Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten
Politischer Bezirk St. Veit an der Glan
441 |
Friesach, Hauptplatz |
1563, 1802 |
Brunnen aus weißem Marmor am Hauptplatz, ursprünglich für das Schloss Tanzenberg errichtet, wurde 1802 nach Friesach übertragen. Der achteckige Brunnentrog trägt an seinen Außenwänden acht erhabene Reliefs, die dem mythologischen Themenkreis der griechischen Antike entnommen sind und durchwegs mit Wasser zu tun haben. Inhaltliche Bezüge ergeben sich auch zu den im Manierismus beliebten Szenen aus den Metamorphosen des Ovid1): Abfolge rechts im Uhrzeigersinn): Poseidon (Neptun) entsteigt dem Meer, umgeben von den vier Pferden (Viergespann); die Jagdgöttin Artemis (Diana) verwandelt im Bade Aktäon in einen Hirsch; die mythologische Gestalt der Europa wird von Zeus in Gestalt eines Stieres über das Meer entführt; die Nereide (oder Okeanide) Amphitrite, Gemahlin des Poseidon und Göttin des Meeres, auf einem Meeresungeheuer sitzend, begleitet von zwei Muschelhörner blasenden Tritonen; Perseus befreit die von einem Meeresuntier gefangen gehaltene Andromeda und macht sie zu seiner Frau; Herakles tötet den Kentauren Nessos, der seine Frau Deianeira entführen will; auf dem rechtseitigen, rektangulären Rahmenfeld gibt eine rollwerkartig gerahmte Kartusche mit einer Jz. (I) das Entstehungsjahr des Brunnens wieder; Leda, die Tochter des Königs Thestios von Aitolien, hatte mit Zeus, der sich in Gestalt eines Schwanes nähert, zwei Kinder, nämlich Helena2), auf ihrem Schoß sitzend, und Polydeukes; die linksseitige Rahmung dieses Wandteiles zeigt ebenfalls ein rektangulären Bildfeld mit einer rollwerkartig gerahmten W.-Kartusche, darauf wurde im 19. Jahrhundert eine Is. (II) beigefügt; schließlich folgt die Darstellung vom Raub der Persephone (Proserpina), Königin der Unterwelt, Tochter des Zeus und Gemahlin des Hades. Die beiden rektangulären Reliefflächen rechts von Leda und links von Persephone zeigen, ausgehend von einer Rübe als Arabeske, dem W.-Bild der Keutschacher, Blumenornamente, andere Relieffelder dieser pilasterartigen Begrenzungen geben Musikinstrumente, vegetabile Motive zusammen mit musizierenden Knaben, sowie verschiedene Vogel- und Tierdarstellungen wieder. Eine atlantenartig gebildete Dreiergruppe von bärtigen Männern3) hält die mittlere, mit Masken dekorierte Brunnenschale, die 1927 originalgetreu erneuert wurde. Von vier Putten wird schließlich die oberste Schale, die ebenfalls mit bärtigen Masken als Wasserspeier dekoriert ist, hochgehoben. Der Aufsatz mit dem bekrönenden Poseidon (Neptun) darüber ist in Bronze gegossen. Das W. auf der mittleren Beckenschüssel zeigt das Stadtwappen von Friesach – mit oben eingestelltem W. des EB Salzburg – und stammt aus dem Jahre 1802. Anläßlich einer Renovierung des Brunnens im Jahre 1867/68 musste die unterste und breiteste der drei Stufen „wegen zu großer Schadhaftigkeit“4) entfernt werden, die mittlere Brunnenschüssel wurde 1927 durch eine neue, genau nachgebildete Schüssel ersetzt5).
H. des Beckens 133 cm, Bu. I. 3 cm. – Kapitalis.
Textedition
I.
MDLXIIIa)
II.
TRANSLAT(VS) MDCCCII
Anmerkungen
Datum: 1563.
Wappen: Keutschach6), Stadt Friesach7), EB Salzburg8).
Kommentar
Dieser älteste und schönste Brunnen Kärntens aus dem Jahre 1563 wurde von Leonhard II. von Keutschach für sein von ihm erbautes Renaissance-Schloss Tanzenberg, seit 1516 im Besitz der Herren von Keutschach, in Auftrag gegeben9). Die Übertragung nach Friesach 1802 erfolgte durch den „Apotheker und Syndikus“ Anton Baumer10), wobei bis heute nicht geklärt ist, weshalb dieser Brunnen überhaupt verlagert wurde11). Es ist weder der Meister des Brunnens selbst, wohl ein Italiener, noch der Künstler des bronzenen Aufsatzes (Nürnberger Arbeit?) bekannt12). Auf Grund besonderer stilistischer Merkmale wird auch von einem Meister gesprochen, der einerseits mit der zeitgenössischen künstlerischen Tradition von Venedig vertraut war, was durch die besonders gelungene Fertigung der Reliefdarstellungen dokumentiert wird, und dem andererseits eine Anzahl namentlich nicht bezeichnete Grabplatten „von 1560 bis 1600“13) zugeschrieben wird, der allerdings bisher archivalisch nicht nachweisbar ist.
Literatur
Friedrich Wilhelm Leitner
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Übertragen 1802 (II).