Uhlig, Viktor Karl (1857–1911), Geologe und Paläontologe

Uhlig Viktor Karl, Geologe und Paläontologe. Geb. Karlshütte bei Leskowetz, Schlesien (Frýdek-Místek, CZ), 2. 1. 1857; gest. Karlsbad, Böhmen (Karlovy Vary, CZ), 4. 6. 1911 (begraben: Wolschaner Friedhof, Praha, CZ); evang. AB. Sohn von Karl U. (1815–1893), Bergrat und Hüttenverwalter in Teschen, und von Leopoldine U., geb. Schmul (gest. 1894); ab 1893 mit Gabriele Bathelt, ab 1899 mit Louise Freiin v. Pechmann verheiratet. – Nach Besuch des evang. Gymn. in Teschen stud. U. 1874–76 Geol. und Paläontol. an der Univ. Graz, u. a. bei →Karl Ferdinand Peters, wo er 1875–76 auch als Demonstrator an der Lehrkanzel für Mineral. wirkte, sowie 1876–77 an der Univ. Wien bei →Eduard Sueß und →Melchior Neumayr; 1878 Dr. phil., Lehramtsprüfung für Naturgeschichte an Obergymn., 1880 für Mathematik und Physik an Untergymn. 1877–83 arbeitete U. als Ass. an der paläontolog. Lehrkanzel der Univ. Wien. Bereits 1875 führte ihn eine Exkursion in die Umgebung von Krakau, 1876 begleitete er Sueß durch die Alpen von Salzburg bis Udine, in die Sudeten und in den Glatzer Gebirgskessel sowie 1877 ins böhm. Silurgebiet. Im Sommer 1877 machte er eine Forschungsreise nach Neumarkt am Dunajec, 1878 nach Südtirol, in die Schweiz und in die Vulkanregion um Neapel. 1881 Habil. für allg. Paläontol. an der Univ. Wien, vertiefte er seine Kenntnisse auf einer Stud.reise nach München und Genf. 1881–83 Volontär an der Geolog. Reichsanstalt und Priv.Doz. an der Univ. Wien, wurde er 1887 Ass. an der dortigen paläontolog. Smlg. 1891 folgte er einem Ruf an die Lehrkanzel für Geol. und Mineral. der dt. TH in Prag; 1891 ao. Prof., 1893 o. Prof., lehnte er im selben Jahr eine Berufung nach Breslau ab. 1900 übernahm er als Nachfolger von Sueß die Lehrkanzel für Geol. an der Univ. Wien. U.s Hauptinteresse galt der Geol., Paläontol. und Stratigraphie der Karpaten und der Ostalpen. Er befasste sich u. a. mit der Stratigraphie und tekton. Deutung der piennidischen Klippen, bearb. paläontolog. Material aus dem Kaukasus sowie dem Himalaya (Spitischichten) und gab nach langem Widerstand die Theorie der Wurzelständigkeit der Karpaten auf. Ab 1903 widmete er sich der Faltentektonik, schloss sich 1907 der Deckenlehre an und erkannte das Abtauchen des variszischen Faltengebirges der Sudeten unter das Alttertiär der Karpaten. Gem. mit →Friedrich Becke und seinen Schülern machte er Detailaufnahmen in den Radstädter Tauern, behandelte Fragen zum prakt. geolog. Schutz der Karlsbader Thermen, zu Erzlagerstätten in Österr. und in den Karpaten sowie zu Hangbewegungen. U. bearb. 1895 die Neuausg. von Neumayrs „Erdgeschichte“ und verf. 1903 in „Bau und Bild Österreichs“ eine Darstellung der Geol. des Karpatenbogens. Weiters galt er als Begründer der Paläogeographie von Jura und Kreide, arbeitete über Foraminiferen, Ammoniten und Brachiopoden aus den Südalpen, wobei er in Foraminiferen keine Leitfossilien, sondern nur Faziesanzeiger sah. U., der Österr. 1897 auf dem Internationalen Geologenkongress in Russland vertrat und 1903 am 9. Internationalen Geologenkongress in Wien teilnahm, war u. a. ab 1881 Korrespondent der Geolog. Reichsanstalt und Mitgl. der Dt. Geolog. Ges., ab 1891 Mitgl. der physiograph. Komm. der AU in Krakau, ab 1894 k. M., ab 1901 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien, ab 1901 Ehrenmitgl. des naturwiss.-med. Ver. Lotos in Prag, ab 1903 Ehrenmitgl. der Ges. der Wiss. in Bukarest sowie k. M. der Ges. der Wiss. in Göttingen, der Ung. Geograph. Ges., der Société belge de géologie in Lüttich und Adjunkt der k. Leopoldin.-Carolin. Dt. Akad. der Naturforscher in Halle. 1903 erhielt er die Szabó-Medaille der Ung. Geolog. Ges., 1909 die Goldene Cothenius-Medaille der Leopoldina. 1907 fungierte er als Mitbegründer und erster Präs. der Geolog. Ges. in Wien.

Weitere W.: s. Inauguration Univ. Wien; Poggendorff; Branca; Sueß; Liebus.
L.: NFP, 7. 9. 1900, 6. (Nachmittagsbl.), 9., 22., Prager Tagbl., 8. 6. 1911; Almanach Wien 62, 1912, S. 335ff. (m. B.); Biograph. Jb. 16, 1914, S. 109ff.; Inauguration Univ. Wien 1911/12, 1911, S. 52ff. (m. W.); Poggendorff 4 (m. W.); O. Ampferer, in: Verhh. der k. k. geolog. Reichsanstalt, 1911, S. 209ff.; G. Steinmann, in: Geolog. Rundschau 2, 1911, S. 367ff. (m. B.); W. Branca, in: Z. der Dt. geolog. Ges. 63, 1911, S. 385ff. (m. B. u. W.); F. E. Sueß, in: Mitt. der Österr. Geolog. Ges. 4, 1911, S. 449ff. (m. B. u. W.); A. Liebus, in: Lotos 59, 1911, S. 217ff. (m. B. u. W.); L. Kober, in: Mitt. des Naturwiss. Ver. an der Univ. Wien 9, 1911, S. 93ff.; F. Schafarzik, in: Földtani közlöny 42, 1912, S. 221ff., 243ff. (m. B.); R. Kettner, in: Časopis pro mineralogii a geologii 2, 1957, S. 458ff. (m. B.); H. W. Flügel, in: Österr. Ges. für Geschichte der Naturwiss. 12, 1992, S. 101ff.; Slovenský biografický slovník 6, 1994; Geolog. Bundesanstalt, UA (m. B.), beide Wien.
(T. Cernajsek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 60f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>