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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

159 Gurk, Stiftsanlagen, Lapidarium 1472

Wappengrabplatte aus weißem Marmor der Barbara Freiberg-Lazz im westseitigen Arkadengang des Propsthofes; diese Platte hat sich nur sehr schlecht erhalten, weil sie bei ihrer Zwischenlagerung am Boden des Kreuzganges mit dem Bildfeld nach oben gelagert war und außerdem direkt im Bereich der Dachtraufe gelegen hatte. Die linke untere Ecke ist zur Gänze weggebrochen und nicht mehr vorhanden1), der Stein ist auf seiner Schriftleiste oben und rechts weitgehend zerstört, so dass eine Wiedergabe der hier eingemeißelten Inschrift nicht mehr möglich ist. Das vertiefte Bildfeld ist durch ein pilasterartiges Architekturelement als Andeutung eines Kreuzschaftes in zwei Teile geteilt und wird belegt mit vier W.-Schilden, von denen nur die beiden oben nebeneinander gereihten Relief-W. noch kenntlich sind, die beiden darunter angebrachten Schilde sind verwittert und nicht mehr zu blasonieren (vorausgesetzt, sie waren überhaupt bearbeitet). Auf der Rahmenleiste sind Reste einer umlaufenden Inschrift zu erkennen.

H. ± 260 cm, B. 90 cm, Bu. 7 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

[Hie · l]eyt [· begra/ben · Fraw · Barbara · Freibergerin · Veytn ·] von · l[azz ... / – – – die · gestorben /.. ist · am .…. ta]g · var · Weinacht(e)n · A(n)no · d(omi)ni · Mo · cccc · [lxxii]a)

Anmerkungen
a) Die Beschriftung des Steines hat während der unsachgemäßen Zwischenlagerung von 1983 bis 1998 arg gelitten; Bestand von 1983: Hi[e · ]leyt · beg[r]a/ben · Fr[a]w · Barbara · Freibergerin · [Veyt]n · von · la[zz [... / – – – die · gestorben /..] ist · am · […. ta]g · var · Weinacht(e)n · A(n)no · d(omi)ni · Mo · cccc · lxxi[i]
b) Möglicherweise zu ergänzen mit [erita]g.

Datum: 1472 Dezember 22.

Wappen: Lazz2), Freiberg3).


Kommentar

Zur Datierung und Zuordnung dieses Grabdenkmales bieten sich mehrere Ansatzpunkte an. Das Formular der Grabinschriften von Sigismund Freiberger (vgl. Kat.-Nr. 155) ist identisch dem des Veit von Lazz (vgl. Kat.-Nr. 162). Die drei Wappengrabplatten sind einwandfrei aus gleichem Material gearbeitet, einem weißen Marmor. Weiters kann auf Grund der überlieferten Wappen eine genealogische Hypothese aufgestellt werden: Der oben erwähnte Veit von Lazz war mit einer Barbara verheiratet, deren Familienname nicht bekannt ist. Geht man von der Anordnung der Wappen aus, wäre das obere linke Wappen das des Mannes, das obere rechte das der Frau. Demnach wäre Veit von Lazz mit einer Barbara von Freiberg(er) verheiratet gewesen. Möglicherweise war sie eine Tochter des Jakob von Freiberg und damit die Schwester der beiden Söhne Wenzel und Sigismund von Freiberg. Ein Naheverhältnis zu dem 1469 verstorbenen Sigismund Freiberger wird noch aus einem dritten Grund in Erwägung zu ziehen sein. Der sehr gut erhaltene Grabplatte des Sigismund Freiberger ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vom gleichen Steinmetz gearbeitet worden, der auch die Wappengrabplatte der Barbara von Freiberg gemacht hat. Die stilkritischen Merkmale lassen sich von dem pilasterartigen Architekturelement als Andeutung eines Kreuzschaftes im Bildfeld über die Form der Grabplatte bis zur Beschriftung nachvollziehen. Gerade die nahezu identische „Schreibweise“ auf diesen beiden Grabplatten mit den auffallend zierhaft gestalteten Versalien – direkt vergleichen kann man das symmetrisch geformte unziale A und M – lassen eine Werkstätte vermuten. Die Änderung der „Schrägspitze“ im Wappen der Freiberg folgt der heraldischen Komposition am Grabdenkmal und ist für diese Zeit nichts Außergewöhnliches. Der Zeitabstand zwischen den beiden Grabplatten beträgt tatsächlich nur drei Jahre, weil Barbara von Freiberg nach dem Gurker Nekrolog4) am 22. Dezember 1472 gestorben ist. Die auf der linken Schriftleiste erhaltene Datierungsformel ist nur schwer zu lesen, da einerseits der Versal schwer zu entziffern ist und eher einem G oder B entspricht, andererseits Teile der Bu. ausgebrochen sind, so dass Ober- und Unterlängen nur mehr schwer oder gar nicht mehr feststellbar sind. Geht man von einer Todeszeit um den 22. Dezember aus, zeigt sich doch eine sehr brauchbare Lösung5): Der Versal war als W zu lesen, es folgen ein e, i, n, a, c, h (mit fehlenden Ober- und Unterlängen), t und n. Damit war „Weihnachten“ als Richtzeitpunkt angegeben, die Tagesdatierung ist dann mit [erit]ag. var · Weihnacht(e)n zu ergänzen und deckt sich damit ganz genau mit den Angaben im Nekrologium von Gurk: das Todesdatum wäre demnach Dienstag, der 22. Dezember 1472. Mit dieser Angabe ist sie auch sicher die Gattin des Veit von Lazz, dessen Grabplatte ebenfalls bei der „Notgrabung“ 1983 geborgen werden konnte. Schließlich läßt sich auch bei einem paläographischen Vergleich der Beschriftung mit dem Stein des Veit von Lazz derselbe Formenkanon einer gotischen Minuskelschrift aus einer Werkstätte feststellen, ein Befund, der auch hier wieder durch die Versalien nur noch zusätzlich bestätigt wird. Mit dieser Zuordnung des Grabdenkmals an eine Barbara von Freiberg schließt sich auch die Argumentation für die Aufstellung der drei Steine im Kreuzgang in Gurk. Sigismund von Freiberg war, wie schon erwähnt, Gurker Vasall und wird im Gurker Nekrolog6) im Anhang zum „Nekrologium II.“ auch unter der „Vigilie secularium virorum“ angeführt, wie auch Veit von Lazz, der aber offensichtlich in keinem Dienstverhältnis zur Gurker Kirche gestanden hatte. Seine Verbindung zu Gurk und seiner Grablege im Gurker Kreuzgang kann demnach wohl nur seine Ehefrau Barbara, geborene von Freiberg, gewesen sein. Die Wappengrabplatte steht heute neben der ihres Mannes Veit von Lazz und ihres Verwandten Sigismund von Freiberg im westseitigen Arkadengang des Propsteigebäudes7).

1) Das fehlende untere Bruchstück der Grabplatte soll sich später im Klostergarten des Salvatorianerstiftes zu Gurk befunden haben, war aber bei einem Ortsaugenschein dort nicht mehr auffindbar.
2) Weiß A., Kärnthens Adel 210. – Die beiden oberen zeigen links das Wappen der Herren von Lazz, rechts ist das Wappen der Freiberger: hier als Allianzwappen mit einander zugekehrten Wappenbildern (einer rechten Schrägspitze).
3) Vgl. Kat.-Nr.155, Anm. 2.
4) Schroll, Necrologium Gurk 38.
5) Für die freundliche Unterstützung bei der Lesung dieses Wortes danke ich recht herzlich Frau Mag. Gertrud Mras und Frau Dr. Renate Kohn vom Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie lieferten auch die wahrscheinlich richtige Lesung des Versals.
6) Schroll, Necrologium Gurk 42.
7) Leitner F., Neufunde 496f., Abb. 523.
Literatur

Leitner F., Neufunde 496f., Abb. 523. – Dehio Kärnten 2001, 266.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 159,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj159.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Gurk, Stiftsanlagen, Lapidarium    •  Wappengrabplatte  •  Marmor  •  Gotische Minuskel mit Versalien  •  Inschriften des Totengedenken  •  FreibergBarbaraJakobSigismundWenzel  •  Gurk, Propsteigebäude

Abbildungen

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Abb. 98: Grabplatte Barbara
Freiberg-Lazz (1472)
©  Landesmuseum Kärnten (Ulrich Peter Schwarz)