Witte, Eduard August (1838–1910), Kaufmann

Witte Eduard August, Kaufmann. Geb. Gera, Reuß-Gera (D), 4. 11. 1838 oder 1839; gest. Brunn am Gebirge (NÖ), 25. 6. 1910; evang. AB. Sohn von Johann August W. und Ernestine Christine W., geb. Zobel, Vater u. a. des Malers Eduard Franz W. (geb. Wien, 25. 2. 1871) und des Gewerbetreibenden Gustav August W. (geb. Wien, 8. 1. 1876; gest. ebd., 1938), Onkel von Carl W.; ab 1864 verheiratet mit Catharina (Katharina) W., geb. Kiesl (geb. München, Bayern/D, 31. 5. 1845). – W. kam 1863 nach Wien, erwarb das Lokal der Fa. Traugott Feitl in der Giselastraße (heute Bösendorferstraße) und errichtete in der Kärntner Straße ein Geschäft für billige Porzellan- und Kurzwaren, die er aus Dtld. nach Wien importierte. Im Jahr darauf eröffnete er ein Geschäft nach dem gleichen Modell in Brünn, gegenüber der Oper, und 1865 in Troppau, wieder in bester Lage. W. knüpfte ein Handelsnetz mit Hilfe von Kompagnons in den Prov.städten, die nach Eigenkapitaleinlage Geschäfte zur Abnahme seiner en gros gekauften Waren betrieben. In Wien vergrößerte er seinen ursprüngl. kleinen Laden zu einem Warenbazar und hatte ab Mai 1872 eine Filiale in der Praterstraße. Zudem erweiterte er ständig seine Produktpalette und vertrieb bald auch Kinderspielzeug, Feuerwerkskörper, billige Wien-Souvenirs, Uhren etc. 1870 verkaufte W. erstmals Christbaumschmuck in Form von sog. Miniatur-Ballons (Lampions) und ab 1872 Glaskugeln und früchte. Für die Faschingssaison spezialisierte er sich auf Scherzartikel und auf die in Heimarbeit von seiner Frau und seinen Töchtern erzeugten sog. Cotillon-Orden (Abzeichen, die bei Bällen getragen wurden) sowie auf Anleitungen zu Tänzen und Ges.spielen. Ab den 1890er-Jahren war er auch Lieferant für Damenspenden bei zahlreichen Bällen nicht nur in Wien. Im Sommer bewarb er vorwiegend Hängematten, Lampions und andere Beleuchtungskörper. W. machte in mitunter ganzseitigen Ztg.inseraten Reklame und ließ kostenlose Preisbll. drucken. Ab 1864 gab er „Witte’s Illustrierte Nachrichten“ heraus, Kat. mit seinem Warenangebot, die vierteljährl. erschienen, eine Aufl. von 80.000 Stück erreichten und unentgeltl. monarchieweit verschickt wurden. Bereits ab 1868 konnte man alle Waren auch über Versand beziehen. W. richtete dafür eigens eine Export-Abt. ein. Immer wieder erwarb er auch Patente, wie für einen mikroelektr. Zündapparat 1883, oder exklusive Vertriebsrechte, etwa für die „original italienische Ocarina“ 1877. Unterstützt wurde W. von seinem Neffen Carl W., der sich nicht nur finanziell einbrachte, sondern später auch die Geschäftsleitung übernahm. Im Juni 1884 übersiedelte W. in größere Räumlichkeiten in die Magdalenenstraße (Wien 6). Während der Wienflussregulierung 1892 drang Hochwasser in die Kellerräume ein und vernichtete Lagerbestände. Nach Freiwerden von Geschäftsräumen der Kerzenfabrik Wagenmann im Haus konnte W. seine Verkaufsfläche verdoppeln. W. war ab 1871 Mitgl. des Gremiums der Wr. Kaufmannschaft. Er nahm u. a. 1880 an der Nö. Gewerbeausst. und 1885 an der Weltausst. in Antwerpen teil. 1887 wurde die Fa. Ed. Witte in das Handelsreg. eingetragen. Eine bes. Ausz. widerfuhr ihm und seiner Fa., als er 1898 bei der Jubiläumsausst. in der Rotunde dem K. vorgestellt wurde. Im Jahr darauf lieferte er die Dekorations- und Illuminationsartikel für die Feierlichkeiten anlässl. der Vermählung der Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz mit Prinz Danilo am montenegrin. Hof in Cetinje.

L.: Neuigkeits Welt-Bl., 10. 8. 1899, 6. 12. 1900, 15. 8. 1901; NWT, 5. 8., NFP, 5. 12. 1900; Dt. Volksbl., 27. 6. 1910 (Parte); W. Filek-Wittinghausen, Aus der Schatz-Kammer der Wr. Kauffmannschafft, 1987, S. 102ff.; evang. Pfarre AB Innere Stadt, WStLA, beide Wien.
(R. Müller)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 288f.
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