Much, Rudolf (1862-1936), Germanist

Much Rudolf, Germanist. * Wien, 7. 10. 1862; † Wien, 8. 3. 1936. Sohn des Vorigen; stud. an der Univ. Wien klass. Philol. und Naturwiss., schließlich Germanistik, wobei ihn vor allem die Forscherpersönlichkeit Heinzels (s. d.) anzog. 1887 Dr. phil., 1893 Habil. für german. Altertumskde. und Sprachgeschichte, 1904 ao. Prof. und ab 1906 o. Prof. für diese Fächer sowie für skandinav. Sprachen und Literaturen an der Univ. Wien. Das Lebenswerk M.s ist dadurch gekennzeichnet, daß er seine philolog. Arbeiten in weite hist.-kulturgeschichtliche Zusammenhänge eingliederte und seine sprachlichen, literatur- und religionsgeschichtlichen Untersuchungen als Tle. einer umfassenden Altertumskde. anlegte. Die Voraussetzungen dafür bildeten Stud. aller german. Sprachen, detaillierte Kenntnis der antiken Zeugnisse über die german. Frühzeit, Überblick über die Ergebnisse der damals aufblühenden Vor- und Frühgeschichte, Vertrautheit mit vielen Gebieten der Indogermanistik, bes. mit den dem Germanentum benachbarten Kulturen, zumal der kelt., ebenso der vergleichenden Religionsgeschichte und Mythol. und in zunehmendem Ausmaß auch der Volkskde., fundiert durch genaue Kenntnis der Siedlungs- und Ausbreitungsgeschichte der Germanen und einer geograph., hist. und sozialgeschichtlich ausgerichteten Stammeskde. M., der schon früh an den vorgeschichtlichen Ausgrabungsarbeiten seines Vaters teilgenommen hatte, war ab 1885 längere Zeit Volontär an der urgeschichtlichen Abt. des Hofmus. und unternahm dann ausgedehnte Stud. Reisen nach Dänemark, Schweden und England (bes. Wales). Die Krönung seiner Lebensarbeit stellte der Kommentar zur „Germania“ des Tacitus dar. Dieser Kommentar baute mit gleicher Gründlichkeit auf den antiken wie auf den innergerman. Zeugnissen zur german. Altertumskde. auf und fand die Angaben des Tacitus weitgehend bestätigt. In vielen Fällen vermochte er sie durch literar. und archäolog. Zeugnisse zu ergänzen, in manchen zu berichtigen oder krit. zurecht zu rücken. M. erwies sich als Meister einer Forschung, die es als ihre Aufgabe ansah, alle Tatsachen, die zu ihrem Gegenstand gehören, mit in ihren Gesichtskreis aufzunehmen und ihnen synthet. gerecht zu werden. 1909 begründete er gem. mit Meringer (s d.), Meyer-Lübke (s. d.) u. a. die Z. „Wörter und Sachen“. 1907 korr., 1912 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien. M. war ab 1927 in dritter Ehe mit der Turnpädagogin Cornelie Benndorf (1880–1963), der Tochter des Archäologen Friedrich B. (s. d.), verheiratet. Sein aus zweiter Ehe stammender Sohn, Dr. med. Horand M. (* Wien, 15. 7. 1914), wurde in Berlin am 1. 6. 1943 aus politischen Gründen hingerichtet.

W.: Eddica, in: Z. für dt. Altertum und Literatur 37, 1893; Der german. Himmelsgott, in: Festgabe für R. Heinzel, 1898; Dt. Stammeskde., in: Smlg. Göschen, Bd. 126, 1900, 3. Aufl. 1920; Der Sagenstoff der Grímnismál, in: Z. für dt. Altertum und Literatur 46, 1902; Undensakre – Untersberg, ebenda, 47, 1905; Zur Rígpula, in: Prager dt. Stud. 8, 1908; Der german. Osten in der Heldensage, in: Z. für dt. Altertum und Literatur 57, 1920; Balder, ebenda, 61, 1924; Widsith, ebenda, 62, 1925; Der Eintritt der Germanen in die Weltgeschichte, in: Germanist. Forschungen. Festschrift . . . des Wr. akadem. Germanistenver., 1925; Wandal. Götter, in: Mitt. der Schles. Ges. für Volkskde. 27, 1926; Die Gaesaten, in: Z. für dt. Altertum und Literatur 69, 1932; Kommentar, zu: Tacitus, Germania, hrsg. von S. Gutenbrunner, 1937, 2. Aufl. 1959; etc. Zahlreiche Beitrr. für: Reallex. der german. Alterthumskde., 4 Bde., hrsg. von J. Hoops, 1911–1919; Lex. der Ernährungskde., hrsg. von E. Mayerhofer und C. Pirquet, 5 Lfg., 1923–26. Mithrsg.: Wörter und Sachen, 1909 ff.
L.: Wr. Ztg. vom 9. 3. 1936; Rathaus-Korrespondenz vom 8. 3. 1961 und 5. 10. 1962; Feierl. Inauguration, 1935/36; Almanach Wien, 1936; Mitt. der Anthropolog. Ges. in Wien 66, 1936, S. 271; Wer ist’s? 1905–35; Wörter und Sachen 18, 1937, S. VII ff.; Arkiv for nordisk filologi 53, 1937, S. 296 ff.; Verzeichnis der Schriften von R. M., 1932; Kürschner, Gel. Kal., 1925–35; Giebisch–Gugitz; Giebisch–Pichler–Vancsa; G. Berka, 100 Jahre Dt. Burschenschaft in Österr. 1859–1959, 1959, S. 70.
(O. Höfler)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 30, 1975), S. 400f.
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