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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten
Politischer Bezirk St. Veit an der Glan
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Friesach, Stpfk. hl. Bartholomäus |
1231, 1 H. 17. Jh. |
Wappengrabplatte eines Christian „Urs et Rotenberg“ aus rotem Marmor, an der Wand im nördlichen Seitenschiff; ihr ursprünglicher Standort war im Boden des Mittelschiffes in der Nähe des Orgelchores. Die Grabplatte ist um 180° gedreht und ist einmal durch ihre Mitte und im unteren Drittel noch zweimal gebrochen, so dass wir es mit mehreren wieder zusammengefügten Plattenstücken zu tun haben. Während die Bruchlinie durch die Steinmitte nur die Schriftleiste in ihrer Lesbarkeit beeinträchtigt und das Gesamtbild der Grabplatte nicht wesentlich verändert, erfordern die beiden anderen Bruchstücke eine gesonderte Betrachtung. Das gegenüber der Inschrift wohl irrtümlich um 180° gedreht und nur in schwachen Konturen eingemeißelte W. im Bildfeld entspricht nicht den heraldischen Kriterien einer Wappengrabplatte aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts1).
H. 244 cm, B. 109 cm, Bu. 6 cm. – Spätromanische Majuskel bzw. neuzeitlich nachgebildete Majuskelbuchstaben.
Textedition
+ ANNOa) D(OMI)NI M CCXXXI / CALENDASb) OCTOBRISc) OBIIT
CRIS/TANVS FILIUS / DOMINI HEINRICI DE URS E͜T ROTENBERGd)
Anmerkungen
Datum: 1231 Oktober 1 (?).
Wappen: Rosenberg (17. Jh.).
Kommentar
Wenn wir mit der kritischen Beurteilung des Schriftbildes bei der Kopfzeile + ANNO. DNI. M CC XXXI beginnen, kann man die minuskelhafte Schreibung des NI bei D(OMI)NI und des M bei M(ILLESIMO) für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zumindest als sehr auffallend und bemerkenswert hervorheben. An der originalen Überlieferung der Inschrift ist in diesem Bereich aber wohl nicht zu zweifeln. Die rechtsseitige Schriftleiste verdient hingegen mehr Beachtung. Hier steht heute zu lesen: CALENDIS OCTOBRIS OBIIT CRIS: nicht nur die Tagesdatierung ist in dieser Form unmöglich, auch inschriftenpaläographische Untersuchungen erbringen bemerkenswerte Feststellungen. Die ursprüngliche Datumsformel kann nicht CALENDIS gelautet haben2), auch schon allein deshalb nicht, weil man vor dem S noch die Konturen eines A erkennen kann, welches mit I übermeißelt wurde. Unmöglich für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts sind auch die vorgegebenen Buchstabenformen C, L und E, überschrieben scheint sichtlich D (aus vermutlich unzialem N). Der Schriftabschnitt OCTOBRIS OBIIT ist epigraphisch in Ordnung, ebenso das dann auf die Fußleiste der Inschriftzeile überleitende CRIS/TANVS. FI: dieser Inschriftabschnitt findet sich auf einem der beiden Bruchstücke und kann wohl als Originalbeschriftung der ursprünglichen Grabinschrift bezeichnet werden. Ohne jeden Zweifel aber ist dann die nachfolgende Inschrift auf dem zweiten Bruchstück des Steines wenn nicht eine Fälschung, so doch eine historisierende Nachbildung einer möglicherweise damals bereits stark verschliffenen und damit unlesbaren Buchstabenfolge. Dieser Inschriftteil LIUS / DOMINI HE3) ist in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren, keinesfalls aber ins 13. Jahrhundert. Die auf der linksseitigen Leiste fortlaufende Beschriftung erscheint ebenfalls nicht ganz problemlos: ] INRICI DE UR[.]4) ET ROTENBERG. Von dieser Inschrift kann der Teil ]INRICI DE UR[.] ET ROT durchaus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zugeordnet werden, nicht aber die Bu. ab ENBERG: zwischen EN und BERG sieht man noch einen Doppelpunkt als mögliches Wortkürzungszeichen, die Bu. selbst sind eindeutig später – wohl im 17. Jahrhundert – nachgetragen bzw. über die bereits stark verschliffene Originalinschrift gemeißelt worden. Somit ergeben sich bei der inschriftenpaläographischen Beurteilung zwei Zeitansätze: eine durchaus in die Zeit um 1231 zu datierende Beschriftung, die schon W. Koch5) jener typischen Übergangsform von der spätromanischen zur frühgotischen Majuskel zugerechnet hat, und eine zweite, vom Inhalt her als bewußte Fälschung des 17. Jahrhunderts zu charakterisierende Nachbeschriftung.
Es erhebt sich die Frage, wann und wie es zu dieser Veränderung der Grabplatte gekommen ist und wem diese Fälschung gedient haben kann. Man kann am Beispiel dieser mittelalterlichen Inschrift darlegen, wie diese gleichermaßen als genealogisches Dokument und Herkunftsnachweis im 17. Jahrhundert Wiederverwendung und „allerhöchste Beachtung“ gefunden hat. Die gestellte Frage wird durch die Kärntner Adelsfamilie derer von Rosenberg6) beantwortet, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts diese Grabplatte gleichsam als genealogisches Dokument beansprucht hat. Um 1660 war Wolf Andreas Graf von Rosenberg salzburgischer Vizedom zu Friesach7) und dürfte bei einem Aufenthalt in der Stadtpfarrkirche die Grabplatte entdeckt haben, die damals noch im Kirchenboden des Mittelschiffes in der Nähe des Orgelchores gelegen war8). In diese Zeit fallen auch die Bemühungen der gräflichen Familie Rosenberg, eine genealogische Verbindung zur stadtrömischen Adelsfamilie der Orsini herzustellen: Im 11. Jahrhundert soll ein Zweig dieser bedeutenden römischen Familie nach Böhmen ausgewandert sein und hier die böhmische Linie der Rosenberg begründet haben9). Eingaben an die kaiserliche Hofkanzlei führten schließlich dazu, dass Kaiser Leopold I. bei seinem Aufenthalt in Friesach am 26. August 166010) höchstpersönlich diese Grabplatte in der Stadtpfarrkirche besichtigte und – im Hinblick auf eine offensichtlich kurz zuvor erfolgte Veränderung der Inschrift und der Beifügung des Rosenbergischen Wappens – eine eigene Kommission einsetzte, der die damals bekanntesten Genealogen am kaiserlichen Hof in Wien wie Johann Ludwig Schönleben, P. Gabriel Bucelin und Philipp Jakob Spener11) angehörten12). Zur Urteilsfindung wurden Werke von Franziscus Santavivus und Wolfgang Lazius13) herangezogen. Nach einer eingehenden Autopsie der Grabplatte erfolgte 1683 im Beisein und mit Zeugenschaft von Ludwig Graf von Lamberg, Johann Jakob Graf Katzianer von Katzenstein u. a. die notarielle Beglaubigung der Echtheit der Grabplatte14). Der Bericht zur Grabplatte stellt gleichzeitig eine kopiale Überlieferung der Inschrift dar15): „... als neMBlichen am undern orth gegen Unser Lieben Frauen Altar + ANNO DNI M CCXXXI, auf der Rechten Hand wo der Tag des Monats am Staine vor alter abgeschliffen und sovill Leßlich I .... AS /.: so vermuetlich NONAS gehaissen :/ OC /: das T ist ausgeprochen :/ OBRIS OBIIT CHRIS an dem obristen orth gegen der Kirchthier TANVS. FILIVS auf der Linckhen Hand nach der Länge des Stains DNI HEINRICI DE URS /: an disem orth ist der Stain im Spatio Zwayer manglende(n) buchstaben geprochen, doch negst dem Pruch der buchstab [I] aufgetrückht. IE.ROSENBERG16), mitte des Stains ist ain wappen ....“. Der Stein ist im Anschluss an diese Textstelle der Urkunde gezeichnet, wobei die Inschrift darauf – hier allerdings nach dem modernen Transkriptionsmodus – folgend wiedergegeben wird17):+ ANNO D(OMI)NI MCCXXYJ / I[.......]AS OC[T]OBRIS OBIIT CHRIS/TANVS FILIVS / D(OMI)NI HEINRICI DE URS[.]IE ROSENBERG. Auf der überlieferten Grabplatte steht heute zu lesen: + ANNO D(OMI)NI M CCXXXI / CALENDIS OCTOBRIS OBIIT CRIS/TANVS FILIVS / DOMINI HEINRICI DE URS ET ROTENBERG. Ein Vergleich der beiden Inschriften zeigt, dass bei der Tagesdatierung die römischen Ziffern für den Tag verschliffen waren und mit CALENDIS falsch überschrieben wurden: richtigerweise hat es hier NONAS OCTOBRIS geheißen. Die unterschiedliche Namensschreibung CHRISTANUS bzw. CRISTANUS kann auf eine Fehllesung, aber auch auf eine Bearbeitung des Bruchstückes hinweisen. Ganz fraglich wird aber die Buchstabenaufteilung auf der linken Schriftleiste, nimmt man die Kürzung DNI HEINRICI als korrekt an. Schwierig wird schließlich eine nachträgliche Korrektur der Namensinschrift, da keine historischen Anhaltspunkte für eine gesicherte Lesung sprechen. Jedenfalls aber wird die Inschrift unter Ausweisung der gefälschten bzw. ergänzten Textstellen am wahrscheinlichsten folgend gelautet haben: + ANNO D(OMI)NI M CC XXXI / [I.... NONA]S OC[T]OBRIS OBIIT CRIS/TANVS FIL[IVS / DOMINI HE]INRICI DE UR[.]TEROT<ENBERG>. Mit Diplom vom 6. Juli 168418) bestätigte Kaiser Leopold I. den Kärntner Grafen Georg Nikolaus und Wolf Andrä von Rosenberg die Echtheit19) der Grabinschrift, testierte ihnen mit diesem Konfirmationsdiplom ihre Herkunft von den römischen Ursini (Orsini) und dem böhmischen Geschlecht gleichen Namens – natürlich gab es zu keiner der beiden Familien verwandtschaftliche Beziehungen – und erlaubte ihnen die Führung des Namens „von Ursini und Rosenberg“. Für wen diese Grabplatte aus dem Jahre 1231 wirklich als Grabdenkmal geschaffen wurde, ist nicht bekannt.
Literatur
Friedrich Wilhelm Leitner
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten Politischer Bezirk St. Veit an der Glan Friesach, Stpfk. hl. Bartholomäus • Wappengrabplatte • Marmor • Spätromanische Majuskel • Inschriften des Totengedenken •
Bucelin, Gabriel •
Katzianer von Katzenstein, Johann Jakob •
Lamberg, Ludwig •
Lazius, Wolfgang •
Leopold I. •
Rosenberg, Georg Nikolaus •
Rosenberg, Wolf Andrä •
Santavivus, Franziscus •
Schönleben, Johann Ludwig •
Spener, Philipp Jakob •
Urs et Rotenberg, Christian •
Friesach •
Wien
Abbildungen
Abb. 10: Grabplatte Christian “Urs et Rotenberg” (1231, 1.H. 17.Jh.) ©
Landesmuseum Kärnten (Friedrich W. Leitner)
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Im Jahre des Herrn 1231, an den Kalenden des Oktober, starb Cristanus, der Sohn des Herrn Heinrich von Urs und Rotenberg.