Einleitung

 

1 Warum Namen?2

2 Von der Einnamigkeit zur Zweinamigkeit2

3 Warum zwei Namen? Gründe für die Entwicklung von Familiennamen4

4 Vom Beinamen zum Familiennamen – Zur Entstehung unserer Familiennamen4

5 Einteilung der Familiennamen6

5.1 Herkunftsnamen7

5.2 Wohnstättennamen7

5.3 Berufsnamen8

5.4 Übernamen9

5.5 Familiennamen aus Rufnamen10

6 Zur Vornamengebung11

7 Räumliche Verbreitung von Namen und Namengruppen13

8 Österreich – Ein vielfältiger Namenraum14

 

1 Warum Namen?

 

Namen sind sprachliche Zeichen, die uns helfen, unser Lebensumfeld und den Kultur- und Naturraum zu benennen, um damit unseren Alltag und unsere Umwelt begreifbar zu machen. Namen sind Strukturierungsmittel, die vornehmlich dazu dienen, den Raum zu gliedern, indem wir die Umwelt, die uns umgibt, benennen. Sie entstehen aus der Notwendigkeit heraus, ein Objekt zu definieren, um es in die Kommunikation einzubinden und damit zur Vermeidung von Verwechslungen und Missverständnissen eindeutig identifizier- und lokalisierbar zu machen. Orts- und Personennamen haben eine identifizierende Funktion, indem eine Flur oder eine Siedlung erst durch ihre Benennung genau bestimmt, bzw. die mit einem Namen bezeichnete Person unverwechselbar benannt wird. Da die Entstehung und Bildung von Namen an sich aus einem kommunikativen Bedürfnis heraus entsteht, erhalten jene Objekte einen Namen, die für die jeweilige Gesellschaft von Bedeutung sind. So wurden im Laufe der Geschichte vor allem neu geborene Kinder, neu gegründete Städte und Siedlungen, neu besiedelte Fluren usw. benannt, weil sie im gesellschaftlichen Leben eine Bedeutung hatten und in diesem eine Rolle spielten. Auch die Eheschließung wurde und wird in unserem Kulturkreis teilweise auch heute noch durch den Namenswechsel eines Ehepartners markiert. Die Art und Weise bzw. das System, nach dem Personen benannt wurden und werden, ist zeitlich und räumlich unterschiedlich. Das uns heute im deutschsprachigen Raum geläufige System zur Benennung von Personen aus Rufname(n) und Familienname ist erst die letzte Stufe eines langen Entwicklungsprozesses, der im Folgenden kurz dargestellt werden soll.

 

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2 Von der Einnamigkeit zur Zweinamigkeit

 

Schon zur Zeit der Römer bildete sich ein dreiteiliges Namensystem aus dem eigentlichen Personennamen, einem Gentil-, Sippen- oder Geschlechternamen, sowie einem charakteristischen Beinamen (z. B. Gaius Julius Caesar). Im Germanischen herrschte noch bis ins frühe Mittelalter das System der Einnamigkeit vor, wobei hier vor allem zweigliedrige Rufnamen wie etwa Adalbert (zusammengesetzt aus den althochdeutschen Namengliedern adal >edel, vornehm, Abstammung, Geschlecht< + bëraht >glänzend<) vergeben wurden. Vorerst reichte es aus, jeder Person einen Vornamen zu geben, um die kommunikativen Bedürfnisse zu decken. Neben der grundsätzlichen Notwendigkeit, ein Neugeborenes zu benennen und damit identifizierbar zu machen, war bei den Germanen ursprünglich wohl auch der Gedanke vorhanden, dem neugeborenen Kind einen Wunsch mit auf den Lebensweg zu geben, der sich im Namen ausdrücken sollte. Die germanischen Personennamen bestanden ursprünglich aus zwei sinnhaft aufeinander bezogenen, doch untereinander austauschbaren Namengliedern, wobei vor allem Wörter verwendet wurden, die Charaktereigenschaften wie Mut, Tapferkeit, Heldentum und Kampfgeist ausdrückten. Die Glieder der Rufnamen waren dabei relativ frei kombinierbar und es gab nur wenige feste Regelungen, wie etwa jene, dass das Grundwort (also das zweite Namenglied) bei männlichen Namenträgern männlich und bei weiblichen Namenträgerinnen weiblichen Geschlechts sein musste. Ein solches zweigliedriges Namensystem gab es grundsätzlich auch im Slawischen sowie im Griechischen und Keltischen.

 

Schon bei den germanischen Stämmen ist in gewissem Maße zu beobachten, dass die Wahl der Rufnamen nicht unbedacht erfolgte, sondern die Zugehörigkeit der einzelnen Mitglieder zu einer Familie im Rahmen der Namengebung berücksichtigt und dargestellt wurde. Dies geschah schon früh, etwa indem Rufnamen mit stabendem Anlaut gewählt wurden (z. B. Hildebrand und Hadubrand) und die einzelnen Glieder der Rufnamen im Verband einer Familie wiederkehrten.

Das Bewusststein der Zusammengehörigkeit innerhalb der Familie zeigt sich auch in patronymischen Bildungen (also Vaternamen), in denen der Sohn nach dem Rufnamen des Vaters benannt wird und damit auch auf die Abstammung und Verwandtschaft hingewiesen wird.

 

Im Laufe der Zeit stellten sich gewisse Vorlieben, Tendenzen und Moden ein, die dazu führten, dass einige Namen sehr häufig und beliebt waren, während andere sehr selten bis gar nicht vergeben wurden und so in Vergessenheit gerieten bzw. unverständlich wurden. Damit kam es zu einer Verarmung des Rufnamenschatzes. Vielfach war den Menschen die den Rufnamen zugrunde liegende Bedeutung kein Begriff mehr, weil die entsprechenden Wörter im allgemeinen Wortschatz ausgestorben waren. Die Einbeziehung von Namen aus dem christlichen Kulturraum führte dazu, dass der germanische Rufnamenschatz um christliche Namen hebräischer, griechischer, romanischer und anderer Herkunft erweitert und bereichert wurde. So kamen zunächst alttestamentarische Namen wie etwa David oder Daniel und dann vermehrt auch neutestamentarische Namen – etwa Apostel- und Evangelistennamen wie Andreas, Jacob(us) oder Markus – in Gebrauch.

 

Der Einfluss der christlichen Namen war zunächst gering und verstärkte sich im Laufe des Mittelalters vor allem ausgehend von den städtischen Zentren. Durch die wachsende Heiligenverehrung dehnte sich das Heiligenpatronat gewaltig aus, und bald hatten die einzelnen Stände und Zünfte ihre lokalen Patrozinien, die sich auch auf die Namengebung auswirkten.

 

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3 Warum zwei Namen? Gründe für die Entwicklung von Familiennamen

 

Durch die zuvor geschilderte Verarmung des Rufnamenschatzes, aber vor allem auch durch die zunehmende städtische Bevölkerung und Verwaltung und die Sicherung von Besitz- und Erbansprüchen kam es zum Entstehen einer Zweinamigkeit, die sich ausgehend vom Adel im 11. und 12. Jahrhundert langsam etablierte und in den folgenden Jahrhunderten auch bei den niedrigeren Ständen durchsetzte. All diese Faktoren stellten höhere kommunikative Ansprüche, es reichte nicht mehr aus, einer Person nur einen Rufnamen zu geben, um sie unverwechselbar zu kennzeichnen. Daher traten zu den Rufnamen so genannte Beinamen – die Vorläufer der heutigen Familiennamen – hinzu.

 

Zunächst handelte es sich um individuelle Beinamen und Zusätze, die im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters von Generation zu Generation weiter gegeben wurden und erst im 18. und 19. Jahrhundert in ihrer Schreibung gefestigt wurden. Beeinflusst wurde dieser Prozess der Zweinamigkeit wohl auch von der Namengebung in den romanischen Gebieten. So finden sich Beinamen in Venedig bereits im 9. Jahrhundert, und diese Neuerung in der Namengebung breitete sich ausgehend vom romanischen Raum entlang der großen Verkehrswege wie Rhein und Donau allmählich aus.

 

Diese Entwicklung strahlte nicht nur räumlich aus, sondern wurde vom Adel zu den städtischen Ministerialen und über das städtische Patriziat und das Kleinbürgertum bis zu den Bauern in den ländlichen Regionen weiter getragen. Daher ist auch verständlich, dass die Einnamigkeit dort länger erhalten blieb. So ist in ländlichen Gebieten heute noch der meist nicht amtliche Hofname als sogenannter Vulgoname besser bekannt und gebräuchlicher als der amtliche Familienname. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Zweinamigkeit durchsetzte, war demnach auch von den jeweiligen geographischen Gegebenheiten, der Anbindung an wichtige Verkehrswege und den historisch-gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig.

 

Wie noch erläutert werden soll, kam die endgültige Fixierung und Unveränderlichkeit der Schreibung von Familien- und Vornamen erst sehr viel später auf. Bis dahin konkurrierten lange Zeit verschiedene Schreibvarianten, die von den jeweiligen Moden und Tendenzen der Schreibsprache in den Kanzleien und Schreibstuben beeinflusst wurden.

 

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4 Vom Beinamen zum Familiennamen – Zur Entstehung unserer Familiennamen

 

Auch wenn sich aus den genannten Gründen das Prinzip der Zweinamigkeit im deutschsprachigen Raum im Laufe des Mittelalters durchgesetzt hatte, kann doch noch lange nicht von einer Einheitlichkeit dieser Beinamen gesprochen werden. Die bis ins Spätmittelalter verwendeten Beinamen waren im Unterschied zu den heute gängigen Familiennamen in Gebrauch und Schreibung nicht reglementiert. So kann man je nach Festigkeit und Namenverwendung in der Namenforschung zwischen drei Arten von Beinamen unterscheiden:

 

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individuelle [oft auch situativ wechselnde] Beinamen

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ständige [bzw. feste] individuelle Beinamen

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sich vererbende Beinamen

 

Unsere heutigen Familiennamen haben sich aus der dritten Gruppe, den vererbten Beinamen entwickelt und zeichen sich darüber hinaus vor allem durch eine amtliche Fixierung in der Schreibung und eine gesetzliche Regelung der Namengebung und Namenführung aus. Der Gesetzgeber verwendet in Österreich den Terminus Familienname als Oberbegriff für Geschlechts- und Ehenamen, wobei unter Geschlechtsname laut § 29 Absatz 2 der Personenstandsverordnung (PStV) vom 28.12.1983  jener Name verstanden wird, „den eine Person zu führen hat, wenn von den namenrechtlichen Wirkungen einer Ehe abgesehen wird“. Mit Ehename ist der Familienname gemeint, den ein (früherer) Ehegatte kraft Gesetzes oder durch die Willenserklärung in der Eheschließung erworben hat.

 

Im Mittelalter waren Namenwahl und Namenführung aber noch keinesfalls so rigoros geregelt, wie das heute der Fall ist. Bis ins Spätmittelalter ist ein Prozess der Festwerdung von Beinamen in der Schreibung und eine zunehmende Vererblichkeit der Namen über mehrere Generationen zu beobachten. Dieser Prozess der Entwicklung unserer heutigen Familiennamen dauerte lange an. Aspekte dieses Prozesses sind u. a.:

 

-

die Vererbung des Namens vom Vater an den Sohn

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die Herausbildung von einfachen Familiennamen aus oft mehrteiligen Beinamen durch den Wegfall von Artikeln und Präpositionen (Hans der Schuster > Hans Schuster)

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die Führung desselben Namens bei Geschwistern

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die Notwendigkeit, in Texten nähere Angaben zu Personen zu machen, da die „Bedeutung“ (also Etymologie) eines Beinamens nicht mehr unbedingt mit dem Namenträger übereinstimmte. So konnte z. B. ein Schuster auch Müller heißen.

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Die Beinamenführung bei Frauen, die den Beinamen des Mannes annahmen und daher im frühen Stadium der Entwicklung unserer Familiennamen oft mit dem Movierungssuffix -in bezeichnet wurden, was bis ins frühe 19. Jahrhundert gebräuchlich war und im Dialekt auch heute noch zu beobachten ist. So ist z. B. Agnes Schenkin die Frau von Peter Schenk.

 

Eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Familiennamen ist neben der Erblichkeit des Beinamens und der allmählichen Fixierung im alltäglichen Gebrauch vor allem auch die amtliche Fixierung des Namens im Zuge der Verschriftlichung, denn mündlich gebrauchte Zunamen waren veränderlich, wurden durch andere ersetzt oder schwanden. Die sich in den spätmittelalterlichen Städten immer stärker herausbildende öffentliche Verwaltung, die gerichtliche Behandlung von Straf- und Zivilsachen, aber auch Erbschaftsangelegenheiten sowie Steuer- und Abgabeneinhebung erforderten eine genaue Identifizierung der Einzelpersonen. Das führte im Lauf des 15. Jahrhunderts und insbesondere ab dessen Mitte zum Übergang der Beinamen zu echten Familiennamen, indem Präpositionen und Artikel weggelassen wurden, z. B. Friedrich der Schuester zu Friedrich Schu(e)ster oder Kuonrat von Krems zu K(u)onrat Kremser. Da sich Familiennamen neben dem Kriterium der Erblichkeit auch durch jenes der Festigkeit und damit Unveränderlichkeit in der Schreibung auszeichnen, bedurfte es bald einer gesetzlichen Verankerung. Allerdings wurden Namenschreibung und Namenführung lange Zeit für unwichtig erachtet, weshalb sie im Rahmen der Gesetzgebung nicht ausführlich behandelt wurden. Erst im 18. und 19. Jahrhundert wird sie en passant in einzelnen Patenten, Verordnungen und anderen Rechtstexten mehr oder weniger ausführlich gestreift. Während im territorial zersplitterten Deutschland erst nach der Gründung des deutschen Reiches 1874 mit der Einführung des Standesamtes die Schreibung der Familiennamen verbindlich festgelegt wurde, kam es in Österreich schon früher zu gesetzlichen Maßnahmen. So wurde bereits unter Maria Theresia etwa in einem Patent vom 12.12.1766 die Problematik der nicht immer eindeutigen Identifizierung angesprochen. In einem Hofdekret vom 15.12.1770 ist bereits Folgendes zu lesen:

 

auch [ist] übrigens die Einleitung dahin zu treffen, daß in Hinkunft die Unterthanen den Zunahmen wegen der Gründen nicht mehr abänderen, sondern jeder den seinigen, der ihm bey der Geburt zukommt, beyzubehalten hätte“.

 

In einem Patent aus dem Jahr 1776 wird schließlich die willkürliche Namensänderung in Galizien verboten, in einem weiteren Patent aus dem Jahr 1780 für die böhmischen Länder die verpflichtende Beinamenführung erlassen, was vor allem auch für das heutige Kroatien, Tschechien, Slowenien und die Slowakei von Bedeutung war. Schließlich wurden 1787 die Juden verpflichtet, einen fixen Vor- und Familiennamen zu führen.

 

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5 Einteilung der Familiennamen

 

Familiennamen können entweder aus Beinamen entstanden sein, welche den Namenträger aufgrund von charakterisierenden persönlichen Merkmalen identifizierten, oder es handelt sich um bewusst gewählte bzw. von Institutionen und Behörden verordnete Namen. Solche oft künstlichen Familiennamen erhielten aufgrund der kaiserlichen Verordnung 1787 die Juden, wie z. B. Silberzahn, Rosenblatt oder Blumenstock.

 

In den meisten Fällen haben sich unsere heutigen Familiennamen jedoch aus individuellen Beinamen entwickelt, die zunächst zur näheren Bezeichnung eines Einzelnen dienten. Erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich aus den Beinamen die über mehrere Generationen geltenden, in ein und derselben feststehenden Form vererbten Namensformen. Diese in der Schreibung fixierten und vererbten Beinamen bilden die Familiennamen im heutigen Sinne.

 

Auf Grund der Motivation lassen sich fünf Typen von Familiennamen festlegen. Dabei kann das identifizierende Merkmal des Namenträgers (etwa der Beruf) direkt genannt werden (z. B. Schmied), oder auch metaphorisch dargestellt werden (etwa Hammerl, wobei hier das Werkzeug bildlich für die eigentliche berufliche Tätigkeit steht), wie das oft bei den noch zu erläuternden „Übernamen“ der Fall ist.

 

Neben dialektalen und kulturhistorischen Einflüssen spielen auch regionale Elemente eine Rolle, und so kommt es auch zur Ausbildung regionaltypischer „Familiennamenlandschaften“. Nach den Namengebungsmotiven können grundsätzlich folgende Familiennamentypen unterschieden werden:

5.1 Herkunftsnamen

 

Sie wurden nach der Herkunft des ersten Namenträgers gebildet. Herkunftsnamen zeigen die Zugehörigkeit des Namenträgers zu einem Volk, einem Land, einer Landschaft  oder (wie in den meisten Fällen) zu seinem Herkunftsort. Beispiele dafür sind etwa die Namen Böhm, Österreicher, Schweitzer, Wiener oder Kremser. Da die Entstehung der Familiennamen mit der Entfaltung der Städte zeitlich zusammenfällt und deren Bevölkerung aus den umliegenden Gebieten zuzog, erfolgte die Benennung dieser Personen oftmals nach deren Herkunftsort. Die Herkunftsnamen wurden also – im Gegensatz zu den Wohnstättennamen – an Personen vergeben, die aus anderen Orten oder Regionen zugewandert waren. Zur Zeit der Familiennamenbildung sind die Herkunftsnamen allerdings vorwiegend aus den näher liegenden, dem Namengeber bekannten Siedlungen gebildet, da der Mobilitätsradius der mittelalterlichen Bevölkerung eingeschränkt war und in der Regel kaum über 80 -100 km hinausging. Wenn es auch mehrfach in der Literatur heißt, dass Herkunftsnamen „in der Fremde“ gebildet wurden, so muss hierbei immer der mittelalterliche Mobilitätsradius beachtet werden, der den Begriff der „Fremde“ für heutige Betrachter relativiert. Personen, die von weiter entfernten Gegenden oder Orten zugewandert waren, benannte man in der Regel nach dem Herkunftsland bzw. der Herkunftsregion, da die Herkunftsorte (mit Ausnahme großer, allgemein bekannter Städte) meist nicht bekannt waren. Allerdings sind nicht alle aus Ortsnamen gebildeten Familiennamen Herkunftsnamen. Wer also Ungar benannt wurde, musste nicht zwangsläufig aus Ungarn stammen. Oft reichte auch das Beherrschen der fremden Sprache oder eine mehr oder weniger starke Beziehung zu einem Ort oder einem Land (etwa durch Handelsbeziehungen oder Teilnahme an Heerfahrten oder Wallfahrten) aus, um diese als Grundlage der Namenmotivation in den Familiennamenschatz eingehen zu lassen.

 

In Familiennamen sind auch Namen von heute nicht mehr existierenden Siedlungen bzw. Wüstungen oder veraltete mundartliche Varianten von Ortsnamen erhalten, die heute oftmals nicht mehr jedem verständlich oder bekannt sind (etwa der Familienname Apeltauer zur historischen Bezeichnung Eipeltau für Leopoldau, einen Teil des heutigen 21. Wiener Gemeindebezirkes).

 

Herkunftsnamen sind im oberdeutschen Raum meist mit dem Suffix -er abgeleitet. Vom oberdeutschen Raum ausgehend haben sich historisch zunächst die präpositionslosen Beinamen (die Grundlage für die Familiennamen im heutigen Sinne waren) und in einer zweiten Welle auch die Bildungen auf -er nach Norden hin ausgebreitet. Dieser Bildungstyp ist daher auch bei Herkunftsnamen im heutigen Österreich sehr häufig vertreten. Weniger häufig sind dagegen endungslose Bildungen oder Bildungen auf -mann. In vereinzelten Fällen wie etwa Ostermann ist auch nur die Himmelrichtung des Heimatortes ausschlaggebend für die Namenbildung, wobei hier ohne historische Belege nicht eindeutig geklärt werden kann, ob ein Herkunfts- oder ein Wohnstättenname vorliegt.

 

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5.2 Wohnstättennamen

 

Familiennamen nach der Wohnstätte sind Namen, die über die Art und Beschaffenheit der Wohnstätte des ersten Namenträgers Auskunft geben. Sie sind meist in der engeren Heimat entstanden und wurden nicht wie die Herkunftsnamen als Bezeichnung für den Zugezogenen vergeben. Die Lage der Wohnstätte, die vorherrschende Vegetation, nahe gelegene Quellen und Wasserläufe, Bodenbeschaffenheit oder bauliche Besonderheiten des Hauses oder Hofes und andere Merkmale waren für die Bildung des Familiennamens von Bedeutung und eigneten sich hervorragend, um ortsansässige Personen näher zu identifizieren. Beispiele dafür sind Namen wie Niedermaier, Tannholzer, Brünnler, Bachler, Kotbauer oder Ringbauer.

 

In städtischen Gebieten kann auch ein besonders benanntes Haus oder ein bereits bestehender Straßenname namenmotivierend wirken, sodass der Familienname auf diesen Haus- oder Straßennamen zurückgeht. In ländlichen Gebieten finden dagegen in vielen Fällen bestehende Hof- und Flurnamen in die Familiennamengebung Eingang. Daraus ergibt sich, dass auf synchroner Ebene in einigen Fällen nicht mehr nachvollziehbar ist, ob der Familienname aus der Beschreibung der Wohnstätte oder aus einem bereits existierenden Flur- bzw. Ortsnamen entstanden ist.

 

Die Bildung von Wohnstättennamen erfolgt vor allem durch Ableitung mit Suffixen wie -ing oder -er, wobei im oberdeutschen Raum Letzteres häufiger auftritt. Ableitungen auf -mann sind im oberdeutschen Raum generell weniger häufig, wenn auch regionale Unterschiede in der Häufigkeit der Bildungstypen zu bemerken sind.  Identifizierende Zusätze nach der Wohnstätte wurden zunächst als präpositionale Fügungen gebildet, die sich teilweise erhalten haben (vgl. Ambichl). Mit der Entwicklung von individuellen zu vererbten und in der Schreibung unveränderlichen Beinamen (also Familiennamen im heutigen Sinne) wurden diese Fügungen meist durch bloße Wohnstättennamen ersetzt. (vgl. Bichl). Stellenbezeichnungen waren aber oft auch Grundlage für Ortsnamen, weswegen in manchen Fällen eine klare Trennung zwischen Herkunfts- und Wohnstättennamen nur schwer möglich ist (vgl. den Namen Gruber, der sich sowohl von einer in einer Bodenvertiefung gelegenen Wohnstätte als auch einem Ortsnamen Grub ableiten kann).  

 

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5.3 Berufsnamen

 

Diese Familiennamen sind aus Berufs-, Amts- oder Standesbezeichnungen hervorgegangen. Diese Namengruppe spiegelt auch die starke Entfaltung des Handwerks im Mittelalter und die zunehmende Verwaltung zu Zeiten der Familiennamenbildung wider. Ein Beispiel dafür sind die mannigfaltig auftretenden Familiennamen mit dem Grundwort -schmied, wie etwa Braunschmied, Kleinschmied, Goldschmied, Kupferschmied oder Blechschmied, welche die im Mittelalter fortschreitende Ausdifferenzierung des alten Schmiedehandwerks zeigen. Die in Familiennamen auftretenden Berufsbezeichnungen sind stark von der geographischen Lage und dem wirtschaftlichen Umfeld im Spätmittelalter abhängig. Daher verwundert es wenig, wenn etwa der Bergbau in Familiennamen des Alpenraumes häufiger zutage tritt als der Weinbau im Osten Österreichs und umgekehrt. Man vergleiche dazu etwa den vornehmlich in Tirol verbreiteten Namen Klocker sowie den vor allem in Ostösterreich verbreiteten Namen Weinzierl. Die Familiennamen stehen also auch hier in engem Bezug zum topographischen und kulturellen Umfeld, in dem sie entstanden sind. Alte und stark ausdifferenzierte Gewerbe (wie etwa das metallverarbeitende Gewerbe oder die Gewerbe zur Nahrungserzeugung) sind zudem in den Familiennamen stärker vertreten als junge, erst zur Zeit der Familiennamenbildung entstandene Berufssparten (wie etwa Posamentierer).

 

Die wachsende Verwaltung der spätmittelalterlichen Städte zeigt sich auch in der regional unterschiedlich hohen Zahl an Familiennamen aus Amtsbezeichnungen wie Richter oder Amon/Amman („Amtmann“). Während in dicht besiedelten städtischen Gebieten die Zahl der Amtsnamen relativ groß ist, finden sich in abseits gelegenen, schwer zugänglichen und dünner besiedelten Regionen (wie etwa Tirol oder Vorarlberg) tendenziell weniger Familiennamen, die auf Bezeichnungen aus dem Amts- und Verwaltungswesen zurückgehen.

 

Auch der soziale Stand des Namenträgers wurde in Familiennamen festgehalten und hat sich in sogenannten Standesnamen erhalten. So geht etwa der Familienname Maier (hier in der v. a. im Oberdeutschen verbreiteten Variante) auf die Bezeichnung für einen Oberbauern und Aufseher über die Verwaltung von Gütern im Auftrag des Grundherrn zurück. Dieser musste im Namen des Gutsbesitzers die niedere Gerichtsbarkeit ausüben und den Jahresbericht geben und wurde danach benannt. Weitere Beispiele für Standesnamen sind etwa Halper < Halbbauer für einen Bauern, der ein halbes Gut bewirtschaftete, Parschalk für einen freien Knecht, Huber für den Inhaber einer Hube oder Lehner für den Inhaber eines Lehens. Neben den hier besprochenen unmittelbaren (oder direkten) Berufsnamen, die direkt aus der Berufsbezeichnung gebildet wurden, gibt es noch mittelbare (oder indirekte) Berufsnamen, die auch Berufsübernamen genannt werden und daher bei den Übernamen behandelt werden.

 

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5.4 Übernamen

 

Übernamen sind Namen, deren Entstehung auf ein einmaliges Ereignis, eine besondere Charaktereigenschaft, eine Krankheit oder ein spezielles äußeres Merkmal an Kleidung, Gang oder Gestalt des Namenträgers zurückgehen. Äußerlich auffällige Merkmale, spezifische Charakterzüge oder einmalige Begebenheiten im Leben des Namenträgers haben individualisierenden Charakter und finden sich im Familiennamenschatz wieder. Hier sind aus der Vielfalt an Namen nur einige wenige Beispiele wie Klein, Lang, Feist, Dürr (nach dem Körperwuchs) Groschopf (nach der grauen Haarfarbe), Kraus, Glatz (nach der Haarfarbe bzw. dem Haarwuchs) Dollfuß, Schramm (nach körperlichen Behinderungen oder Verletzungen) oder Bundschuh (nach der Kleidung) genannt. Der Prozess der Entstehung von Übernamen ist nur in den seltensten Fällen an historischen Belegen zu verfolgen. Meist werden die Träger der Übernamen rein sachlich oder oft auch ironisch, spottend durch unmittelbare Angabe oder durch einen bildlichen Vergleich beschrieben (vgl. den Namen Fuchs für einen schlauen und listigen Menschen oder aber in Bezug auf die rote Haarfarbe des Namenträgers). Manche Übernamen, die heute als bildliche Bezeichnung erscheinen, sind durch Ellipse aus präpositionalen Beifügungen entstanden. Beispiele dafür sind Namen wie Gutmann („der gute Mann“) oder Liebknecht („der liebe, brave Knecht“). Übernamen sind meist endungslos und können auch mit dem Namenwort -mann gebildet werden, wie etwa in den Namen Weiss, Süß, Frisch oder Neumann, es treten aber – etwa im Namen Schwarzer – auch Ableitungen mit Suffixen wie -er oder – im Namen Langen – gelegentlich genitivische Ableitungen auf. Letztere sind aber im oberdeutschen Raum selten und vor allem im Norden Deutschlands charakteristisch.

 

Unterkategorien der Übernamen sind:

 

a)    Berufsübernamen: Die Berufsübernamen werden auch mittelbare Berufsnamen oder indirekte Berufsnamen genannt. Bei diesen Namen wirkte das vom Namenträger im Zuge seiner Berufsausübung verwendete Werkzeug, der Arbeitsprozess oder das hergestellte Produkt namenmotivierend.

So konnte etwa ein Schmied nach seinem Werkzeug mit dem Namen Hammer benannt werden oder ein Schuster nach dem produzierten Produkt den Namen Schuh erhalten. Kosende Ableitungen mit den entsprechenden kosenden Verkleinerungssuffixen -l, -el, -erl, -le sind hier durchaus häufig. Solche Bildungen können auch eine ironische oder kosende Nebenbedeutung haben, wie etwa Hämmerle für einen (wenig geschickten) Schmied.   

 

b)    Satznamen: Bei dieser Sonderform der Übernamen handelt es sich um Namen, die durch Kontraktion eines Satzes gebildet wurden, der für den Namenträger als besonders passend empfunden wurde. Beispiele sind hier etwa Niemannsgnuss im Sinne von „niemandes Genosse, Freund“ für den Unbeliebten oder Hebenstreit im Sinne von „Heb an [beginne] den Streit“ für den Streitsüchtigen. Letztere imperativische Namen treten besonders häufig auf.

 

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5.5 Familiennamen aus Rufnamen

 

Die aus Rufnamen gebildeten Familiennamen bezeichnen eine Beziehung des Namenträgers zu einem anderen Menschen. In den meisten Fällen handelt es sich um Vatersnamen (Patronymika), bei denen der Namenträger durch die Angabe des Rufnamens des Vaters näher bestimmt wurde, indem seine Abstammung bzw. die Zugehörigkeit zu einer Familie angezeigt wurde. Auch bei den Familiennamen aus Rufnamen spiegeln sich die mittelalterlichen Verhältnisse der Rufnamengebung wider, sodass nur Rufnamen zu Familiennamen werden konnten, die in der entsprechenden Region zur Zeit der Familiennamenentstehung (12.-15. Jhd.) bekannt und gebräuchlich waren. Familiennamen aus deutschen Rufnamen wie Heinrich, Konrad oder Albrecht sind demnach häufig vertreten, jedoch finden sich daneben bereits viele Familiennamen aus christlichen Rufnamen wie Johannes, Jakob, Georg, Matthäus oder Nikolaus, die sich bereits seit dem 12. Jahrhundert ausbreiteten und so auch in die Familiennamengebung Eingang fanden.

 

Gelegentlich können neben der Vater-Sohn Ebene auch andere Verwandtschaftsbeziehungen für die Entstehung von Familiennamen aus Rufnamen ausschlaggebend gewesen sein. Auch Mutternamen (Metronymika) können daher vereinzelt vorkommen, allerdings müssen diese nicht zwangsläufig auf die uneheliche Herkunft des ersten Namenträgers hinweisen, sondern beruhen vielfach auf der höheren Stellung oder der größeren Bekanntheit der Mutter in der jeweiligen Gemeinschaft. Durch die dem Mann untergeordnete soziale Stellung der Frau im Mittelalter und unter anderem auch den geringen Einfluss von Frauen in mittelalterliche Rechtsgeschäfte sind Metronymika allerdings nur selten zu finden.

 

Als Vorstufe der Familiennamen aus Rufnamen sind genealogische Angaben in Form einer genitivischen Beifügung, die sich erst in weiterer Folge zu festen Familiennamen entwickelten, zu nennen. Solche genitivischen Beifügungen wie im Namen Jürgens sind heute noch teilweise in norddeutschen Familiennamen auf -son (abgeschwächt -sen, vgl. Jakobson, Jakobsen) erkennbar. Die Unterdrückung des Wortes Sohn bei beibehaltener genitivischer Endung tritt in den vor allem in Norddeutschland verbreiteten Familiennamen auf -s und -en auf, die im oberdeutschen Sprachraum (und damit auch in Österreich) kaum zu finden sind. Die häufigste Untergruppe der Familiennamen aus Rufnamen sind allerdings endungslose Familiennamen wie Fritz, Berchtold oder Arendt.

 

Im oberdeutschen Raum mit Österreich erfolgt die patronymische Bildung charakteristischer Weise mit dem Suffix -er, im niederdeutschen Raum westlich der Elbe herrscht das Suffix -ing vor. Bei den Rufnamen deutscher Provenienz, die in Familiennamen erhalten geblieben sind, dominieren die zweigliedrigen Namenformen wie etwa Ludwig. Aber auch einstämmige Rufnamen wie Ernst sowie Kurz- und Koseformen treten in vielen Familiennamen zutage. Was die christlichen Rufnamen anbelangt, so entstammen diese vor allem dem Hebräischen, Griechischen und Lateinischen. Die über das Kirchenlateinische vermittelten Rufnamen wurden schnell in das Laut- und Namensystem des Deutschen integriert und waren schon bald nicht mehr als Fremdnamen zu erkennen, was unter anderem durch den Verlust der unbetonten Endungen geschah. Durch die Anpassung an die im Deutschen übliche Akzentuierung kam es zum Schwund der unbetonten Silben (wie etwa in Hirsl aus Matthias). Auch Zusammenziehungen wie Bartels aus Bartholomäus, Arndt aus Arnold sind in dieser Gruppe zu finden, aus denen unter Verwendung der im Deutschen üblichen Derivationssuffixe viele Varianten entstanden.

 

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6 Zur Vornamengebung

 

Zu Beginn der mittelalterlichen Überlieferung herrschen weitgehend noch germanische (altdeutsche) Rufnamen vor. Im Namengebrauch steigt im Mittelalter die Tendenz zu Kurzformen an, wobei hier neben dem sozialen Stand des Namenträgers auch Art und Inhalt der Quellen einen unterschiedlichen Grad der Förmlichkeit bedingen. Seit dem 12. Jahrhundert setzte ein Umbruch in der Rufnamengebung ein. Die Vielfalt der nach germanischen Mustern gebildeten (meist zweigliedrigen) Rufnamen reduzierte sich durch die zunehmende religiöse Durchdringung der mittelalterlichen Gesellschaft zugunsten von Heiligennamen. Die Verarmung des altdeutschen Rufnamenschatzes hatte nicht zuletzt auch im Namengebrauch selbst ihre Gründe: Einige Rufnamen waren besonders häufig und beliebt, wohingegen seltene oder unübliche Kombinationen von althochdeutschen Namengliedern in Vergessenheit gerieten. Auch Neubildungen nach germanischem Bildungsmuster blieben weitgehend aus. Im 15. Jahrhundert war etwa in Wien der Anteil der altgermanischen Rufnamen bereits stark zurückgegangen.

 

Die Durchsetzung der Heiligennamen im 15. Jahrhundert ist im Wiener Bürgertum des 15. Jahrhunderts vor allem unter den weiblichen Rufnamen zu erkennen, wo rund 98 Prozent aller weiblichen Rufnamen bereits Heiligennamen sind. Auch in der Gesamtverteilung finden sich im spätmittelalterlichen Wien mit rund 63 Prozent bereits deutlich mehr Heiligennamen als altgermanische Rufnamen. Nicht nur im städtischen Raum, auch auf dem Land setzte sich diese Entwicklung durch. So ist auch in Zwettl (Niederösterreich) im 15. Jahrhundert eine merkbare Verarmung des Rufnamenschatzes zu erkennen. Dabei ist zu bedenken, dass viele etymologisch germanische Rufnamen (wie etwa Leonhard oder Wolfgang) vor allem durch gleichnamige Heilige Verbreitung und Bekanntheit erfuhren, wodurch sie länger im aktiven Gebrauch blieben und im Gegensatz zu jenen germanischen Rufnamen ohne weitere Stütze nicht so schnell in Vergessenheit gerieten. Auch Figuren aus Sagen- und Legendenstoffen (z. B. Dietrich, Eckhart, Hildebrand, Rüdiger, Siegfried, Tristan oder Wieland) haben dazu beigetragen, ursprünglich germanischen Rufnamen zu verstärkter Bekanntheit zu verhelfen und sie dem stärker werdenden Einfluss der Heiligennamen trotzen zu lassen.

 

Die Beliebtheit mancher (vielfach etymologisch germanischer) Rufnamen in Adels- und Herrscherhäusern trug ebenfalls dazu bei, dass diese Rufnamen im Gegensatz zu weniger verbreiteten germanischen Rufnamen trotz der seit dem 12. Jahrhundert einsetzenden Tendenz der Heiligennamen bestehen konnten. So war der Name Albrecht durch zahlreiche Österreichische (Erz-)Herzöge und Könige als bekannter Herrschername auch bei der breiten Bevölkerung über das Mittelalter hinaus verbreitet. Der Name war durch Albrecht I., Herzog von Österreich und Steiermark und römisch-deutscher König, Albrecht II. den Weisen, Herzog von Österreich oder Albrecht III. und Albrecht IV., Herzöge von Österreich bekannt und beliebt. Aber auch Albrecht V., Herzog von Österreich, der als Albrecht II. römisch deutscher König und König von Böhmen und Ungarn wurde, sowie Albrecht VI., Erzherzog von Österreich gaben dem ursprünglich germanischen Rufnamen eine gesellschaftliche Stütze, die ihn bis heute als Vorname überleben ließ. Ebenso verhält es sich mit Friedrich, dem Namen Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, Kaiser Friedrichs II. oder Friedrich des Schönen, Herzog von Österreich und als Friedrich III. auch deutscher (Gegen-) König. Auch Heinrich, Ludwig oder Rudolf stellen sich in die Reihe der ursprünglich germanischen Rufnamen, die als Namen bekannter Herrscherpersönlichkeiten am Leben erhalten wurden und den zunehmenden Einfluss der Heiligennamen überdauerten.

 

Neben den überregional bekannten bzw. den hagiologisch oder literarisch gestützten Heiligennamen konnten sich kleinräumig aber auch die Namen regionaler Heiliger behaupten und in die Rufnamengebung des entsprechenden Raumes vermehrt einfließen. Unter den im Mittelalter zunehmenden Heiligennamen finden sich in großer Zahl neutestamentarische Rufnamen wie z. B. Benedict, Clemens, Philipp oder Ulrich für Männer sowie z. B. Katharina, Barbara  und Margarethe für Frauen. Auch alttestamentarische Rufnamen wie z. B. Abraham, David oder Tobias bei den männlichen und Esther, Susanna sowie Rebekka bei den weiblichen Rufnamen werden im Mittelalter vermehrt verwendet. Die Namen Jesus und Maria waren im deutschsprachigen Raum im Gegensatz zu einigen südeuropäischen Ländern wie Griechenland oder Spanien aus religiöser Ehrfurcht lange nicht gebräuchlich, erst in der Neuzeit fand durch die Gegenreformation der Name Maria auch bei uns Verbreitung.

 

Nachdem sich ein zweiteiliger Gesamtname aus Ruf- und Familienname etabliert hatte und damit jede Person einen individuellen und einen überindividuellen Namen trug, konnte der individuelle Teil des Gesamtnamens, also der Rufname, quantitativ erweitert werden, indem zwei, drei oder sogar mehrere Rufnamen nacheinander traten. Während für Deutschland davon ausgegangen wird, dass diese Entwicklung im 15. Jahrhundert ihren Anfang nahm und sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte der individuelle Teil des Namens (also der Rufname) zu einer ganzen Vornamenreihe entwickeln konnte, fehlen für Österreich entsprechende Untersuchungen, doch ging diese Gewohnheit auch hier vom Adel aus. Sie nahm in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert zu und wird oft als eine Folge des Patennamensystems gesehen, bei der durch die Benennung nach Taufpaten eine engere Verbindung der Paten mit den Patenkindern und deren Förderung erstrebt wurde. Im österreichischen Namenrecht ist die Höchstanzahl der zu vergebenden Rufnamen gesetzlich nicht limitiert.

 

Heute kann davon ausgegangen werden, dass der Traditionsbezug bei der Rufnamenwahl tendenziell zurückgeht. Durch die zunehmende Mobilität und die Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien spielen bei der Namenwahl Etymologie und kirchliche Tradition eine geringere Rolle. Dagegen nehmen Aspekte wie Sprachmelodie, Vokalverhältnis zum Familiennamen und der Wunsch nach Individualisierung durch die bewusste Wahl eines anderssprachigen, möglichst seltenen Rufnamens an Bedeutung zu.

 

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7 Räumliche Verbreitung von Namen und Namengruppen

 

Die einzelnen Familiennamengruppen entwickeln sich in zeitlicher, räumlicher und soziologischer Verteilung sehr unterschiedlich. Gewisse Namentypen haben signifikante Schwerpunkte bezüglich ihrer Verbreitung, was zur Ausbildung von Namenlandschaften und Namenfeldern führt. So erkennt man etwa an der hohen Anzahl der Herkunftsnamen in den Städten, dass zur Zeit der Familiennamenentstehung die spätmittelalterlichen Städte aufblühten und zum Anziehungspunkt für Zuwanderer meist aus den umliegenden ländlichen Gebieten wurden. Gerade bei Neubürgern in den Städten war die Herkunft identitätsstiftendes Merkmal und setzte sich in den Namen fest. Da nicht alle dieser Herkunftsnamen feste Familiennamen wurden, nahm der Bestand der Herkunftsnamen in manchen Regionen wieder ab und wurde in der nächsten Generation durch Namen aus anderen Gruppen ersetzt.

 

Ein Stadt-Land-Unterschied in der Verteilung der Berufsgruppen ist u. a. auch in der hohen Anzahl der Berufsnamen in den Städten zu erkennen, in denen durch den Zuzug vom Land bald eine einheitliche Verwaltung notwendig wurde und wo durch die hinzukommenden Arbeitskräfte und den wirtschaftlichen Aufschwung auch das Handwerk in viele Zweige spezialisiert wurde. Generell kann man sagen, dass in spätmittelalterlichen Städten wie etwa Wien der Anteil der Berufsnamen tendenziell höher ist als in ländlichen Regionen, wo vermehrt Namen aus anderen Gruppen wie etwa Übernamen oder Familiennamen aus Rufnamen auftreten. Dies muss aber immer auch im geographischen und kulturhistorischen Kontext gesehen werden.

 

Auch in soziologischer Sicht ist ein Unterschied in der Verteilung der Namengruppen zu bemerken. So trugen die Angehörigen der sozial höheren Schichten wie etwa des städtischen Patriziats und des Bürgertums zur Zeit der Familiennamenentstehung tendenziell mehr Berufsnamen (da Amtspersonen und Angehörige gewisser Handwerkssparten meist höheren sozialen Status hatten), während die niedere Schicht der Knechte und Hörigen vermehrt Übernamen aufwies.

 

Aber auch die einzelnen Namenvarianten weisen in ihrer Verbreitung oft regionale Prägung auf. Da zu Zeiten der Beinamenbildung keine geregelte Orthographie bestand, wurden die Namen von Schreibern in Kanzleien und Pfarren entsprechend ihrer Aussprache verschriftlicht. Dadurch haben sich in heutigen Familiennamen eine Menge dialektaler Merkmale erhalten, wodurch die jeweiligen Namen auch einer gewissen Dialektregion zugeordnet werden können. Als Beispiele können hier etwa Namen und Namenvarianten wie Blumschein/Blaimschein/Blamschein, Denk/Tengg oder Krois/Grois genannt werden. Die so entstandenen Familiennamenlandschaften und Namenfelder korrespondieren also immer auch mit den im jeweiligen Gebiet bestehenden dialektgeographischen Gegebenheiten.

 

Neben der lautlichen Ebene gibt es aber auch auf der morphologischen und lexikalischen Ebene regionalspezifische Besonderheiten und Tendenzen, die sich im Rahmen der Familiennamengeographie auf Karten darstellen lassen. Da die Verschriftlichung ein wesentliches und für die Namenforschung wichtiges Merkmal der im Spätmittelalter vorangetriebenen Verwaltung darstellte, zeigen Familiennamen oft auch regionaltypische Merkmale derjenigen Schreibsprache, die in den jeweiligen Schreibstuben und Kanzleien vorherrschte. Während Schreiber in ländlichen Gebieten die Namen oft mit stark dialektaler Prägung verschriftlichten, herrschte in den spätmittelalterlichen Stadtkanzleien in den meisten Fällen eine ausgeglichenere Schreibsprache. So ergeben sich bei den Familiennamen auch regionale Schreibunterschiede.

 

Das Fehlen einer geregelten Orthographie, die regional unterschiedlichen Schreibsprachen und der dadurch bedingte dialektale Einfluss auf die Verschriftlichung der Namen erklärt auch, warum ein und derselbe Name oft in zahlreichen regional unterschiedlichen Schreibvarianten auftritt. So herrschen etwa im Norden und Südwesten Deutschlands die Varianten Meier und Meyer vor, während der Name im Südosten Deutschlands und auch in Österreich in den Formen Maier oder Mayer auftritt. Dies beruht beispielsweise auf den unterschiedlichen Schreibungen von mhd. -ei-, welche wiederum auf Ausspracheunterschiede zurückgehen und sich dann in weiterer Folge verfestigt haben.  

 

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8 Österreich – Ein vielfältiger Namenraum

 

Durch die Lage Österreichs im Zentrum Europas und das jahrhundertelange Zusammenleben mehrerer Ethnien sowie durch mehrere Migrationswellen seit der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie und seit den 1960er Jahren kam es vermehrt zu Sprachkontakten und im Zuge dieser zu Eindeutschungen und Umdeutungen von Namen fremdsprachlicher Herkunft. Gerade in Österreich trifft man demnach auf eine ungeheure Vielfalt an Namen, die historisch bedingt ist. Jemand, der bei einem Eichenbestand wohnte, konnte demnach Eichner, in Kärnten aber auch slowenisch Dobnik benannt werden.

 

Aus der Vielfalt der nicht-deutschsprachigen Familiennamen in Österreich sind – historisch bedingt – einige Gruppen besonders stark vertreten. Hier ist vor allem der slawisch-deutsche Sprachkontakt zu nennen, der den Familiennamenschatz in den südlichen und östlichen Regionen Österreichs entscheidend geprägt hat. Schon im Mittelalter war etwa Wien als Knotenpunkt der wichtigen europäischen Handelswege ein Schmelztiegel der Kulturen, wobei hier vor allem der große Bestandteil an slawischen, insbesondere tschechischen Familiennamen charakteristisch ist. Der große Anteil tschechischer Familiennamen in Wien ist vor allem auf die Arbeitsmigration zur Ringstraßenzeit ab etwa 1860 sowie auf die Massenflucht durch die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 zurückzuführen. So waren im Jahre 1880 lediglich 38,5 Prozent der Bevölkerung Wiens auch in der Stadt geboren und bis 1910 blieb dieser Wert kontinuierlich unter 50 Prozent. Den mit Abstand höchsten Anteil unter den Zuwanderern Wiens stellten Personen, die in den Provinzen Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien geboren waren. Auch wenn es sich bei der Zuwanderung nach Wien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg mehrheitlich um eine Binnenwanderung aus Gebieten innerhalb des Vielvölkerstaates der österreichischen Reichshälfte der Habsburger­monarchie handelte, darf auch die Zuwanderung aus dem damaligen Ausland nicht unterschätzt werden. Im Jahr 1900 waren etwas mehr als zehn Prozent der 1,675.000 Einwohner Wiens im Ausland geboren. Aber auch abseits von Wien ist die sprachliche Vielfalt im Namengut ein Charakteristikum der österreichischen Familiennamenlandschaft. Wien und die dort besonders häufig auftretenden tschechischen Familiennamen können hier nur als ein Beispiel unter vielen dienen, da sich durch die Mobilität der Namenträger in ganz Österreich Namen der gesamten Slavia finden.

 

Die Familiennamenlandschaft in Österreich ist auch stark von südslawischen Sprachen geprägt, wobei hier besonders der Einfluss des Slowenischen in Kärnten und der Steiermark sowie auch jener des Kroatischen im Burgenland zu nennen sind. Die Gebiete des heutigen Kärntens und der Steiermark einschließlich der das heutige Slowenien bildenden, bis 1918 bestehenden Untersteiermark bildeten im 8. Jahrhundert das Fürstentum Karantanien mit dem Mittelpunkt im heutigen Zollfeld. Gegen die Mitte des 8. Jahrhunderts unterstellten sich die slawischen Karantanen dem Schutz der Baiern, was in den folgenden Jahrzehnten trotz mehrfacher kriegerischer Auseinandersetzungen zur allmählichen bairisch-deutschen Besiedelung und bis zum 13./14. Jahrhundert mit Ausnahme von Südkärnten und der Untersteiermark zum Übergang zum Deutschen führte. Gerade dort aber kam es über die allgemeinen slowenisch-deutschen Sprachkontakte hinaus dann auch zur Bildung slowenischer Familiennnamen. Die vielen Familiennamen auf -nig(g) wie z. B. Popotnig, Blatnig, Potoschnigg oder auch slowenisch-deutsche Mischnamen wie Kogelnig oder Albernig sind Beispiele dieser wechselseitigen Beeinflussung des Namengutes.

 

Auch das Kroatische hat Einfluss auf die österreichische Familiennamenlandschaft. Die Kroatenbesiedlung des Burgenlandes erfolgte im 16. Jahrhundert durch ungarische Adelige, die große Besitzungen in Kroatien hatten und besonders in Folge der Türkenkriege die verwüsteten Landstriche wieder besiedeln wollten. Die starke Konzentration kroatischer Namen im Burgenland und den angrenzenden Gebieten ist die Folge.

 

Eine jüngere Schicht nicht-deutschsprachiger Familiennamen sind ungarische Familiennamen, die ebenfalls ein Spezifikum der österreichischen Familiennamenlandschaft bilden. So war Ungarn seit 1526 mit Österreich verbunden, 1921 erfolgte der Anschluss von Deutsch-Westungarn als neues Bundesland Burgenland an Österreich und 1956 löste die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes durch die Truppen des Warschauer Paktes eine Massenflucht nach Ostösterreich aus. 

 

Im Westen Österreichs treten in Tirol und Vorarlberg, aber auch teilweise Salzburg romanische Familiennamen auf. Dies erklärt sich aus den romanischen siedlungsgeschichtlichen Grundlagen und der Nähe zum romanischen Sprachraum. Im 19. Jahrhundert kam es dann zur Arbeitsmigration aus Italien für die Textil-, Ziegel- und Glashüttenindustrie.

 

Der landesweit steigende Anteil türkischer Familiennamen ist die Folge von Zuwanderungsströmen seit den 1960er Jahren. Auf sie gehen auch viele slawische Namen aus dem ehemaligen Jugoslawien zurück.

Die geschilderte Namenvielfalt stellt die Familiennamenforschung in Österreich vor große Herausforderungen und muss in jede Untersuchung österreichischer Familiennamen einbezogen werden. So kommt etwa den Prä- und Suffixen in den verschiedenen slawischen Sprachen eine viel größere Bedeutung zu als im Deutschen. Um der Gefahr der Verwechslung und Missinterpretation vorzubeugen, ist gerade bei der Beschäftigung mit österreichischen Familiennamen die Interdisziplinarität der Namenforschung erforderlich.

 

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