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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

250 Kappl, Niederhof 119 1624, 1631

Fassadendekoration mit Namensinschriften, Jahreszahlen, Tituli, Gebetsanrufung und Wortdevise, Wandmalerei, an der Giebel- (Ost-) und Traufseite des Hauses (so genanntes „Tonesn-Haus“). Giebelseite: Im Erdgeschoß, unmittelbar links neben dem Rundbogen der Eingangstür ist eine stark überarbeitete oder in Reproduktion des ursprünglichen Bestandes in jüngerer Zeit in schwarzer Farbe ausgeführte Jahreszahl sichtbar (I). Über der Tür bzw. über dem kleinen Oberlichtenfenster befindet sich in einem gelben Kreis mit Strahlenkranz (Sonne) ein schwarz gemaltes, kombiniertes Jesus- und Marienmonogramm (II). Im Obergeschoß unmittelbar rechts des ersten Fensters von links Standfigur des Hl. Antonius von Padua mit dem Jesuskind; über dem Kopf der Figur befindet sich ein zweizeilig schwarz aufgemalter Titulus (III), die Füße stehen auf einer querrechteckigen, gelb gerahmten Kartusche mit einer einzeiligen Namensinschrift (IV). Rechts anschließend großes hochrechteckiges Bildfeld Auferstehung Christi mit breitem ornamentalen Rahmen. Unmittelbar rechts davon zwei zu unterschiedlichen Zeithorizonten der malerischen Ausstattung gehörende, übereinander stehende Voll­wappen in längsoblongen Lorbeerkränzen, das offenbar jüngere obere von zwei Putti als Schildhalter empor gehalten. Unterhalb des oberen Wappenschilds befinden sich drei kurze, übereinander angeordnete Spruchbänder; auf dem obersten mit Resten einer einzeiligen Wortdevise (V) sitzen die beiden Putti, die beiden übrigen Spruchbänder, ursprünglich wohl eine Namensinschrift enthaltend, sind heute leer. Das obere Wappen verdeckt teilweise eine darunter liegende, jedoch wohl gleichzeitige Malschicht, die wenigstens im oberen von zwei querrechteckigen weißen, einfach schwarz gerahmten Feldern eine zweizeilige schwarze Namensinschrift erkennen lässt (VI). Rechts des zweiten Fensters von links befindet sich ein Wappenschild, auf dem durch einen Putzausbruch nur mehr in der rechten Hälfte zweizeilige schwarze Schriftreste über einer Hausmarke (s. Nachzeichnung in Anhang 1) erkennbar sind (VII). Zwischen diesem Wappenschild und der rechten Gebäudekante (mit dunkelgrauen, ursprünglich vielleicht sgraffitierten Diamantbuckelquadern akzentuiert) befindet sich ein weiterer lediger roter Wappenschild, durch zwei waagrechte weiße Linien unheraldisch in drei Felder geteilt und mit weiß aufgemalter Inschrift versehen (VIII), der die untere Hälfte der geringfügig älteren, analog zur Figur des Hl. Antonius gestalteten Standfigur der Maria mit Kind und Zepter bzw. ein vorher an dieser Stelle befindliches Vollwappen (geringe Reste von Zaddelwerk einer goldenen Helmdecke sind rechts noch sichtbar) überdeckt. Zu beiden Seiten der Fersenstelle des Schilds ist die darunter liegende querrechteckige Kartusche mit Resten einer weiteren einzeiligen (analog zur Figur des Antonius wohl: Namens-) Inschrift (IX) zu sehen. Zu beiden Seiten des Kopfes der Maria ist eine einzeilig schwarz aufgemalte Inschrift zu sehen (X). Traufseite: Von links nach rechts Darstellungen Kreuzigungsgruppe samt Titulus auf gefälteltem Spruchband (XI), die Hll. Georg und Martin, über dessen Kopf einzeiliger schwarz aufgemalter Titulus (XII). Die Wandmalereien des Hauses wurden 1955 und 1982 restauriert1).

Bu. 8–10 cm (I), 9 cm (II), 10 cm (III, VI), 7 cm (IV), ca. 5 cm (V und VII), 8 cm (VIII), ca. 10–12 cm (IX und X), ca. 6 cm (XI und XII). – Kapitalis (II–IV, VII–XII), Fraktur (V) und Deutsche Schreibschrift (Kurrent) (VI).


Textedition
			

I. · 1624a) · II. IES(VS) (MARIA)b) III. · S(ANKT) ANDANI / VON BADE IV. · HANS · MAIR V. Gott bit [....] dir [– – – VI. Jacob Zän[g]erlsc) / G[– – – VII. · [I](ACOB) Z(ANGERL)d) · / [16]31e) · VIII. · I(ACOB)f) · Z(ANGERL) · / 1 · 6 · 31g) · IX. – – –]//ZINh) X. O MARIAi) // BIT FIRVNS XI. · // IN · RIj) // · XII. · S(ANKT) MARTINVS ·

Anmerkungen
a) Trenn- und Füllzeichen quadrangelförmig; die Jz. berührt mit der letzten Ziffer den Türpfosten und wirkt hier aufgrund des Platzmangels gestaucht.
b) Nomen sacrum; Bestand IHS; in das H ist ein Marienmonogramm eingestellt: Die Schäfte des H werden als Schäfte des M verwendet, die Schrägschäfte des M werden dabei durch den Balken des H zu zwei schrägstehenden A erweitert; der linke Schrägschaft des M als Schaft für das R.
c) g wohl schon von der Helmzier des Wappens überdeckt, zum folgenden wieder lesbaren erls rechts der Helmzier jedoch größerer Abstand; vgl. auch Lunger, Haus 37.
d) Trennzeichen links oben (im heraldisch rechten Obereck) erhalten; danach eine größere Fehlstelle durch Putzausbruch bis zu den folgenden zwei Zeichen (Z und weiteres Trennzeichen), der analog zu Is. VIII zu ergänzen sein dürfte.
e) Fehlstelle durch Putzausbruch, erg. analog zu Is. VIII; im Schildfuß eine Hausmarke (s. Nachzeichnung in Anhang 1).
f) Trennzeichen quadrangelförmig.
g) im Schildfuß eine Hausmarke (s. Nachzeichnung in Anhang 1).
h) Fehlstelle bzw. Unterbrechung durch die Fersenstelle des darüber gemalten Wappenschildes.
i) folgt Unterbrechung durch die Darstellung der Maria mit Kind.
j) Is. auf die Abschnitte des Spruchbandes aufgeteilt.

Wappen: Zängerl2), Mair (?)3), Österreich (Bindenschild).


Kommentar

Die in den Inschriften der Ostseite (Giebelseite) des Hauses überlieferten Jahreszahlen 1624 und 1631 datieren die Wandmalereien in zwei knapp aufeinander folgende Phasen im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Demnach scheint die grundlegende malerische Ausstattung 1624 vom damaligen Hausinhaber Hans Mair und dessen Frau in Auftrag gegeben worden zu sein. Besonders bemerkenswert erscheint unter den Darstellungen dieser ersten Phase neben Inschrift III, die in besonders verballhornter Form den Namen des Hl. Antonius von Padua wiedergibt, dessen Darstellung das Haus die Bezeichnung „Tonehaus“4) bzw. „Tonesn-Haus“ verdankt, das in Inschrift II edierte Jesusmonogramm: es ist mit einem Marienmonogramm in Nexus litterarum gestellt, so dass sich die Lesung als Jesus-Maria ergibt5).

In dem in Inschrift IV genannten Hans Mair möchte Lunger „den Auftraggeber der Malerei und wohl auch einen Erbauer des Hauses“, vielleicht richtiger bloß den damaligen Besitzer erkennen, denn das im Erdgeschoß links neben dem Eingangstor befindliche kleine Fenster könnte noch spätmittelalterlichen Kernbaubestand anzeigen. In Jakob Zängerl (vgl. Inschrift VI und wohl auch VII und VIII) sieht Lunger den zweiten (Hälfte-)Besitzer „des real geteilten Hauses“6). Beide seien nacheinander Anwälte des Dorfes gewesen, wie der Bindenschild auf der Hauswand beweise7). Die Reihenfolge, in der die beiden das Amt versahen, müsste freilich nach Lunger offen bleiben. Sehr viel wahrscheinlicher war jedoch Zängerl ab 1631 Nachbesitzer8) des Hauses und ließ daher sein Wappen über dem Mairs anbringen und seine Initialen und Hausmarke auf den älteren Bindenschild malen bzw. vielleicht ein Wappen von Mairs Frau mit einem weiteren Wappenschild mit seinen Initialen IZ und seiner Hausmarke9) übermalen (VII und VIII). Dass das in Inschrift IX lesbare ZIN als Rest des Namens der Hausfrau des Hans Mair zu lesen ist10), ist aufgrund der offensichtlichen Anlage der Marienfigur in Analogie zur links aufgemalten Antonius-Figur sehr wahrscheinlich, zumal auch das Wappen 1631 bewusst vom zweiten Wappenschild mit den Initialen Zängerls übermalt wurde.

Inschrift VI, die in Schreibschrift eindeutig den Namen Zängerls überliefert, doch vom (redenden) Wappen Zängerls übermalt wurde, könnte vielleicht als bloß temporärer Platzhalter des ausführenden Malers für den aufzumalenden Wappenschild gedacht gewesen und erst im Rahmen der Restaurierung wieder zum Vorschein gekommen sein. Mutmaßlich hatte sich der Name Zängerls in repräsentativerer Fraktur auf den beiden Spruchbändern unterhalb der Wortdevise V befunden.

1) Vgl. Lunger, Haus 34.
2) In Blau auf goldenem Dreiberg ein goldener Greif mit Zange in der rechten Klaue; ein Stechhelm mit dem aus blau-goldener Helmdecke wachsenden Greifen als Helmzier.
3) Geteilt: oben in Rot zwei silberne Kugeln, unten silber-rot dreimal geteilt; ein frontal gestellter Stechhelm mit aus rot-silberner Helmdecke wachsendem rotem Mannesrumpf mit silber-roter Stirnbinde.
4) Vgl. Lunger, Haus 34f.
5) So bereits Lunger, Haus 35.
6) Lunger, Haus 35.
7) Lunger, Haus 36.
8) Dafür plädierte dezidiert auch Lunger, Haus 36.
9) So Lunger, Haus 37, der auch mehrere auf dem Z aufbauende angebliche Hausmarken der Zängerl im Oberland zusammentrug; ebda, 39.
10) So Lunger, Haus 36.
Literatur

Menardi, Kappl HNr. 119 (TKK). – Dehio Tirol 391. – Lunger, Haus 34–39.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 250,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj250.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 161: Fassadendekoration
(1631), Detail

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Abb. 162: Detail

©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)