Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten
Politischer Bezirk St. Veit an der Glan
140 |
Wien, Museum für angewandte Kunst |
Mitte 15. Jh. |
Wandteppich mit Wildleuten und Fabeltieren aus Wolle und acht Kettfäden pro cm, ehemals in einem der Repräsentationsräume des bischöflichen Schlosses Straßburg, ist nach einer vorübergehenden Aufbewahrung im Landesmuseum Kärnten heute im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien (Inv.-Nr. T 9124). Der schwarze Hintergrund ist mit grünen Blattranken dekoriert, darauf sind abwechselnd ein jugendlicher „Wilder Mann“ und ein Fabeltier angeordnet, insgesamt handelt es sich um je vier Figuren. Über den Wildleuten finden sich vier Spruchbänder, auf weißem Grund eine Minuskelschrift mit schwarzen, roten und blauen Bu., die Is. (I) ergibt zusammenhängend einen Spruch. Eingestreut sind in die grünen Blattranken, Zweige und Laubblätter einzelne Bu. (II) und so genannte Liebesknoten. Die Fellkleider der Wildleute sind farblich bunt gehalten, wie auch die Fabeltiere, eines davon ist als Einhorn zu erkennen1), deren Felle mit Rapportmustern dekoriert sind; zwei Wildleute halten kleine Peitschenbündel in den Händen. In der Farbigkeit überwiegen die Rot- und Blautöne.
H. 70 cm, B. 353 cm. – Gotische Minuskel.
Textedition
I.
disse · tierlei͜n · will · ich · triben ·
vnd · wil · on · die · welt beliben //
das han ich wol enpfhvnden
zv disen dierlin han ich mich v(er)bv(n)den //
mit disen dierlin svn wier vns be gan
die welt git bvssen lon //
die welt ist wntrwen fol
mit dissen dierlin ist vns wol
II.
t v b o r e n g
Anmerkungen
Kommentar
Der Straßburger „Wildleute-Teppich“2) gehört zu einer Gruppe ähnlicher Exponate, deren Entstehungsort vermutlich die Stadt Basel in der Schweiz gewesen war. Die Fertigung erfolgte in einem professionellen Atelier, dafür sprechen die genaue Zeichnung und „die ungewöhnliche Feinheit von acht Kettfäden pro Zentimeter“3). Die Darstellung hat Parallelen in der bildenden Kunst ebenso wie in der Literatur – vor allem die so genannten Wildleute –, die Thematik des Teppichs verweist auf einen profanen Gebrauch desselben. H. Göbel gibt eine Deutung der Darstellung und der Verse4): „Die Schriftbänder sagen unzweideutig, dass die Waldmenschen sich gerade von den Tücken der Welt abwenden und zu den „dierlin“ flüchten, die im vorliegenden Fall aber unmöglich das böse Sinnen verkörpern können. Es geht ebensowenig an, die Waldmenschen mit den schlimmen Seelenregungen des vielgeplagten Homo in Verbindung zu bringen, sie würden sich nicht so abfällig über die Tücken der Welt äußern ... Es bleibt als Schlussergebnis die Folgerung, dass die Waldmenschen das aus der Literatur des 14. und 15. Jahrhunderts wohlbekannte Klagenlied der Untreue singen, dass die eingestreuten Tiere die unberührte, phantastische Natur verkörpern ... Die Liebesknoten sind lediglich Ornamente, sie lägen sonst, von den enttäuschten Waldleuten zerpflückt, auf dem Boden. Ähnlich verhält es sich möglicherweise mit den Initialen.“
Literatur
Friedrich Wilhelm Leitner
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Reimspruch (I).