Wachnianyn (Wachnianin, Vachnjanyn), Anatol (Natal’) (1841–1908), Politiker, Komponist, Schriftsteller und Lehrer

Wachnianyn (Wachnianin, Vachnjanyn) Anatol (Natal’), Politiker, Komponist, Schriftsteller und Lehrer. Geb. Sieniawa, Galizien (PL), 19. 9. 1841; gest. Lemberg, Galizien (Lʼviv, UA), 11. 2. 1908; griech.-kath. Sohn des griech.-kath. Pfarrers Kliment W. – Nach Absolv. des Gymn. in Przemysl, wo er als Sängerknabe des griech.-kath. Domchors schon früh auch eine musikal. Ausbildung erhielt, besuchte W. ab 1863 das Priesterseminar in Lemberg und stud. Theol. an der dortigen Univ. Ab 1863 war er daneben als Supplent am Obergymn. tätig. 1865–68 hörte er Vorlesungen aus Geschichte und Geographie an der phil. Fak. der Univ. Wien, wo er 1868 die Lehramtsprüfung ablegte. I. d. F. arbeitete er als Lehrer am ruthen. Gymn. in Lemberg. W. gehörte zur ersten Generation der ukrainophilen „Populisten“ der 1860er-Jahre, die das ukrain. Nationalbewusstsein durch Kultur und Bildung stärken wollten. Zu diesem Zweck initiierte er zahlreiche Ver., u. a. den Studentenver. Hromada in Przemysl (um 1865), den Turnver. (mit Chor) Sič in Wien (1868), den Volksbildungsver. Prosvita in Lemberg (1868; bis 1870 erster Präs.), den Lemberger pädagog. Ver. (1883) sowie den Gesangsver. Bojan (1890). Außerdem wirkte er als Red. zahlreicher Periodika, namentl. der „Pravda“ (ab 1867), in den 1870er-Jahren das Hauptorgan der ukrainophilen „Jungruthenen“, sowie des „Dilo“ (ab 1880), der ersten polit. Tagesztg. desselben Lagers. 1885 gehörte W. zu den Gründern des polit. Ver. Narodna Rada, der auch als Wahlorganisation fungierte. In den 1890er-Jahren kam es zu einer Spaltung der Jungruthenen in einen konservativen Flügel, dem W. angehörte (1896 Mitbegründer des Kath. Ruthen.-Nationalen Ver. und dessen Organ „Ruslan“) und einen progressiven, in nationaler Hinsicht radikaleren Flügel. Unter dem Signum von Katholizismus und nationaler Mäßigung im Verhältnis zum poln. dominierten Establishment zog W. in den LT (1895–1901) und RR (1897–1900) ein. Im RR gehörte er gem. mit fünf weiteren gemäßigten Ruthenen der Fraktion des Slaw. Christl.-Nationalen Verbands an, der vorwiegend aus südslaw. klerikalkonservativen Abg. bestand. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik widmete sich W. der Publizistik sowie v. a. der Musik und fungierte bis zu seinem Tod als erster Dir. der von ihm 1903 gegr. Musikhochschule in Lemberg (heute Lʼvivska nacionalʼna muzična akad. im. M. Lysenka). Von musikhist. Bedeutung ist W. nicht zuletzt als Komponist und Librettist der ersten ukrain. Oper in Galizien, „Kupalo“, die in der Zeit der Freiheitskämpfe der ukrain. Kosaken gegen die Türken (16. Jh.) angesiedelt ist. Sie verbindet westeurop. Operntraditionen mit Elementen der ukrain. Folklore. Neben weiteren Bühnenwerken schuf er mehrere Chor- und Sololieder für Singstimme und Klavier sowie Chorbearb. ukrain. Volkslieder. Er verf. zudem zahlreiche musikästhet., literaturkrit., folklorist., hist. und geograph. Stud. und publ. auch einige Erz.

Weitere W.: Spomyny z moho žyttja, 1908.
L.: Adlgasser; oeml; T. Batenko, A. V. (1841–1908). Bilja dzerel nacional’noho vidrodžennja, 1998; H. Binder, Galizien in Wien, 2005, s. Reg. (s. Vachnjanyn); Parlamentsarchiv, UA, beide Wien.
(H. Binder)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 382f.
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