Cokorac (Čokorac), Stephan; Ps. Stephan (von) Kamare, Stephan Cokarac-Kamare, Hans Gerok (1880–1945), Schriftsteller

Cokorac (Čokorac) Stephan, Ps. Stephan (von) Kamare, Stephan Cokarac-Kamare, Hans Gerok, Schriftsteller. Geb. Wien, 22. 6. 1880; gest. ebd., 7. 4. 1945 (Suizid); evang. AB. Sohn des Offiziers Pantaleon Cokorac und einer aus Norddeutschland stammenden Mutter. – C. wuchs bei seinen Verwandten in Deutschland auf. 1890–93 besuchte er das Domgymnasium zu Halberstadt in Preußen und ab 1893 das Staatsgymnasium in Wien 19 (Matura 1898). Danach studierte er 1898–1904 Rechts- und Staatswissenschaften (Dr. iur. 1904). Daneben absolvierte er in Paris und Wien eine Ausbildung zum Maler. Wegen eines Duells verbüßte C. 1901 eine vierwöchige Gefängnisstrafe. Nach zwei Jahren Verwaltungsdienst im besetzten Bosnien wurde er in den Staatsdienst übernommen, 1908 in das Handels-Ministerium und während des 1. Weltkriegs in das Amt für Volksernährung berufen, bis er 1922 wegen eines schweren Augenleidens, das auch der Grund für seine Wehruntauglichkeit war, in den Ruhestand trat. Danach konzentrierte sich C., der 1914–22 Mitglied der Großdeutschen Volkspartei war, auf die Malerei, ehe er 1925 in die Verwaltung eines Warschauer Industriekonzerns eintrat, diese Stelle aber wegen seiner Krankheit bald aufgeben musste. Bereits während der Schulzeit schrieb er Gedichte. Sein erstes Drama „Die Fremden“ (unter seinem Pseudonym Hans Gerok) wurde im November 1918 im Volkstheater München uraufgeführt, fand jedoch wenig Beachtung. Der Durchbruch gelang ihm mit der Komödie „Leinen aus Irland“, welche 1928–39 rund 2.000 Aufführungen erlebte. Es folgten „Der junge Baron Neuhaus“ (1933), in NS-Deutschland unter der Regie von Gustav Ucicky 1934 verfilmt, und „Die beiden Gregorius“ (1936), alternativ als „Mister Gregorius“, auf den Bühnen. Zur Zeit des Ständestaats erhielt C. 1934 den Volkstheaterpreis für „Der junge Baron Neuhaus“ und zählte zum Kreis potenzieller Jurymitglieder für den Österreichischen Staatspreis 1935; letztendlich gehörte er dem Preisgericht aber nicht an. Dem Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs (BDSÖ) trat er erst nach dem „Anschluss“ im Mai 1938 bei, nachdem er eine Anfang April 1938 im „Wiener Tagblatt“ abgedruckte gemeinsame Adresse des BDSÖ, die aus Anlass der geplanten Volksabstimmung erschienen war, mitunterzeichnet hatte. Seit Juli 1938 Vollmitglied der Reichsschrifttumskammer, betätigte sich C. im Dritten Reich in erster Linie als Filmautor: Das Drehbuch zu „Hotel Sacher“ (1939, Regie: Erich Engel) entstand, während sein Drama „Leinen aus Irland“ als Vorlage für den gleichnamigen Spielfilm (1939, Regie: Heinz Helbig) diente. Die Wien-Film machte aus dem Komödienstoff einen antisemitischen Propagandafilm, dessen Handlungsablauf jenem von Veit Harlans „Jud Süß“ (1940) ähnelt. Der Streifen war einer der erfolgreichsten NS-Filme und spielte innerhalb von zwei Jahren fast das Doppelte der Gesamtkosten von 744.000 RM ein. Für die Bühne entstand das Lustspiel „Kühe am Bach“ (1940), u. a. 1941 auf dem Spielplan des Deutschen Volkstheaters in Wien. Den Stellenwert C.s im NS-System veranschaulichen die Aufnahme in die Liste „Künstler im Kriegseinsatz“ der Reichskulturkammer und die damit verbundene Freistellung vom Arbeitsdienst (1943) sowie in die vom Propagandaministerium erstellte „Liste der zugelassenen Filmautoren“ (1944). In der Folge verfasste C. das Drehbuch für den Film „Romantische Brautfahrt“ (1944, Regie: Leopold Hainisch) mit Paul Hörbiger sowie für den im selben Jahr gedrehten Film „Umwege zu Dir“ (Regie: Hans Thimig), welcher erst 1947 in die Kinos kam. 1917 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; 1919 Sektionsrat.

Weitere W.: Knorpernato, 1930; Rastoschniza, o. J.
L.: Giebisch-Gugitz; Kosch; Kosch, Theaterlex.; Kürschner, Nekrolog I, II; Standesbuch österreichischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen, ed. E. Hutschenreiter, 1937; Schriftsteller-Verzeichnis, 1942; F. Aspetsberger, Literarisches Leben im Austrofaschismus, 1980, s. Reg.; G. Renner, Österreichische Schriftsteller und der Nationalsozialismus, 1986, s. Reg.; B. Drewniak, Der deutsche Film 1938–45, 1987, s. Reg.; W. Fritz, Kino in Österreich 1929–45, 1991, s. Reg.; E. Dambacher, Literatur- und Kulturpreise 1859–1949, 1996, s. Reg.; UA, Wien; Forschungsstelle Österreichische Literatur im Nationalsozialismus, Universität Graz, Steiermark.
(K. Gradwohl-Schlacher)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)