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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Reutte

335 Reutte, Pfk. und Franziskanerklosterkirche Hl. Anna 1633

Epitaph des Kaspar Bissinger, Kupferlegierung (Bronze?), innen an der Langhaussüdwand zwischen Sakristeitür und Beichtstuhl. Die hochovale, von schmalem Lorbeerkranz gerahmte Tafel zeigt in der oberen Hälfte ein Vollwappen, in der unteren Hälfte die erhaben ausgeführte, achtzeilig gestaffelt zentrierte Inschrift und am unteren Rand einen Totenschädel über zwei gekreuzten Knochen.

H. 108 cm, B. 90 cm, Bu. 2–2,2 cm, 3 cm (Versalien). – Kapitalis.


Textedition
			

PIA MEMORIAa) / NOBILISb) ETb) STRENVIb) DOMINIb) / CASPARI BISSINGERa) / CAPITANEIb) . ETb) SVPREMIb) VIGILIARVMb) / PRA͜ EFECTIb) . / OBYTa) / INb) SCHARNIZIANISb) FINIBVSb) . / AN(NO) M . DC . XXXIII . MENS(E)b) [A]PR(ILI) D(IE) XVI .

Anmerkungen
a) gesamte Z. vergrößert.
b) Anfangsbuchstabe vergrößert.

In frommem Angedenken an den edlen und gestrengen Herrn Kaspar Bissinger, Hauptmann und Oberstwachtmeister. Er starb im Gebiet von Scharnitz im Jahre 1633, im Monat April, am 16. Tag.


Wappen: Bissinger1).


Kommentar

Das als Metallgussarbeit für das Bearbeitungsgebiet typologisch ungewöhnliche Grabdenkmal ist ein Zeugnis aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, der gerade zu Beginn der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts mit einem Vorstoß der Schweden die Gegend Schwabens und des Außerferns erfasst hatte2). Als Militär nahm Bissinger offensichtlich selbst an den Kampfhandlungen teil, die bereits 1632 seinen späteren Beisetzungsort erreicht hatten, als schwedische Truppen unter Bernhard von Weimar das erst 1628 auflandesfürstliche Initiative hin gegründete Franziskanerkloster in Reutte plünderten und die Fratres verjagten3). Auch die inschriftliche Titulatur Bissingers, dessen redendes Wappen als einigermaßen kurios gelten darf, lässt keinen Zweifel daran, dass er entgegen älteren Ansichten kein Angehöriger des Reuttener Konvents, sondern (offenbar kaiserlicher) Offizier war4).

Die Formen der qualitätvollen Kapitalis der Inschrift weisen engste Beziehungen zur Inschrift der Kaspar Gras zugeschriebenen Gedenktafel auf den Besuch Erzherzog Leopolds V. und der Claudia de’ Medici bei Fortunat von Wolkenstein auf Schloss Rodeneck im Jahr 16285) auf. Selbst die Pferdekinnbacken des gegenständlichen Epitaphs lassen sich mit den dort im Rahmendekor der querovalen Tafel auftretenden Pferdeschädeln stilistisch parallelisieren. An der Herkunft des Bissinger-Epitaphs aus der Werkstatt Gras’ dürfte demnach kaum zu zweifeln sein.

1) Zwei senkrecht gestellte, einander zugewendete Pferdekinnbacken (Unterkiefer); Spangenhelm mit dem Bild des Schildes zwischen zwei Büffelhörnern.
2) 1632 drangen die schwedischen Truppen bis nach Reutte vor und insbesondere 1634 erneuerte sich die akute Kriegsgefahr in dieser Tiroler Grenzregion; vgl. Schennach, Landesverteidigung 25–27 und Palme, Geschichte 51.
3) Nothegger, St. Anna 4 und 13; Fuchs, Heimat 42 und Lipp, Kirchengeschichte 225f.
4) Damit ist die Angabe bei Fischnaler, Wappen-Schlüssel 2, 355 falsch, der Bissinger als Präfekten der Franziskaner identifiziert. So verwundert es auch nicht, dass ein Bissinger in der Liste der Guardiane des Reuttener Franziskanerklosters in dieser Zeit fehlt; vgl. Lipp, Kirchengeschichte 226.
5) TLMF, Inv.-Nr. B 198, s. Caramelle, Kat.-Nr. 90.
Literatur

Ammann, Oberland 296. – Dehio Tirol 644.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 335,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/reutte/tirol-1-obj335.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)