Bernstein(-Porges), Elsa; geb. Porges, Ps. Ernst Rosmer (1866–1949), Schriftstellerin und Schauspielerin

Bernstein(-Porges) Elsa, geb. Porges, Ps. Ernst Rosmer, Schriftstellerin und Schauspielerin. Geb. Wien, 27. oder 28. 10. 1866; gest. Hamburg (D), 12. 7. 1949; mos., später evang. Tochter von →Heinrich Porges und Wilhelmine Porges, geb. Merores (1842–1915), Schwester von Gabriele Porges (geb. München, Bayern/D, 26. 11. 1868; gest. Ghetto Theresienstadt, Protektorat Böhmen und Mähren / CZ, 24. 7. 1942), Mutter der Geigerin Eva Hauptmann, geb. Bernstein (geb. München, Deutsches Reich, 9. 11. 1894; gest. Würzburg, D, 23. 9. 1986), die 1915 bei →Carl Flesch in Berlin studierte und ab 1919 mit Klaus Hauptmann (geb. Erkner, Deutsches Reich/D, 8. 7. 1889; gest. 6. 4. 1967), Sohn des Schriftstellers Gerhart Hauptmann, verheiratet war, sowie des Universitätsdozenten Hans Heinrich Bernstein, später Bernt-Atkinson (geb. 8. 10. 1898; gest. 18. 2. 1980), Cousine des Komponisten Richard Stöhr (geb. Wien, 11. 6. 1874; gest. Montpellier, VT, USA, 11. 6. 1967); ab 1890 mit dem Rechtsanwalt, Schriftsteller und Theaterkritiker Max Bernstein (geb. Fürth, Bayern/D, 12. 5. 1854; gest. München, 5. 3. 1925) verheiratet. – B. wuchs in München auf, da kurz nach ihrer Geburt ihr Vater auf Richard Wagners Vorschlag von König Ludwig II. als Kapellmeister dorthin berufen und 1871 zum Direktor der Königlichen Musikschule ernannt worden war. B. schrieb frühzeitig Verse und Theaterstücke, schon als Zehnjährige veröffentlichte sie ihr Frühlingsspiel „Schneeglöckchen“ in der Kinderzeitung „Jugendblätter“. Mit 16 Jahren beschloss sie, Schauspielerin zu werden, begann ihre Schauspielausbildung am Münchener Konservatorium, und ein Jahr später erhielt sie bereits ihr erstes Engagement am Magdeburger Stadttheater. 1884 wurde sie ans Herzogliche Hoftheater in Braunschweig verpflichtet. Ein schweres Augenleiden zwang sie aber dazu, diesen Beruf 1887 wieder aufzugeben. Sie widmete sich nun ganz ihren dichterischen Ambitionen. Bei der Veröffentlichung ihrer Werke unterstützte sie Max Bernstein, der sich u. a. um die Verbreitung von Henrik Ibsens Œuvre in Deutschland bemühte. In Anlehnung an dessen Drama „Rosmersholm“ wählte B. auch ihr Pseudonym. Es erschienen ihre Novellensammlung „Madonna“ (1894) sowie Gedichte und Märchen. Zwischen 1891 und 1910 schrieb sie 15 Dramen, wie „Wir drei“ (1893 im Druck, aber nie aufgeführt), das Schauspiel „Dämmerung“ (Uraufführung 1893 in Berlin), in dem sie ihr Augenleiden literarisch verarbeitete und das von Zeitgenossen als ihr bestes Werk bezeichnet wurde, die Komödie „Tedeum“ (1896), das Legendendrama „Mutter Maria“ (1900), das Märchendrama „Königskinder“ (Uraufführung 1895 am Hoftheater München), das von Engelbert Humperdinck als Oper vertont (Uraufführung 1908, Metropolitan Opera, New York) ihr größter Erfolg wurde, die Dramen „Johannes Herkner“ (1904) und „Maria Arndt“ (1908) sowie nach klassischem Vorbild die Tragödien „Themistokles“ (1897), „Nausikaa“ (1906) und „Achill“ (1910). B. zog sich 1910 von ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zurück, um sich der Ausbildung ihrer hochbegabten Tochter zu widmen, die 1910 in Wien Violine bei →Otakar Ševčík, Musiktheorie bei Richard Stöhr und Kammermusik bei →Arnold Rosé an der Akademie für Musik und darstellende Kunst studierte. 1912 übersiedelte B. mit Eva Bernstein nach Paris. Der Zustand von B.s Augen verschlechterte sich dramatisch, bis sie Mitte der 1920er-Jahre fast völlig erblindete. 1919 veröffentlichte sie noch ihr Drama „Schicksal“ im Privatdruck, zwei weitere Dramen aus den Jahren 1922 und 1926 wurden nicht mehr gedruckt. Zuletzt erschien 1928/29 in den „Süddeutschen Monatsheften“ ihre Novelle „Erlebnis“ in Fortsetzungen. Ab Ende der 1890er-Jahre führte B. mit ihrem Mann einen literarisch-musikalischen Salon („Sonntag-Nachmittags-Tees“). Ihre Gäste waren u. a. Gerhart Hauptmann, →Richard Strauss, Bruno Walter, Hans Pfitzner, Hermann Levi, Hans Knappertsbusch, →Hugo Hofmann von Hofmannsthal, →Rainer Maria Rilke, Michael Georg Conrad, Ludwig Thoma, Frank Wedekind, Erich Mühsam, Ricarda Huch, Ludwig Ganghofer und Thomas Mann, der durch B. seine spätere Frau Katja Pringsheim kennenlernte. Auch nach dem Tod ihres Mannes betrieb B. als Ehrenmitglied der Münchner Gesellschaft der Literaturfreunde den Salon mit Hilfe ihrer Schwester Gabriele weiter. 1939 wurde B. als protestantisch getaufte Jüdin zu einer Übersiedelung in eine viel kleinere Wohnung gezwungen, wodurch der Salon sein Ende fand. Zum Teil führte sie ihre Salongespräche über Literatur in Briefen weiter, wie zum Beispiel mit Franz von Wesendonk. Auf Vermittlung von Winifred Wagner hätte sie 1941 die Möglichkeit gehabt, in die USA ins Exil zu gehen, wollte aber ihre Schwester nicht allein lassen, mit der sie im Juni 1942 zuerst nach Dachau und dann ins KZ Theresienstadt deportiert wurde. B. setzte ihre dichterische Arbeit im KZ fort und ermutigte dazu auch die Schriftstellerin Gerty Spies. Anfang Mai 1945 wurde sie aus dem Lager befreit und zog zu ihrer Tochter nach Hamburg. Mit einer Blindenschreibmaschine verfasste B. ihre KZ-Erinnerungen „Das Leben als Drama“ für Verwandte, die 1999 posthum veröffentlicht wurden.

Weitere W.: s. Zophoniasson-Baierl; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren.
L.: Bolbecher–Kaiser; NDB; Wininger; Geistiges und künstlerisches München in Selbstbiographien, ed. W. Zils, 1913, S. 303; K. Wiener, Die Dramen E. B.s (Ernst Rosmers), phil. Diss. Wien, 1923, S. 1ff.; F. v. Wesendonk, Wenn Krebse auf den Bergen pfeifen. Briefe der Frau Elsa an den Soldaten Franz, 2. Aufl. 1977; G. Spies, in: Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München, ed. H. Lamm, 1982, S. 359f.; U. Zophoniasson-Baierl, E. B. alias Ernst Rosmer, 1985 (mit W.); U. Wiedenmann, in: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, ed. V. M. Treml – W. Weigand, 1988, S. 101ff.; P. Skrine, in: German Women Writers 1900–33, ed. B. Keth-Smith, 1993, S. 43ff.; E. Ranft, in: Lebenswege von Musikerinnen im „Dritten Reich“ und im Exil, 2000, S. 127ff.; From Fin-de-Siècle to Theresienstadt. The Works and Life of the Writer E. Porges-B., ed. H. W. Kraft – D. C. G. Lorenz, 2007; D. Vietor-Engländer, in: Integration und Ausgrenzung. Studien zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, 2009, S. 467ff.; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren 2, 2010 (mit W.); Websites All about the Porges families, exil-archiv, Ghetto Theresienstadt, Literaturportal Bayern (Zugriff 13. 3. 2017); IKG, Wien.
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 77
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