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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

275 Landeck, Pestkapelle Hll. Sebastian, Rochus und Pirmin („Burschlkirche“) 1652

Altar mit Namensbeischriften zu Wappen (bzw. Stifternamen) und Jahreszahl, verschiedene Hölzer (Zirbe, Linde u. a.), als rechter Seitenaltar aufgestellt. Der ursprünglich wohl gefasste, heute holzsichtige, dreigeschossige, dreiachsige Altar zeigt im Mittelschrein in einer seichten Rundbogennische zwischen zwei weinlaubumrankten Säulen mit korinthischen Kapitellen auf je einem Volutensockel stehend die Statuen Marias (links) und des dornengekrönten Christus mit dem Kreuz (rechts), im Bogenscheitel die Halbfigur Gottvaters über der Taube des Hl. Geistes, flankiert von zwei Engeln. Zu beiden Seiten der Säulen in den Nebenachsen auf Volutensockeln stehend die Statuen des Hl. Andreas (links) und der Hl. Katharina, von den Säulen entspringenden Volutenspangen rundbogig überfasst. Im Auszug über reich mit Zahnschnittfries versehenem verkröpften Gebälk mittig eine längsoblonge Kartusche mit der Statuette des Hl. Sebastian, flankiert von zwei Engeln, als Bekrönung Statuette des Hl. Georg. Zu beiden Seiten der Kartusche auf Sockeln Statuetten der Hll. Pirmin und Rochus. In der hohen Predella mittig in seichter Rundbogennische Reliefgruppe Hl. Anna, Maria das Lesen lehrend. Die stark vortretenden Säulenpostamente sind zweigeteilt: unten in Muschelnischen die Statuetten Elisabeths (links) und Susannas (rechts), darüber jeweils in Volutenrahmung ein von zwei umlaufenden Lorbeerleisten und dazwischen von dunkelblau-schwarz einzeilig aufgemalter, im Scheitelpunkt einsetzender Inschrift (links I, rechts II) umgebenes vollrundes Wappen. Fast überall am Altar sind trotz intensiver Ablaugung der älteren Fassung(en) deutliche, überwiegend blau-rote Farbreste bemerkbar.

Bu. 1 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

I. · SVSANNAa) · KOLPIN · SEINES · VATERS · HAVSFRAV · II. · ELISABETAa) · LINSERIN · DES · SOHNS · HAVSFRAV · 1652 ·

Anmerkungen
a) als Zier-, Trenn- und Füllzeichen Quadrangeln bzw. Quadrangeln mit zwei oben und unten angesetzten kurzen rechtsschrägen Strichen.

Wappen: Kolp1), Linser2).


Kommentar

Kurioserweise fehlt auf dem Altar wenigstens im heutigen Zustand eine den Stifter nennende Inschrift; lediglich dessen Mutter, Susanna Kolp, und dessen Ehefrau, Elisabeth Linser, werden im Rahmen der Namensbeischriften zu den Wappen genannt. Es handelt sich jedoch wohl um einen Angehörigen der Familie Grieß, denn Susanna Kolp war mit dem Gerichtsanwalt in Landeck, Andreas Grieß, verheiratet3). Möglicherweise wurde jedoch zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt eine entsprechende aufgemalte Stifterinschrift, auf die sich auch die beiden obigen Texte referentiell beziehen (vgl. etwa die Formulierung SEINES VATERS), im Interesse einer vollständigen Holzsichtigkeit des Altars mit der übrigen Fassung abgelaugt. In Anbetracht der ansonsten dichten Anbringung von Ornamenten und Zierelementen am Altar würden sich als Platz dafür die beiden relativ großen ungegliederten Flächen im untersten Geschoß der Predella, zu beiden Seiten der zentralen Rundbogennische anbieten. Damit wäre auch ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen dieser eigentlichen Stifterinschrift und den beiden schräg links bzw. rechts darüber befindlichen Wappen gegeben gewesen.

Dieser frühbarocke Schnitzaltar wird Michael Lechleitner (gest. 1673) aus Grins zugeschrieben, der mehrere Altäre im Oberland schuf4). Er weist in zahlreichen Details der architektonischen Gliederung und der Ornamentik deutliche Bezüge zum nur drei Jahre älteren Hochaltar der „Burschlkirche“ (Kat.-Nr. 274) auf.

1) Wappen linksgewendet: ein Balken, belegt mit einem laufenden Hund mit Halsband.
2) Si Bg3, 49 und Taf. 52.
3) Felmayer, Altäre 36.
4) Dehio Tirol 458; Ammann, Oberland 224; Felmayer, Altäre 36 und Theiss, Künstler 173f.
Literatur

Theiss, Künstler 173f. – Felmayer, Altäre 36f. – Ammann, Oberland 224f. – Dehio Tirol 458.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 275,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj275.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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172–173: Altar mit Namensbeischrift
(1652), Details
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)