Pekař, Josef (1870-1937), Historiker

Pekař Josef, Historiker. * Kleinrohozetz (Malý Rohozec, Böhmen), 12. 4. 1870; † Prag, 23. 1. 1937. Stud. 1888–92 Geschichte an der Tschech. Univ. Prag (1893 Dr. phil.), 1894 an den Univ. Erlangen (bei Bezold) und Berlin (bei Lenz); 1895/96 Gymnasialprof. in Prag, 1896/97 Präfekt der Strakovskáakad., 1897 Habil. an der Univ. Prag für österr. Geschichte, gleichzeitig Supplent dieses Faches; 1901 ao. Prof., 1905 o. Prof. Als Schüler der hist. Schule J. Golls (s. d.) machte er durch seine Habil. Schrift über die Wallenstein-Verschwörung auf sich aufmerksam, beschäftigte sich dann mit dem 10. Jh., mit Forschungen zur Agrar- und Wirtschaftsgeschichte nach der Schlacht am Weißen Berg sowie mit böhm. Steuerkatastern, womit er zur Entwicklung der böhm. Wirtschaftsgeschichte wesentlich beitrug. Schon in seinen frühen Stud. über Palacký (s. d.) kritisierte P. einige polit. Ausgangspositionen Palackýs von 1848 und betonte auch später das traditionelle böhm. staatsrechtliche Programm. Ab 1898 red. er, zuerst gem. mit J. Goll, die Z. „Český časopis historický“. In der polem. Schrift „Masarykova česká filosofie“ (Masaryks tschech. Phil.), 1912, ging er auf die method. Schwächen von Masaryks (s. d.) Arbeit ein, lehnte bes. den Hauptgedanken, daß der Sinn der böhm. Geschichte im religiösen Gedanken bzw. der Idee der Humanität bestehe, ab und stellte ihm den nationalen Gedanken gegenüber. Im Ersten Weltkrieg glaubte P. lange nicht an eine Niederlage der Mittelmächte. In seinen Schriften propagierte er deshalb eine Erneuerung des böhm. Staates im Rahmen einer föderalisierten österr. Monarchie und lehnte eine revolutionäre tschechoslowak. Unabhängigkeitsbewegung ab. Nach dem Umsturz behandelte er das Problem der Kriegsschuld und die Versuche zur Rettung der Monarchie durch einen Separatfrieden. Seine Abneigung gegen revolutionäre Veränderungen und wachsende Bemühungen, im Konservativismus ein wirksames Element der Konsolidierung zu finden, veranlaßten P. nach 1918, immer öfter als Kritiker der damaligen Verhältnisse aufzutreten (Erwägungen über die Bodenreform, Verteidigung des Johann v. Nepomuk-Kultes). In der Nachkriegszeit entstand langsam P.s neue Konzeption der böhm. Geschichte, die von der liberalist. Auffassung Palackýs abschwenkte und die Regeneration des tschech. Nationalbewußtseins in der Periode nach 1620 hervorhob. Er betonte jedoch die kulturelle Übermacht der tschech. kath. Minderheit, in deren patriot. Begeisterung er den Hauptgrund des nationalen Überlebens suchte. Er anerkannte die Hussitenbewegung als Höhepunkt der nationalen Geschichte, sprach ihr aber durch das Herausstellen ihres mittelalterlichen Charakters eine wichtige Rolle in der neueren europ. Geistesentwicklung ab. P. griff noch oft in die von ihm hervorgerufene Polemik ein und bemühte sich in seinen letzten Lebensjahren, einige grundlegende Fragen der böhm. Geschichte, bes. ihre Periodisierung, zu klären. P., einer der angesehensten geistigen Opponenten Masaryks, wurde deshalb auch oft im polit. Leben der I. Republik für den idealen Sprecher der Rechten gehalten. Er selbst aspirierte aber nicht auf diese Rolle und wies 1935 die angebotene Kandidatur für das Amt des Präs. der Republik zurück. Er war ein Befürworter des nationalen Ausgleiches mit der dt. Minderheit; seine konservative Denkweise und sein Mißtrauen gegenüber dem polit. Kurs der staatlichen Politik lenkten seine Blicke auf das Lager der dt. Rechten, was einige dem Nationalsozialismus nahestehende dt. Historiker als Rechtfertigung der dt. Okkupationspolitik mißbrauchten.

W.: Dějiny valdštejnského spiknutí (Geschichte der wallenstein. Verschwörung) 1630–34, 1895; Čechové jako apoštolové barbarství. Odpodvěd Th. Mommsenovi (Die Tschechen als Apostel der Barbarei. Antwort an Th. Mommsen), 1897; Nejstarší kronika česká. Ke kritice legend o sv. Ludmile, sv. Václavu a sv. Prokupu (Die älteste böhm. Chronik. Zur Kritik der Ludmilla-, Wenzel- und Prokoplegenden), 1903; Die Wenzel- und Ludmillalegenden und die Echtheit Christians, 1906; Kniha o Kosti (Über die Burg Kost), 2 Bde., 1909–11, 4. Aufl. 1970; F. Palacký, 1912; Dějiny naší říše (Geschichte unseres Reiches), 1914; České katastry (Böhm. Kataster) 1654–1789, 1915, 2. Aufl. 1932; Z české fronty (Von der tschech. Front), 2 Bde., 1917–19; Říjen 1918 (Oktober 1918), 1920; Světová válka (Der Weltkrieg), 1921; Tři kapitoly o sv. Janu Nepomuckém (Drei Kapitel über den Hl. Johann Nepomuk), 1921; Bílá Hora. Její příčiny a následky (Der Weiße Berg. Ursachen und Folgen), 1921; Objevy Bretholzovy čili od které doby sedí Němci v naší vlasti? (Die Entdeckungen von Bretholz oder seit wann wohnen die Dt. in unserer Heimat?), 1922; O vině na válce (Über die Kriegsschuld), 1924; Žižka a jeho doba (Žižka und seine Zeit), 4 Bde., 1927–33; Smysl českých dějin (Der Sinn der tschech. Geschichte), 1929; Svatý Václav (Der Hl. Wenzel), 1929; K českému boji státoprávnímu za války (Zum tschech. staatsrechtlichen Kampf während des Krieges), 1930; O periodisaci českých dějin (Über die Periodisierung der tschech. Geschichte), 1931; Valdštejn (Wallenstein), 2 Bde., 1933–34; Wallenstein, Tragödie einer Verschwörung, 2 Bde., 1936; etc. Zahlreiche Abhh. in Fachz., u. a. in Český časopis historický. Mitred.: Český časopis historický, 1898 ff.
L.: Právo lidu, 1930, n. 88; Národní politika, 1930, n. 101; Lidové noviny, 1930, n. 187, 1937, n. 42; Národní listy vom 12. 4. 1930 und 24. 1. 1937; Národní osvobození, 1930, n. 101 und vom 24. 1. 1937; Venkov, Národní politika und České slovo vom 24. 1., Central European Observer vom 5. 2., Prager Presse vom 11. 4. 1937; Naše revoluce, 1937, S. 21 ff.; Venkov vom 23. 1. 1940; Z. für dt. Geistesgeschichte, Jg. 2, 1936, S. 260 ff.; Saldův zápisník, 1937, S. 131 ff.; Le monde slave, 1937, S. 120 ff.; Věstník Československé akad. zemědělské, 1937, S. 109 ff.; Prager Rundschau, Jg. 7, 1937, S. 81 ff.; Brázda, 1937, S. 22 ff.; Časopis Moravského musea, 1937, S. 252 ff.; Časopis národníko musea, 1937, S. 169 ff.; Sobota, 1937, S. 81 ff.; Dějiny a přítomnost, 1937, S. 119 ff.; Český časopis historický, 1937, S. 237 ff.; Revue historique, Bd. 179, 1937, S. 236 ff.; L’Europe centrale, 1937, S. 89 ff.; Revue des études slaves, 1937, S. 180 ff.; Cesta, 1938, S. 2 ff.; Z. des Ver. für Geschichte Schlesiens, 1938, S. 380 ff.; K. Krofta, J. P., 1930; O J. P. Přìspěvky k životopisu a dílu (Über J. P. Beitrr. zu Leben und Werk), red. von R. Holinka, 1937; Na pamět J. P. národního historika (Dem nationalen Historiker J. P. zum Gedenken), red. von V. Černý, 1937; S Bohem J. P. (Abschied von J. P.), 1937; J. P. Jeho cesta demovem a životem (J. P. Sein Weg durch Heimat und Leben), red. von J. Hobzek, 1938; J. Hobzek, J. P., 1940; Z. Kalista, J. P., 1941; J. P. O jeho mládí, životě a odkazu (J. P. Jugend, Leben und Nachlaß), red. von J. Hobzek, 1941; E. Chalupný, Husitství, táboři a prof. P. (Hussitentum, Taboriten und Prof. P.), 1928; J. Slavík, Nový názor na husitství – Palacký či P.? (Neue Anschauung über die Hussitenbewegung – Palacký oder P.?), 1928; ders., P. contra Masaryk, 1929; K. Miklík, Masaryk a P.o smyslu českých dějin (Masaryk and P. über den Sinn der tschech. Geschichte), 1931; J. Pachta, Pekař a pekařovština v českém dějepisectví (P. und die Nachfolge P.s in der böhm. Geschichtssehreibung), 1950; R. G. Plaschka, Von Palacký bis P., in: Wr. Archiv für Geschicte des Slawentums und Osteuropas, Bd. 1, 1955, S. 71 ff.; Masaryk; Otto 19, 28, Erg. Bd. IV/2.
(K. Kučera)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 35, 1978), S. 395ff.
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