Weber, Julius (1880–1942), Journalist

Weber Julius, Journalist. Geb. Kulików, Galizien (Kulykiv, UA), 10. 10. 1880; gest. Ghetto Brazlaw, Rumänien (UA), 23. 9. 1942; mos. Nach dem Besuch des Gymn. in Frankfurt am Main begann W. eine Rabb.ausbildung ebd., gab diese aber nach kurzer Zeit auf und ging nach Ungarn. Danach stud. er nach eigenen Angaben an der Univ. Gießen sowie an der Pariser Sorbonne (nicht belegt). 1904 ging er nach Czernowitz und wandte sich dem Journalismus zu. Er wurde zunächst Reporter bei der „Czernowitzer Allgemeinen Zeitung“ und schrieb für sie später auch Leitartikel. Anschließend wurde er Mitarb. der „Frankfurter Zeitung“ und anderer Lokalbll. 1908 erschien seine Smlg. „Czernowitzer Porträts“ über führende Persönlichkeiten und Presseleute der Landeshauptstadt in Buchform. 1908–13 red. er die von →Benno Straucher hrsg. „Volkswehr“. Später gründete W. zwei kurzlebige Z., „Das kleine Journal“ (1910) und „Der Schlager“ (1912). Während des 1. Weltkriegs arbeitete er u. a. als Kriegskorrespondent für den „Pester Lloyd“ und das „Neue Wiener Tagblatt“. Eine Smlg. seiner Reportagen veröff. er 1915 unter dem Titel „Die Russentage in Czernowitz“. Anfang 1918 gründete er gem. mit Elias Weinstein als Nachfolger des „Czernowitzer Tagblatts“ das „Czernowitzer Morgenblatt“ und fungierte knapp 20 Jahre als dessen Chefred. Es gelang ihm, einige bedeutende Journalisten und Literaten, darunter Alfred Margul-Sperber, Klara Blum, Salomon Kassner, Max Diamant oder Berthold Frucht, als regelmäßige Mitarb. zu gewinnen. Die Ztg., die bis 1939 erschien, sah sich als liberales bürgerl., parteiunabhängiges Bl. und nach der Eingliederung der Bukowina in den rumän. Staat als Organ der dt.sprachigen Bevölkerung sowie der jüd. Minderheit und grenzte sich deutl. nicht nur gegenüber der rumän., sondern auch gegenüber der örtl. dt.nationalen und sozialist. Presse ab. Dabei war sie bestrebt, die internationalen Verbindungen trotz Schwierigkeiten im Nachrichtenaustausch etwa mit Österr. oder Dtld. weiterhin aufrechtzuerhalten. Obwohl sie sich nie als jüd.-national verstand, wurden später gewisse Sympathien für das Lager des Revisionisten Vladimir Jabotinsky erkennbar. Die Ztg. hatte eine Aufl. zwischen 5.000 und 10.000 Stück. Bes. erwähnenswert war W.s jahrelanger Kampf gegen die Wohnungsnot; so zählte er zu den Mitbegründern des örtl. Mieterver., der ersten derartigen Organisation in Rumänien. Weiters gehörte er ab 1929 dem Czernowitzer Gmd.rat an und initiierte in seinem Bl. bes. in den ersten Nachkriegsjahren verschiedene soziale Aktionen zur Linderung kriegsbedingter Nöte. Dem Czernowitzer Journalistensyndikat stand er jahrelang als Obmann vor. Er soll auch ein Förderer der „Großen Jüdischen National-Biographie“ gewesen sein. Aufgrund der antijüd. Gesetze in Rumänien musste W. die Chefred. des „Morgenblatts“ Ende 1937 abgeben und schied Ende 1939 endgültig aus der Red. der Ztg. aus, die Ende Juni 1940 eingestellt wurde. Anfang Juni 1942 wurde er aus Czernowitz in das Ghetto Brazlaw deportiert und von der SS erschossen.

L.: Wininger 7; E. Weinstein, in: Geschichte der Juden in der Bukowina, ed. H. Gold, 1, 1958, S. 127ff.; M. Reifer, ebd. 2, 1962, S. 13ff., 75; Die Stimme. Mitt.bl. für die Bukowiner 30, 1974, Nr. 296, S. 3; A. Kittner, Erinnerungen 1906–91, ed. E. Silbermann, 1996, S. 75; P. Rychlo, in: „… zwischen dem Osten und dem Westen Europas“. Dt.sprachige Presse in Czernowitz bis zum Zweiten Weltkrieg, ed. S. Marten-Finnis – W. Schmitz, 2005, S. 75ff.; Z. Yavetz, Erinnerungen an Czernowitz, 2. Aufl. 2008, S. 220ff.; M. Hausleitner, in: Dt.sprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848–1948), ed. A. Corbea-Hoișie u. a., 2008, S. 437ff.; I. Rostoş, Czernowitzer Morgenbl., 2008; I. Rostoş, in: Presselandschaft in der Bukowina und den Nachbarregionen, ed. M. Winkler, 2011, S. 97ff.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 30
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