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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

255† Grins, Pfk. Hl. Nikolaus 1632

Glocke mit Gebetsanrufung, Gebetstext, Gießername und Angabe des Gussjahres, ursprünglich im Turm, offenbar bereits 1889 nicht mehr vorhanden1). Sie dürfte Opfer eines großen Brandes geworden sein, bei dem am 1. November 1874 neun Grinser Häuser sowie das Kirchen- und Turmdach abbrannten; die Glocken im Turm schmolzen dabei2).

Standortangabe und Text nach Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 89.


Textedition
			

IESUS. Maria. Sancte Nicolae ora pro nobis. A fvlgvre et tempestate libera nos Domine IESU Christe. Svb tvvm praesidium confvgimvs sancta Dei genitrix. Anno Domini MDCXXXII. Elias Sermosius.

Anmerkungen

Jesus, Maria. Hl. Nikolaus bitte für uns! Von Blitz und Unwetter befreie uns, Herr Jesus Christus! Unter Deinen Schutz fliehen wir, Heilige Gottesgebärerin! Im Jahre des Herren 1632, Elias Sermosius.

Mariengebet bzw. Marienhymnus (Sub tuum praesidium).


Kommentar

Diese „große“ Glocke soll am 17. September 1632 am Grinser Kirchplatz vom Stamser Abt Paul Gay zu Ehren der Hll. Nikolaus und Susanna geweiht worden sein und mehr als 30 Zentner gewogen haben3). Sie wurde zugleich mit einer kleineren Glocke geweiht (vgl. Kat.-Nr. 256†). Mit dem am Schluss der Inschrift angefügten Namen ist, wie bereits Tinkhauser/Rapp richtig vermuteten, der Gießer der Glocke, Elias Sermosius (eigentlich Eloy [also Eligius] Sermoise) genannt. Dieser lothringische Wandergießer hatte bereits 1628 eine kleine Glocke in Hottenbach und zusammen mit Franciscus Brutelius (François Brutel) eine Glocke für die katholische Pfarrkirche St. Goar in Beltheim gegossen; als Gehilfe beim Guss der großen Glocke des Trierer Doms und zweier Glocken in Merzig wirkte er ebenso mit, wie er 1630 noch eine Glocke in Boxberg gegossen hatte4). Als erste Tiroler Arbeit hat sich eine 1631 in Gemeinschaft mit Johannes Reichart gegossene Glocke in Kolsaß erhalten5). Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde die im selben Jahr gegossene kleinere Grinser Glocke (Kat.-Nr. 256†) auch von Sermosius ausgeführt. Vielleicht bewogen die guten Erfahrungen beim Guss der Grinser Glocke(n) Abt Paul Gay fünf Jahre später dazu, die Ausführung des neuen Stamser Geläutes wiederum lothringischen Wandergießern, nämlich Johannes Reichart und Nicolas Hubert, zu übertragen (s. Kat.-Nr. 97†). Den im Original erhaltenen Glocken Sermosius’ zufolge ist eine Kapitalis als Schriftart für die Grinser Glocke zu erwarten.

1) Bei Tinkhauser/Rapp wird 1889 von der Glocke bereits in der Vergangenheitsform gesprochen; Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 89.
2) Nöbl, Grins 153 und Hölzl, Chronik 49.
3) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 89 und Hölzl, Chronik 29. Tinkhauser/Rapp zitieren hierzu eine „Aufschreibung“ des Kuraten von Grins, Josef Schrott, aus dem Kuratie-Archiv; vgl. Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 89.
4) S. Köster, Glocken 42, 48 und 51; vgl. auch Wernisch, Glockenkunde 251. Zur Boxberger Glocke s. DI 1, Kat.-Nr. 481; die kopial überlieferte Inschrift der Glocke von Beltheim fehlt in DI 60.
5) Weissenbäck/Pfundner, Tönendes Erz 227 und Wernisch, Glockenkunde 251. Die verlorene Glocke aus Grins fand in der glockenkundlichen Literatur zu seinem Oeuvre noch keine Berücksichtigung.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 89. – Nöbl, Grins 153. – Weissenbäck/Pfundner, Tönendes Erz 227. – Hölzl, Chronik 29 und 49.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 255,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj255.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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