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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

279† Kaltenbrunn (Kaunertal), Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt 17. Jh.?

Gründungslegende der Wallfahrtskirche, Farbe auf Putz, an der südlichen Chorschräge der annähernd nach Südsüdosten (!) orientierten Kirche unter dem Fenster. Die Inschrift wurde ursprünglich wohl 29-zeilig in einem querrechteckigen, am Unterrand zugunsten eines älteren Konsekrationskreuzes nach oben eingezogenen Inschriftenfeld mit gelbem Rahmen schwarz aufgemalt. Die originale Inschrift ist zum weit überwiegenden Teil völlig verblasst und zudem durch einen etwa mittig linksschräg verlaufenden Riss im Putz gestört. Mehrere Textpassagen (insbesondere Z. 8 bis 14) wurden jedoch bei einer offenbar rezenten Restaurierung (vermutlich bereits zum wiederholten Mal) kräftig nachgezogen und sind in diesem stark überarbeiteten Zustand noch lesbar.

H. 165 cm, B. 304 cm, Bu. 2–3 cm. – Fraktur.


Textedition
			

– – – / – – – / – – – / – – –]a) ihr gebete gesprochen [– – – / – – –] und [....] die sel[– – –]esta[– – – / – – – / – – –] darnach ist komen ain Brueder und gelehter Mann mit Namen Johannes Macharius. / Der sahet an disem Orth ain Laiter aufgehen in den Himmel, und sagte: Daß noch an disem Orth gen Kaltenbrunnen große Kirchfahrtenb) geschehen und großer Gottdinst mit Singen und lesen gehalten werden. Derselbe ließ / Ain Haisl und ain hölzene Kapelln machen. Er sagte das noch einer kommenc) werdeb), derd) dem Gau viel Gutes anstiften werdeb), und wie auche) noche) priester daher kommen werden bei den der Gottesdinst größlich ersteen und geehrt / sollen werdene). Item so ist gewest ain Adelmann mit Namen Schenkenperghere), der ain Andern Edelman zu Mayland ime) Turn umgebracht und sonsten viel große Sinden verbrachte). und die heilige Jungfrau / Maria mit Andacht verhret und anrüffte daß si ihme ain statt oder Orth weisen möchte allda er sein lebtig sein und sein Sünde büßen möcht, darüber ist ihm im schlaf fürkomm, er soll in das Innthal reiten. und fragen gehen / nach dem Orth Kaltenbrunnen. Damnach er mit vier Pferden gen Pruz ins hüebers hauß kommen, und fraget wo es zu Kaltenbrunn hieße und seynd etliche Nachbaren mit ihme gangen. und hat das Ort zu Kaltenbrunnen beschauet und als / er wieder genf) Prutz kommen seinen Knechten Urlaub geben, seine pfferdten verkauft, fieng an dasd) Capell ein zupauen und verzehret allda sein leben in dem Dienst Gottes und liegt begraben zu Kaunß. Diser aine Schenkenpergher / er sambt andern Nachbaren [– – –] aber der [– – – / – – –] Gott den [– – –] die J[– – –]en dam[– – – / – – –] wol [– – –] etliche [– – –] Kaltenprünnen [– – –] / [– – –] Cappellen gehn Sehen u[– – –] die Nachparn Zu[– – –] und [– – –] de[– – – / – – –]sen hat [..]ke[– – –] umb [– – –] im [– – –] Angeredt [– – – / – – –] Lanndts als dasb) Gotshaus [– – –] / a[..]der [– – – / – – –] / [...]er [.]edacht [– – – / – – –] Priesterg)[– – – / – – – / – – – / – – – / – – – / – – – / – – –

Anmerkungen
a) die am Beginn von Z. 1 erkennbaren Reste von offenbar rot aufgemalten Buchstaben sind nicht mehr zuordenbar.
b) vor dem Wort größerer Abstand (Textverlust durch Restaurierung?).
c) im Bestand indistinkt: nocheinerkommen.
d) ach dem Wort größerer Abstand (Textverlust durch Restaurierung?).
e) vor und nach dem Wort größerer Abstand (Textverlust durch Restaurierung?).
f) im Bestand indistinkt: erwiedergen.
g) die geringen Buchstabenreste der folgenden Z. nicht mehr zuordenbar.

Kommentar

Die stark fragmentierte Inschrift referiert ausführlich die Gründungslegende der Wallfahrtskirche, an deren späterem Standort Hirten eine Marienstatue gefunden haben sollen, bei der zudem eine frische Quelle aus dem Berg sprudelte. Aus der Verehrung der bald als wundertätig bekannten Statue sei dann die Wallfahrt entstanden. Einem Einsiedler, der die erste hölzerne Kapelle gebaut haben soll und der in der Inschrift Johannes Macharius genannt wird, sei hier in einer Vision die Himmelsleiter erschienen, worauf er die Ankunft eines weiteren Wohltäters in der Region angekündigt habe. Darauf bezog ein Ritter von Schenkenberg als Einsiedler Wohnung bei der Kirche, nachdem er bei einem Turnier in Mailand einen Gegner getötet hatte und hier auf Eingebung Mariens seine Sünden verbüßen sollte. Auf ihn geht der Legende nach auch der erste Steinbau einer Kapelle an dieser Stelle zurück, die 1285 geweiht worden sei; der Schenkenberger sei um 1300 verstorben und in Kauns begraben worden1). Diese Legende wurde auch in der barocken Freskierung der Wallfahrtskirche motivisch aufgegriffen.

In älterer Literatur wird die gegenständliche Inschrift regelmäßig zu 1596 datiert; damit würde sie aus der Zeit kurz nach der Weihe des Kirchengebäudes 1592 stammen. Doch sind bei Betrachtung der Inschrift erhebliche Zweifel an dieser Datierung des Bestandes anzumelden: Zunächst fehlt eine Jahreszahl in der Inschrift selbst; so sind die offenbar als Ziffern gedeuteten schwach erkennbaren, doch nicht mehr sicher zuzuordnenden Schriftreste am Ende der letzten Zeile der Inschrift kaum als Datierung – und jedenfalls nicht als 1596 – zu lesen. Vermutlich wurde eine ältere, vielleicht tatsächlich vom Ende des 16. Jahrhunderts stammende erste Inschrift bereits im 17. Jahrhundert nachgezogen bzw. de facto neu aufgemalt. Nach mehreren Überarbeitungen sind heute nur mehr die nachgezogenen Teile der Inschrift ausreichend lesbar.

Die Inschrift zeigt mit ihrem starren Gesamteindruck eine im Sinne der auch epigraphisch zu unterstreichenden Altehrwürdigkeit der Kaltenbrunner Wallfahrt vielleicht bewusst retardierende Anlehnung an die Gotische Minuskel, die nur in den Versalien aufgelockert wird. Allerdings fällt eine eingehende epigraphische Analyse der ursprünglichen Buchstabenformen auf der Basis des stark überarbeiteten Bestandes schwer. Immerhin scheinen die ursprünglichen Versalien wesentlich zarter und einfacher gestaltet gewesen, aber im nachgezogenen Teil erheblich verändert worden zu sein: So fällt das K von Kapelln des manipulierten Bestandes im Vergleich zum C von Cappellen, das näher am Originalbestand liegen dürfte, deutlich auf. Auch die Übernahme von Schäften scheint im nachgezogenen Bestand eher beliebig und assoziativ erfolgt zu sein. Die häufig überraschend langen Abstände zwischen den Worten weisen überdies darauf hin, dass der aktuelle Bestand nicht zur Gänze mit dem Wortlaut des ursprünglichen Textes übereinstimmen muss.

1) Zur Gründungslegende und der weiteren Baugeschichte der Kirche vgl. auch Ammann, Oberland 194–198; Dehio Tirol 399–401 und NN., Pfarr- und Wallfahrtskirche 4.
Literatur

Ammann, Oberland 194–198. – Dehio Tirol 399–401. – Klien, Kunstschätze 136. – NN., Pfarr- und Wallfahrtskirche 4.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 279,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj279.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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