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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

584 Eberstein, Schloss 1596

Gedenkinschrift aus weißem Marmor im Innenhof des Schlosses unter den ostseitigen Arkaden; Der Reliefstein mit der namensbezogenen Beschriftung stammt aus dem ehemaligen Schloss Waisenberg im Bezirk Völkermarkt1) und wurde nach Schloss Eberstein – beide waren im Besitz der Grafen Christallnigg – transferiert, wo natürlich das lateinische und deutsche Wortspiel zum Namen der Burg nicht mehr zutreffend war. In einem renaissancezeitlichen Rundbogen ist ein Reliefbild eingestellt, mit einer Frau vor Landschaftshintergrund, die in der rechten Hand einen Zweig hält, mit der Linken schützend auf einen Waisenknaben zeigt, der sich darunter in Knabentracht der Zeit befindet. Die Eckfelder über dem Rundbogen werden mit Akanthusblättern geschmückt, die Is. I wird von einem geflügelten Engelskopf überhöht, einem weiteren plastischen Schmuck. Unterhalb ist eine Schrifttafel mit Rollwerkrahmung angebracht, mit einer vierzeiligen Is. (II).

H. 112 cm, B. 88 cm, Bu. I. 2,8 (3,8) cm, II. 2,8 (4) cm. – Kapitalis (I), Fraktur (II).


Textedition
			

I. ANNOa) . M . D // IVC:b) ORPHANVS HVIC ARCI NOM͜EN DEDIT, Ô DEVS ALM͜E VT PATER ILLI ES. SIC HANC TVEÂRE DOMVM II. Vom Waisen hat sein Nam(en) disz Schlosz, O Gott Von wunderthatten Grosz, Wie du der Waisen Vatter Bist : So bhuet disz Hausz zu Jeder Frist :

Anmerkungen
a) der Anfangsbuchstabe jeder Zeile ist größer gemeißelt.
b) die Datierung ist nicht eindeutig, da vor dem C für 1600 eine römische IV steht, man wird wohl von 1600 4 Jahre abziehen müssen, um zur richtigen Angabe zu gelangen; häufig wird aber 1594 wiedergegeben, was wohl nicht zutreffend ist.

Im Jahre 1596. Ein Waisenkind hat diesem Schloss den Namen gegeben: o gütiger Gott, so wie du der Vater von jenem bist, so beschütze auch dieses Haus (I).

Elegisches Distichon (I), deutscher Reimvers (II).


Kommentar

Es ist dies ein gutes Beispiel für die gezielte Einsetzung von verschiedenen Schriftformen in der Neuzeit, wobei für den lateinischen Text die Kapitalis verwendet, für den deutschen Text die Frakturschrift eingesetzt wurde. Der lateinische Text ist als elegisches Distichon abgefaßt, die deutsche Entsprechung als Reimschrift. Vom Material und der künstlerischen Gestaltung, aber auch der Beschriftung ergeben sich Ansätze für unterschiedliche Entstehungszeiten bzw. für zwei Steinmetzmeister: Während das Relief bild mit der lateinischen Beschriftung noch sehr dem renaissancezeitlichen Bild in der plastischen Bildung im Dekor entspricht, ist die unterhalb beigefügte Inschrifttafel aus anderem Material und mit dem Rollwerk des späten 16. Jahrhunderts dargestellt. Es verwundert, dass dieser Reliefstein in der kunsthistorischen Literatur als Grabplatte angesprochen wird2).

1) Henckel, Burgen Bd. 2 177.
2) Ginhart, Kunstdenkmäler St. Veit 90. – Hartwagner, Kärnten 42. – Dehio Kärnten 2001, 99.
Literatur

Ginhart, Kunstdenkmäler St. Veit 90. – Hartwagner, Kärnten 42. – Dehio Kärnten 2001, 99.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 584,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil3/kaernten-2-obj584.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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