Holovac'kyj (Golovackij), Jakiv Fedorovyč (Jakov Fëdorovič); Ps. Havrylo Rusyn, Balahur Jac’ko, Halyčanyn (1814–1888), Philologe, Ethnograph und Geistlicher

Holovac’kyj (Golovackij) Jakiv Fedorovyč (Jakov Fёdorovič), Ps. Havrylo Rusyn, Balahur Jac’ko, Halyčanyn, Philologe, Ethnograph und Geistlicher. Geb. Czepiele, Galizien (Čepeli, UA), 17. 10. 1814; gest. Wilna, Russisches Reich (Vilnius, LT), 13. 5. 1888; griech.-kath., später russ.-orthodox. Sohn des griechisch-katholischen Geistlichen Teodor Holovac’kyj (geb. 1782; gest. Czepiele, 18. 6. 1847), Bruder des Redakteurs und Politikers Ivan Holovac’kyj (geb. Czepiele, 7. 10. 1816; gest. Wien, 9. 2. 1899) und des Pädagogen Petro Holovac’kyj (geb. Czepiele, 16. 7. 1821; gest. Pistyń, Galizien / Pistynʼ, UA, 26. 9. 1853). − H. schloss 1831 das Gymnasium in Lemberg ab und begann ein Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Lemberg. 1835 studierte er in Kaschau und Pest. 1836 setzte er das Theologiestudium an der Lemberger Universität fort, wurde allerdings erst 1843 zum Priester geweiht. In der Zwischenzeit war H. u. a. mit folkloristischen Forschungen beschäftigt, bis er letztlich als Aushilfsgeistlicher in Mykietyńce und später als eigenständiger Geistlicher in Chmielowa tätig werden konnte. 1848 erhielt er die neu eingerichtete Lehrkanzel für ruthenische Sprache und Literatur an der Universität Lemberg; 1858/59 Dekan der philosophischen Fakultät, 1864−66 Rektor. H. war ab 1833 Mitglied der sogenannten Rus’ka Trijcja, eines losen Zusammenschlusses von an Folklore Interessierten, dem auch Markijan Šaškevyč und Ivan Vahylevyč angehörten. Gemeinsam veröffentlichten sie 1837 die „Rusalka Dnistrovaja“, einen bedeutenden volkssprachlichen ruthenischen Almanach in phonetischer Schreibweise, der Volkslieder zusammentrug. 1848 wurde H. Mitglied der national-kulturellen Vereinigung Halyc’ko-Rus’ka Matycja und wirkte in den Abteilungen für Geschichte und Geographie sowie ruthenische Sprache und Literatur, in denen er u. a. an Publikationen zu didaktischen Zwecken arbeitete. Ab den 1850er-Jahren gehörte er u. a. mit dem Historiker Denys Zubryc’kyj zu den Lemberger Russophilen, beide waren auch Mitglieder russischer Wissenschaftsvereine. Ab 1866 stand H. aufgrund seiner politischen Überzeugungen unter polizeilicher Beobachtung. Im Folgejahr nahm er an der Allrussischen Ethnographischen Ausstellung in Moskau als Delegierter der Slawen Österreich-Ungarns teil, wobei er öffentlich russophile und panslawische Positionen vertrat. Daraufhin entließ ihn die österreichische Regierung von seiner Professur und H. wanderte im Herbst ins Russische Reich aus, wo er zur russisch-orthodoxen Kirche konvertierte. Ein Lehrstuhl für russische Literatur blieb ihm dort verwehrt, allerdings erhielt er durch die persönliche Intervention von Zar Alexander II. eine Stelle bei der archäographischen Kommission in Wilna. Während H. in den 1830er- und 1840er-Jahren neben dem Sammeln von Folklore auch dichtete, konzentrierte er sich in der Folgezeit auf didaktische und wissenschaftliche Werke. In der Emigration publizierte er nicht nur zu den Wilnaer Aktenbeständen in seinem Kompetenzbereich, sondern veröffentlichte auch ein geographisches Wörterbuch („Geografičeskij slovarʼ zapadnoslavjanskich i jugoslavjanskich zemelʼ i priležščich stran“, 1884) sowie bedeutende Werke zur ostslawischen Kultur der Habsburgermonarchie, insbesondere Liedersammlungen aus Galizien und den ruthenischen Gebieten Ungarns („Narodnyja pěsni galickoj i ugorskoj Rusi“, 3 Bde., 1878).

Weitere W.: Hrammatyka ruskoho jazyka, 1849; Chrestomatija cerkovno-slovjanskaja i drevno-ruskaja v pol’zu učenikov vyššoi hymnazii v cis. kor. Avstrijskoj deržave, 1854.
L.: J. H., Istoričeskij očerk osnovanija Halycko-Ruskoj Matyci i spavozdan’e pervoho soboru učenych i ljubitelej narodnoho prosveščenija, 1850, S. XXXIV, XXXVI; Tvory Markijana Šaškevyča i J. G., 2. Ausg. 1913, S. 145ff.; Pysʼmennyky Zachidnoji Ukrajiny 30−50-ch rokiv XIX st., ed. I. I. Pilʼhuk – M. H. Čornopysʼkyj, 1965, S. 177f.; J. Kozik, Ukrainian National Movement in Galicia 1815–49, 1986, s. Reg.; A. V. Wendland, Die Russophilen in Galizien. Ukrainische Konservative zwischen Österreich und Russland 1848–1915, 2001, s. Reg.
(M. Rohde)  
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)