Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Reutte
301 |
Vils, Stadtmuseum |
1. V. 16. Jh. |
Vier Fragmente einer Grabplatte, Kalksandstein, im Depot. Der Stein wurde anlässlich der Grabungen bei der Gruftöffnung in der Pfarrkirche Vils 2002 im Schutt gefunden. Erhalten hat sich ein annähernd quadratisches Fragment 1 mit drei Inschriftenzeilen von der rechten oberen Ecke sowie drei durch Trennschnitt in der Längsachse entstandene, zueinandergehörige schmale, hochrechteckige Fragmente 2, 3 und 4 mit sechs Inschriftenzeilen samt dem Textende vom rechten Rand. 3 und 4 sind dabei durch einen waagerechten Bruch getrennt. Die Grabplatte wies demnach eine mindestens neunzeilige Inschrift auf. Unmittelbar links der letzten beiden Zeilen lässt sich noch gut die rechte obere Ecke eines bis zum unteren Ende der Bruchstücke reichenden und nahe dem unteren Rand nach rechts stufig ausgeweiteten, seicht vertieften Feldes erkennen, in dessen beiden sichtbaren Ecken je ein Loch, offenbar einstmals eine Metallapplikation aufnehmend, eingebohrt ist. Da die Inschrift erkennbar auf das Feld Rücksicht nimmt, sind Vertiefung und Löcher sowie die verlorene mutmaßliche Metallplatte dem Originalbestand des Objekts zuzurechnen. Ob sich unterhalb der Metallplatte weitere Inschriftzeilen befunden haben, ist unklar.
H. 34 cm (Fragment 1), 69 cm (Fragment 2), 35 cm (Fragment 3), 25 cm (Fragment 4), B. 35 cm (Fragment 1), 17 cm (Fragment 2), 15 cm (Fragment 3 und 4), Bu. 5 cm. – Gotische Minuskel mit Versal.
Textedition
– – –] m · ccccc · / [– – – au]ffa) d͜ornstag / [– – –] starbb) diec) // [– – –]
tvge[nd/haftd) – – –]vndise) // vonf) / [– – – ge]boreng) a//inh) / [– – –] im ho//henh) /
[– – – der] // goti) // gen/[edigf) sei] // Amenj) ·
Anmerkungen
Kommentar
Die erhaltene Inschrift vom rechten Rand der Grabplatte scheint im Wesentlichen einen bruchlos durchlaufenden Text wiederzugeben, da mit der Datierung die erste, mit dem Wort Amen die letzte Zeile der Inschrift erhalten sind, und die lesbaren bzw. zu ergänzenden Textpassagen ein konsistentes Formular ergeben. Ob und wie sich die Inschrift ursprünglich weiter unten fortsetzte, muss aufgrund des fragmentarischen Zustands ebenso wie jede Vermutung über den Inhalt des Reliefs in der Mitte der Grabplatte (Wappen?) offen bleiben.
Ganz offensichtlich handelt es sich bei der verstorbenen Person um eine adelige Frau, wie der Artikel die in der dritten und das von in der fünften Zeile belegen. Zwar läge die Annahme nahe, es handle sich um ein Mitglied der Familie Hoheneck, die in der Vilser Pfarrkirche ihre Grablege hatte, doch ist die Wendung im hohen nicht auf Hoheneck zu erweitern, zumal das von, dem die Nennung des Namens folgen muss, bereits in der fünften Zeile erfolgt. Zudem begegnet die Formulierung „im Hoheneck“ auf keiner der erhalten Grabplatten der Hoheneck in Vils, in denen stets das Prädikat „von Hoheneck zu Vilseck“ begegnet (vgl. Kat.-Nrr. 304 und 308). Denkbar wäre für die siebte Zeile vielleicht eine Einleitung zur Altersangabe der Verstorbenen, etwa in der Form „im hohen Alter von“.
Muss die Identität der Begrabenen somit weiter offen bleiben, so ist doch die Ungewöhnlichkeit des gesamten Formulars der Grabplatte und ihres Aufbaus bemerkenswert. So deuten die Bohrungen auf der Grabplatte im Bereich des vertieften Feldes zwar die ursprüngliche Existenz eines Metallreliefs in der Mitte der Platte an, doch würde es sich damit um das einzig nachweisbare Grabdenkmal dieser Form im ganzen Tiroler Oberland handeln. Überraschend im Befund sind die scheinbar freigelassenen Stellen der Grabplatte in der dritten und vierten Zeile, die an diesen Stellen nur bedingt Sinn ergeben, zumal die Tagesdatierung des Sterbetags, deren Freilassung man am ehesten erwarten würde, offensichtlich bereits (nämlich in der zweiten Zeile) eingetragen wurde. Möglicherweise handelt es sich hier aber auch nur um Schwierigkeiten des ausführenden Steinmetzen mit einer harmonischen Spationierung.
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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