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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

39 Friesach, Dominikanerkloster 1330

Grabplatte im Kreuzgang beim Seiteneingang in die Kirche, in die Mauer eingefügt; die einfache Grabplatte ist schmucklos und trägt eine 20-zeilige Is., die in drei Einzeliss. (I–III) besteht. Der Stein ist an seiner rechten Seite stellenweise stärker abgeschlagen und die Bu. sind dort teilweise nicht mehr zu lesen. Durch die derzeitige Zweitverwendung der Räumlichkeiten ist der Stein nur bedingt zugänglich.

H. 210 cm, B. 70 cm, Bu. ± 6,5 cm. – Frühe gotische Majuskel.


Textedition
			

I. + AN(NO) · DO(MIN)Ia) · M · CC / LXXo · VIo · XIIIJ +/ KAL(ENDAS) · JVN(II) · PILGRI/MUS · CELL(ER)ARI(US)b) / OB(IIT) II. AN(N)Oc) · DO(MINI) · Mo CCC · XX/VII · XVII · K(A)L(ENDAS) · NO/VEMB(RIS)d) · UOLR[ICV]/Se) · DE GRAD[EIS]f) / FILI(VS) · PILGRI[MI] / CELERA͜RII · III. + ANNO · DO(MINI) / M CCC · XXX / XVI · K(A)L(ENDAS) / APRIL(IS)g) O(BIIT) · + / PILGRI/MUS FI(LIUS) / PILGRIM[I] / CELERA/RII ·

Anmerkungen
a) I hochgestellt und zwischen die beiden ersten Bu. gesetzt.
b) Textergänzung analog der beiden Iss. II u. III; die richtige Schreibweise wäre CELLARARIUS (Küchen- bzw. Kellermeister).
c) Das O ist hochgestellt.
d) Zu ergänzen: (OBIIT).
e) anschließendes Worttrennzeichen dreispornförmig.
f) Textergänzung nach MC VIII Nr. 253: Albrecht ab dem Gradeis und sein Bruder Pilgrim; die bei Beckh-Widmanstetter, MCK NF VIII (1882) 104 vorgeschlagene Ergänzung GRAD[ES] ist nicht schlüssig, vor allem wenn er mit CELLARIUS einen Namen und keine Funktionsbezeichnung verbindet.
g) I hochgestellt über R gesetzt.

Im Jahr des Herrn 1276, am 14. Tag vor den Kalenden des Juni, starb Pilgrim der Kellermeister. (I)
Im Jahr des Herrn 1327, am 17. Tag vor den 17. Kalenden des November, (starb) Uolrich von Grades (?), Sohn Pilgrims des Kellermeisters. (II)
Im Jahr des Herrn 1330, am 16. Tag vor den Kalenden des April, starb Pilgrim, Sohn Pilgrims des Kellermeisters. (III).


Datum: 1276 Mai 18, 1327 Oktober 16, 1330 März 17.


Kommentar

Die drei Iss. I–III sind wohl zeitgleich entstanden, wie dies der epigraphische Befund zeigt, demnach kann als Entstehungszeit das Jahr 1330 angenommen werden. Die Schrift erinnert noch stark an die romanische Majuskel, enthält aber schon stark eingestreute unziale Formen der gotischen Majuskel.

Die Nennung des Pilgrim und seiner Söhne Ulrich (Uolrich) und Pilgrim steht in Verbindung mit dem Wort CELLARARIUS, wobei dies wohl eher als Funktionsbezeichnung (für Küchenoder Kellermeister) anzusehen ist, denn als eine Namensnennung. Gottlieb Frh. von Ankershofen hat sich mit diesem Grabplatte textkritisch und auch inhaltlich auseinandergesetzt1): seine Textkritik bleibt mangelhaft, da er selbst zahlreiche Lesefehler macht, seine inhaltliche Zuordnung an eine Familie mit dem Namen Kellner, wobei der Name zu „Celerari“ latinisiert wurde, ist mehr als fraglich. Bei der Durchsicht der einschlägigen Urkunden taucht weder ein Name „Kellner“, noch ein „Cellararius“ auf. Auch mit der Namensform „Kellerberg“ ist wohl kein Bezug herzustellen2). Wohl aber begegnen wir mehrfach dem Familiennamen „ab dem Gradeys“: So ist am 1. Mai 1313 in einer Urkunde ein Albrecht ab dem Gradeys als Friesacher Bürger mit seiner Familie genannt3), einen Tag später siegeln Pilgreim und Albrecht ab dem Gradeys4). Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1314 erfahren wir dann, dass es sich bei den beiden um Brüder handelt5). Ein Sohn des Albrecht, Pilgreim, tritt 1317 als „purgraf auf dem Gradeis“6) auf und bekleidete dieses Amt dann bis 1354; zwischenzeitlich war er auch Truchsess des Gurker Bistums. Ob dieser Burggraf identisch ist mit dem Pilgreim ab dem Gradeys, der uns erneut 1326 und 1327 als Zeuge erscheint7), ist eher unwahrscheinlich. Nachdem aber dieser Pilgreim ab dem Gradeys 1330 und 1331 noch als Zeuge in Urkunden8) aufscheint, fällt er für eine Zuordnung der Familie des Pilgreim ab dem Gradeys weg. Die älteste Nennung eines Friesacher Bürgers mit dem Namen Pilgrim fällt in das Jahr 13069). Dieser Pilgrim (Pilgreim) dürfte wohl mit dem oben genannten Bruder des Albrecht ab dem Gradeys identisch sein und ist 1330 gestorben. Sein Bruder Ulrich (Uolrich) de Grade[ys] ist 1326 gestorben. Der 1276 verstorbene Vater Pilgrim dürfte aus Grades stammen und könnte bereits Bürger von Friesach gewesen sein: als Beruf übte er wohl das Amt eines Küchen- oder Kellermeisters aus, möglicherweise im Wirtschaftsbereich des Dominikanerklosters, wo sich diese Grabinschrift erhalten hat.

1) Besprechung von Herrmann H., Friesach in Kärnthen durch Ankershofen, Literarische Anzeigen 278f.
2) Vgl. dazu Beckh-Widmanstetter L., Grabsteine Friesach 1882, 105.
3) MC VIII Nr. 154 (Friesach, 1313 Mai 1). – Metnitz, Geadelte Bürger 1964 107f. – Lang A./Metnitz, Salzburger Lehen in Kärnten 98, Nr. 80/3. – Kohla/Metnitz/Moro G., Burgenkunde 47.
4) MC VIII Nr. 156 (Friesach, 1313 Mai 2).
5) Ebenda Nr. 253 (Friesach, 1314 November 25).
6) Ebenda Nr. 351 (Grades, 1317 März 21), Nr. 352 (Grades, 1317 März 21), Nr. 353 (Grades, 1317 März 23). – Kohla/Metnitz/Moro G., Burgenkunde 47. – Korak,, Burggrafen 39, XXV.
7) MC IX Nr. 59 (Straßburg, 1326 November 14), Nr. 103 (Auf den Grades, 1327 September 7).
8) Ebenda Nr. 341 (Friesach, 1330 Mai 4), Nr. 452 (Grades, 1331 Juni 18).
9) MC VII Nr. 357 (Friesach, 1306 August 14).
Literatur

MC VII Nr. 253. – Hohenauer, Friesach 132. – Hermann H., Friesach in Kärnthen XXVIIf. – Ankershofen, Literarische Anzeigen 278f. – Beckh-Widmanstetter L., Grabsteine Friesach 1882, 104f. – Kunsttopographie Kärnten 56. – Lind, KA X 14–15, Taf. VII, Fig. 5. – Hauser Hu., Illustrierter Führer 28. – Zedrosser, Friesach 1926, 72. – Ders., Friesach 1953, 141. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 175f. – Dehio Kärnten 2001, 170.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 39,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj39.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 30: Grabplatte (1330), nach Lind,
KA X 15, Taf. VII, Fig. 5.