguren, von der sich links die Reste von drei männlichen Figuren und rechts sechs weibliche Figuren (die zweite und dritte von rechts mit einem kleinen Kreuz in den Händen als verstorben gekennzeichnet) erhalten haben; die schwarz über den Figuren aufgemalten Namensbeischriften sind nur mehr fragmentarisch erhalten (über der männlichen Figur ganz links I, über den weiblichen Figuren von rechts nach links II–V). Darunter ist eine weitere Stifterreihe dargestellt, von der sich nur mehr geringe Reste erhalten haben; ebenso fragmentarisch überliefert ist die schwarz aufgemalte Inschrift zu einer männlichen Figur ganz links (VI). Im Freiraum zwischen den männlichen und weiblichen Figuren dieser Stifterreihe wurde bereits 1589 ein Graffito angebracht (s. Kat.-Nr. 214). Die Köpfe und der Brustbereich der Figuren werden von einer offenbar nur wenig jüngeren kleinfigurigen Stifterreihe überdeckt. Unterhalb einer weiteren Stifterreihe am südwestlichen Anlauf des Chorgewölbes ist eine Kartusche vorhanden, von deren einstiger Inschrift sich jedoch kein lesbarer Rest erhalten hat. Darüber befindet sich im westlichen Teil des Chorgewölbes eine Darstellung der Dreifaltigkeit, der Arma Christi und der schmerzensreichen Mutter Gottes. Links darüber sind die vier Kirchenväter abgebildet; bei den beiden unteren, den Hll. Gregor und Hieronymus, hat sich jeweils ein schwarz ausgeführter Titulus rechts neben der Figur erhalten (VII und VIII). Am nordwestlichen Gewölbeanlauf findet sich über einer Vase und zahlreichen Ranken eine weitere Stifterreihe aus vier männlichen und zwei weiblichen Figuren; erhalten sind Reste der schwarz aufgemalten Namen über den drei links knienden männlichen Figuren (IX–XI); die Inschriften über den drei anderen Figuren und eine offenbar einstmals zweizeilige Inschrift unmittelbar über der Figurengruppe haben sich nur mehr ansatzweise erhalten und sind nicht mehr sinnvoll lesbar. Im östlichen Chorgewölbe sind die einander zugewandten, thronenden und vom jeweiligen Symboltier begleiteten Apostel Lukas (links) und Markus (rechts) zu sehen. Im aufgeschlagenen Buch in der Hand des Evangelisten Lukas findet sich ein fast völlig ausgebleichter, schwarz aufgemalter Titulus (XII), links neben der ausgestreckten Hand des Evangelisten Markus zweizeilig schwarz aufgemalt der Titulus mit Jahreszahl (XIII). Am nordöstlichen Gewölbeanlauf ist eine weitere Stifterreihe dargestellt, die aus sechs knienden männlichen Figuren besteht. Nur bei der vordersten Figur rechts hat sich der Rest einer schwarzen Inschrift erhalten (XIV). Direkt daneben an der Nordwand des Chores rechts neben dem Fenster findet sich die noch erhaltene obere Hälfte der Figur des Hl. Ulrich, über der sich fragmentarisch der Titulus samt einer Stifterinschrift erhalten hat (XV). An der Chorostwand ist der Kruzifixus dargestellt (Kreuzestitulus: XVI), das Kreuz angereichert mit den Arma Christi (Lanze, Geißel, Fackel und Stab mit Essigschwamm) und beiderseits des Kreuzesstamms je zwei Medaillons mit Szenen aus dem Leben Christi (links Christus lehrt im Tempel, Flucht nach Ägypten, rechts Kreuztragung, Kreuzabnahme; Fragmente zumindest eines weiteren Medaillons auf der linken Seite sind noch zu erkennen). Die Wandmalereien im Chor wurden wie die im Langhaus im 18. Jahrhundert weiß übertüncht, 1962–1967 freigelegt und 1994/95 restauriert1).

Bu. ca. 2 cm (I–XI, XIV), ca. 5 cm (XII–XIII), 3–5 cm (XV), ca. 10 cm (XVI). – Fraktur und Kapitalis (XIII, XVI).


Textedition
			

I. St[– – – II. – – –]a III. Doro[thea] IV. Anna V. Anna VI. [A]nton VII. S(anctus) Jeronjmus VIII. Gregorj IX. [Mat]hias X. Michel XI. Jacob XII. S(anctus)a) // Lucas / Eva(ngelista) XIII. [M]ARC(VS)a) / 1634 XIV. Petter XV. VELRICVSe) / 162[.]/ Hat mac[h]en lassene) [– – –] / Jung[– – –] wlre)[– – – XVI. INRI

Anmerkungen
a) S(anctus) auf der einen, übriger Text auf der anderen Seite des aufgeschlagenen Buches.
b) so wohl ursprünglicher Bestand; heute entstellend restauriert zu CARK(VS).
c) unter den bei der Restaurierung stark nachgezogenen Buchstaben sind schwache Reste eines ursprünglich abweichenden Bestands (wohl VLRICVS) erkennbar.
d) oberer Teil des Wortes beschädigt.
e) sic! Bestand entstellend restauriert, ursprünglicher Bestand in Anbetracht eines Zusammenhangs zwischen Stiftername und Heiligenfigur vielleicht Vlrich.

Kommentar

Die auf Inschrift XIII basierende pauschale Datierung aller Wandmalereien der Kirche auf 1634, die Kundratitz vornimmt2), ist nicht zu halten. Vielmehr lässt sich aus der dichten und sichtlich nicht in ein einziges übergeordnetes Konzept einzuordnenden Abfolge von Einzelszenen die schrittweise Erweiterung (und teilweise Überlagerung) einer ursprünglich einfacheren, vielleicht zunächst nur die Kreuzigungsszene an der Ostwand und Rankenmalereien im Gewölbe umfassende Wanddekoration des Chors aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ablesen, die wohl um 1634 zum Abschluss kam. Eine ähnliche sukzessive Anreicherung eines ursprünglich reduzierteren Malereiprogramms durch immer neue Einzelszenen ist auch im Langhaus der Kirche zu beobachten (vgl. Kat.-Nr. 241). Die unterschiedlichen Zeithorizonte der verschiedenen Phasen wurden jedoch im Zuge der Restaurierungen verunklärt, da alle Darstellungen gleichermaßen freigelegt wurden und heute alle Malschichten gewissermaßen gleichzeitig auf einer Ebene erscheinen. Besonders deutlich erkennbar ist diese restauratorische Verunklärung an zwei einander überschneidenden und teilweise überdeckenden, wohl im Abstand nur weniger Jahre aufgemalten Stifterreihen der Südwand. Die bereits an anderer Stelle (vgl. Einleitung Kap. 2.1.3.) geäußerte Vermutung, dass jeweils aktuelle (kleinere) Komplexe von Szenen oder Figurenfolgen nach einheitlicher Vorgabe ausgeführt, jedoch erst im Nachhinein durch verschiedene Stifter (re-)finanziert wurden, bestätigt sich offenbar anhand der Wandmalereien im Chor: so wurden zu den wohl gleichzeitigen Figuren des Apostels Markus und des Hl. Ulrich (nachträglich?) neben den Tituli Stifterinschriften hinzugemalt, wobei die Jahreszahlen wohl nicht das Jahr der Fertigstellung der Malereien, sondern das Jahr der zur Einbringung der aufgelaufenen Kosten getätigten Stiftung(en) bezeichnen. Die knienden Beterfiguren der zahlreichen Stifterreihen im Chor sind dagegen mutmaßlich (vgl. Kat.-Nr. 214) in das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts und somit in den Zusammenhang der ersten geschlossenen malerischen Ausstattung zu datieren. Als Terminus ante oder wenigstens ad quem für eine der Stifterreihen der Südwand kann das 1589 in diese eingeschriebene Graffito (Kat.-Nr. 214) gelten. Eine zuverlässige Scheidung und Datierung der einzelnen Malereien und ihrer Beischriften innerhalb des etwa ein halbes Jahrhundert umfassenden Zeitraums ihrer Entstehung ist heute aufgrund der den Originalbestand und den ursprünglichen Charakter von bildlichen Darstellungen und Inschriften stark beeinträchtigenden restauratorischen Eingriffe der Vergangenheit nicht mehr möglich.

Somit ist 1634 wohl jedoch als Terminus ante quem der Wandmalereien des Chors aufzufassen. Eine dementsprechend frühere Datierung wenigstens eines (älteren) Teils der Malereien passt mit der von Kundratitz selbst vorgeschlagenen Identifizierung des ausführenden Künstlers mit dem mehrfach im Oberland greifbaren Maler Alexander Fischer auch besser zusammen, datieren dessen ältere Arbeiten im Bearbeitungsgebiet doch noch in die 1590er Jahre3). Wie auch anderswo dokumentiert, wurde die jüngste Tochter einer Stifterreihe an der Chorsüdwand mit dem Vornamen der unmittelbar vorverstorbenen Tochter Anna nachbenannt (IV und V).

1) Eine heute verlorene Inschrift am Triumphbogen soll auf eine bereits 1520 erfolgte Renovierung verwiesen haben (so Mantl, Kultrelikte 44), doch erscheint diese Nachricht wenig glaubhaft, zumal sich der Inhalt dieser Inschrift noch rund zweihundert Jahre nach ihrer Übermalung in der mündlichen Überlieferung erhalten haben müsste.
2) Kundratitz, Restaurierungsbericht 2, 6 und 10.
3) Kundratitz, Restaurierungsbericht 2 und Pernikar, Schönwies 7. Vgl. Kat.-Nr. 60.
Literatur

Tinkhauser/Rapp 4, 14–16. – Ammann, Oberland 327. – Dehio Tirol 697. – Schumacher, Schönwies (TKK). – Kundratitz, Restaurierungsbericht 10f. – Hauser/Nicolussi, Vigilskirche Abb. 2. – Pernikar, Schönwies 8f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 213,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj213.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abb. 144–145: Wandmalereien
(2. H. 16. Jh., 1634), Details
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)