Thienemann Otto, Architekt. Geb. Gotha, Hg.tum Sachsen-Gotha (D), 11. 8. 1827; gest. Wien, 28. 11. 1905; evang. AB. Sohn des Fabriksbesitzers und späteren herzogl. Kammer-Konsulenten HR Johann Friedrich T.; ab 1860 verheiratet mit der Pastorentochter L(o)uise Hoffmann. – Nach der Realschule in Gotha stud. T. 1844–48 am polytechn. Inst. in Wien, der weitere Fortgang seines Stud. ist infolge der Revolutionswirren unklar; möglicherweise bildete er sich 1849–51 an der Berliner Bauakad. weiter. 1851 kehrte er nach Wien zurück und praktizierte bei →August Sicard v. Sicardsburg und →Eduard van der Nüll, später bei →Ludwig Förster. 1853–61 arbeitete T. bei der Kn. Elisabeth-Westbahn, wobei er insbes. mit dem Ausbau mehrerer Bahnhöfe befasst war (u. a. Hauptbahnhof Linz). 1868 wurde er Chefarchitekt der Kronprinz Rudolf-Bahn und 1874 Dir. der Militär-Bauges. Daneben wirkte er als freier Architekt und errichtete in Wien und Mähren neben Miethäusern und Villen auch eine Reihe von öff. Gebäuden. Der evang. Religionsgemeinschaft eng verbunden, plante er für diese mehrere Schulen und Ver.häuser. Zu seinen bedeutendsten Bauten in Wien zählen das Gebäude des Österr. Ing.-und Architekten-Ver. (Palais Eschenbach, 1872), der „Kärntnerhof“ (1873) mit seiner glasüberkuppelten Einkaufspassage und der „Grabenhof“ (1874), deren äußerst repräsentative Ausgestaltung sich an der Formensprache der italien. Renaissance orientiert. Er beteiligte sich auch an mehreren Wettbewerben, so in Wien um das Rathaus (1869, 2. Preis) und den Justizpalast (1874) sowie das Prager Rudolfinum (1875). Baurat T., ein gefragter Juror, gehörte zahlreichen Vereinigungen an, u. a. ab 1857 dem Österr. Ing.- und Architekten-Ver., 1861–98 der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), und erhielt mehrere hohe Ausz., u. a. 1872 Ritter des Franz Joseph-Ordens.