Weiß, Karl; Ps. Karl Struve (1826–1895), Archivar und Bibliothekar

Weiß Karl, Ps. Karl Struve, Archivar und Bibliothekar. Geb. Wien, 13. 2. 1826; gest. ebd., 23. 12. 1895; röm.-kath. Sohn eines befugten Branntweiners; ab 1862 mit Wilhelmine Antonia W., geb. Faber (1834–1902), verheiratet. – W. besuchte 1837–42 das Piaristengymn. in der Josefstadt und absolv. 1842/43 den ersten phil. Jg. an der Univ. Wien. 1843 trat er in den Dienst des Magistrats der Stadt Wien ein, wurde 1844 Praktikant und schon 1845 von Bgm. →Ignaz Czapka v. Winstetten in die Präsidialkanzlei berufen, wo er 1847 zum Kanzleiakzessisten, 1851 zum Kanzleioffizial und 1858 zum Kanzleidion.-Adjunkten aufstieg. Bereits in diesen Funktionen engag. sich W. für die wiss. Erforschung der Wr. Stadtgeschichte und regte die 1856 erfolgte Gründung einer Stadtbibl. an. Im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung von 1859 betrieb er gewerbegeschichtl. Forschungen. Nach der im Mai 1863 vom Gmd.rat vollzogenen Trennung des Archivs von der Registratur erhielt W. im November jenes Jahres die ausgeschriebene Stelle eines Archivars und Chronisten mit wiss. Vorbildung. In weiterer Folge übernahm er 1870 zudem die Führung der Stadtbibl. 1874 wurde er offiziell zum Archiv- und Bibl.dir. ernannt, ein Amt, welches er bis 1889 versah. 1874 wurde er mit der Leitung des 1873 gegr. Waffenmus. betraut. Dieses bildete die Keimzelle des Hist. Mus. der Stadt Wien. Da die Aufgabenfülle der drei Bereiche stark zunahm, erstellte W. vor seiner Pensionierung ein Gutachten, in welchem er die Trennung des Archivs von den „städtischen Sammlungen“ (Bibl. und Mus.) anregte. Diese Trennung wurde im Juni 1889 per Gmd.ratsbeschluss vollzogen. W. machte sich jedoch auch um die Stadtchronistik verdient. 1863 begründete er den „Wiener Kommunal-Kalender“, in dem alljährl. eine von ihm zusammengestellte Chronik veröff. wurde. Ab 1868 erstellte er für Bgm. →Cajetan Frh. v. Felder Konzepte für die von diesem hrsg. Verwaltungsberr. Zu seinen bedeutendsten wiss. Publ. zählen „Geschichte der öffentlichen Anstalten, Fonde und Stiftungen für die Armenversorgung in Wien“ (1867), „Wien’s ältester Stadtplan aus den Jahren 1438–1455“ (1869), die FS aus Anlass der Vollendung des neuen Rathauses (1883), „Das bedrängte Wien. Eine politisch-finanzielle Studie“ (1885) und v. a. seine „Geschichte der Stadt Wien“ (1872, 2. stark erw. Aufl. 1882). W. gab „Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien“ (2 Bde., 1877–79, bearb. von →Johann Adolf Tomaschek Edler v. Stradowa) heraus. Weiters veröff. er Beitrr. in den „Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“ (1853–63), im Jb. dieser Komm. (1856–60) und in →Rudolf v. Eitelberger-Edelbergs „Mittelalterlichen Kunstdenkmälern“. Journalist. war W. ab 1854 als ständiger Mitarb. der „Wiener Zeitung“ tätig, 1876 red. er das „Kunstblatt“ der „Neuen Freien Presse“. Er veröff. in den 1850er-Jahren unter Ps. belletrist. Beitrr. in Z. (beispielsweise „Der Sammler“, „Sonntagsblätter“) zu Themen wie „Die Wiener Haupt- und Staatsaktionen“ und „Wiener Theatergeschichte“. W. regte die Anlage des Ehrengräberhains auf dem Wr. Zentralfriedhof an, entwarf das Programm für die plast. und maler. Ausgestaltung des Neuen Rathauses, leitete die hist. Ausst. 1873 (anlässl. der Weltausst.) und 1883 (anlässl. der 200-Jahr-Feier der 2. Türkenbelagerung und der Eröffnung des Rathauses) und wirkte 1879 an den Vorbereitungen für den Makartfestzug mit. W. war Ausschussmitgl. des Alterthumsver. zu Wien (1858–63), Mitgl. des Ver. für Landeskde. von NÖ und des Wr. Dombauver. Er erhielt die Goldene Medaille für Kunst und Wiss. (1862), das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens (1872) und wurde 1884 zum Reg.Rat ernannt.

L.: WZ, 24. 12. 1895; Giebisch–Gugitz; Renner, Nachlässe; Wurzbach; H. Tschulk, Die Entwicklung des Wr. Stadtarchivs zur wiss. Anstalt, phil. Diss. Wien, 1980, S. 217ff.; W. Mayer, Nachlässe, 1988, S. 27f.; F. Opll, Geschichte des Wr. Stadt- und Landesarchivs, 1994, S. 67; Wien Geschichte Wiki (m. B., Zugriff 28. 1. 2019); Pfarre Alservorstadt, Wien.
(A. Weigl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 94f.
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