Mathesius Vilém, Linguist. * Pardubitz (Pardubice, Böhmen), 3. 8. 1882; † Prag, 12. 4. 1945. Stud. Romanistik und Anglistik an der Tschech. und an der Dt. Univ. Prag. 1905–09 Gymnasialprof. in Prag und Pilsen, 1906 Dr.phil., 1909 Habil., 1912 ao., 1919 o. Prof. der engl. Sprache und Literatur an der Univ. Prag. Eine schwere Augenkrankheit, an der er ab 1922 litt und die zu fast gänzlicher Erblindung führte, verminderte jedoch keineswegs seine wiss. Tätigkeit. 1926 veranlaßte er die Entstehung des Prager linguist. Zirkels, der zum Zentrum der sog. Prager Schule (L’École de Prague) wurde. M. ist der Begründer der tschech. funktionellen und strukturellen Linguistik. Vom Beginn seiner wiss. Tätigkeit an überraschte er mit originellen und von der inländ. Tradition unabhängigen Einsichten, die in die tschech. Sprach- und Literaturwiss. neue Untersuchungsmethoden brachten und neue wiss. Gebiete erschlossen. M. faßte die Sprache als System verschiedener miteinander eng zusammenhängender Elemente auf. Er interessierte sich für deren Struktur und Funktion, ihre wechselseitige Hierarchie, ihre Tendenzen zur Systembildung und für das synchronist. Stud. der Spracherscheinungen. Sein wiss. Interesse galt dem gesamten Gebiet der Sprachforschung, in mancher Hinsicht auch der Literaturwiss., wobei ihm die engl. und tschech. Sprache und Literatur als Material dienten. Grundlegende Stud. widmete er der Theorie und Methodol. der Sprachwiss., der Syntax der Schrift- und vor allem der Umgangssprache, der Phonol., der Sprachkultur und der Stilistik, dem Aufbau des literar. Werkes und dessen Analyse. M., der sich auch mit der Problematik der künstler. Übers. befaßte, schrieb eine Reihe von Essays über kulturpolit. Fragen. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. Mitgl. der Tschech. Akad. der Wiss. und Künste, der kgl. Böhm. Ges. der Wiss., der English Literary Society of Japan etc.