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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

685 Klagenfurt, Landesmuseum Kärnten vor 1629

Epitaph mit polychromiertem Holzaufbau und eingefügten Bildtafeln auf Leinwand der Judith von Kulmer zum Rosenpichl; dieses Epitaph, dessen Aufsatzteil leider fehlt, stammt aus der Schlosskapelle des Schlosses Hohenstein und befindet sich zumindest seit 1877 in den Sammlungen des LMK1) (damals Histor. Museum des Geschichts-Vereines, Inv. Nr. K 91). Der architektonische Aufbau des Epitaphs folgt dem Zeitstil zwischen Spätrenaissance und Frühbarock, mit einigen wenigen manieristischen Details. Der altarartige Aufbau besteht aus Holz und umschließt die beiden bildlichen Darstellungen. Die Sockelzone wird seitlich von je einer dorischen, kannelierten Säule begrenzt, deren unterer Teil mit schuppenartig übereinander gelegten, halbrunden Bögen verziert ist. Der untere Teil der Säulen beginnt mit einer eigenartigen verzierten Zone aus dunkel gebeiztem Holz über dem glatten hellen Säulenstumpf, während die gesamte Rückwandfläche des Epitaphs einen hellbeigen, marmorierten Anstrich aufweist. Der obere Abschluss des gesamten Architekturaufbaues schließt mit zwei verkragten Querleisten, die eine zweizeilige Is. (I) umschließen. Der bekrönende Aufsatz dieses Epitaphs ist leider nicht mehr erhalten. Er hat wohl vermutlich die Gedenkinschrift des Stifters für seine verstorbene Frau enthalten. An der oberen Abdeckungsplatte befinden sich noch die Ausnehmungen (L. 156 cm, B. 5,5 cm) für das Einfügen des fehlenden Teiles, der damit deutlich den altarähnlichen Eindruck dieses Gedächtnisdenkmales betont. Das Mittelbild aus Leinen wird beherrscht von einer renaissancezeitlichen Rundbogenarchitektur, die bezeichnenderweise den gleichen Stil zeigt, in der der Rahmenaufbau des Grabdenkmals gestaltet ist. Dargestellt sind Pfeiler auf einer Sockelzone mit gekragten Kapitellen, perspektivisch wie durch ein Fenster gesehen, auf dem hellen Hintergrund mit dem Kreuzestod Christi, den Maria Magdalena am Kreuzesstamm beweint (II). Bereichert wird die Architektur von den Darstellungen der an den Rand gedrängten vier Evangelisten vor den Pfeilersockeln bzw. der Kapitelle mit ihren Symbolen: links unten sitzt Lukas, gekleidet mit einem Barett und im Habitus der Protestantenzeit nach A. Dürer, in der Hand eine Schrifttafel, auf der der Stifter des Epitaphs zugleich sichtlich auch als Maler ausgewiesen wird (V). Rechts unten ist Johannes mit dem Adler gemalt, wobei der Adler das Tintenfaß in seinem Schnabel hält, oben links thront Matthäus und rechts Markus. Auf den Konsolen des Mittelteiles stehen zwei Frauengestalten, links symbolisierend den Glauben (III/4), rechts die Hoffnung (III/5). Die ikonographischen Szenen treten im Mittelbild aber ganz in den Hintergrund, zugunsten einer Vielzahl von gemalten Iss. (III/1–12) mit zumeist alttestamentarischen oder aus Apostelbriefen stammenden Bibeltexten. Die predellaartige Sockelzone trägt das perspektivisch in den Raum gedrehte Ahnenbild auf Leinwand, mit dem aus dem Grab auferstandenen Christus in der Mitte, rechts von ihm der Stifter in voller Rüstung mit seinen sechs Söhnen (zwei davon ebenfalls in Rüstung), links davon seine verstorbene Frau mit den vier Töchtern, von denen die jüngste auch schon verstorben war. Interessant ist die bildliche Anordnung der Familie in zwei sich in den Raum hinein verjüngenden Gruppen, auf mit Posamentrieschnüren verzierten schwarzen Samtpölstern kniend, wobei die Jüngsten und Kleinsten im Hintergrund aufscheinen. Die Kinder sind durch Schriftbänder bezeichnet (IV/1, 2). Abgeschlossen wird die Malerei, gleichsam als heraldische Bekrönung des Werkes, oben durch zwei hochovale W.-Schilde.

H. 217 cm, B. 168 cm, Bu. I. 3,2 (4,2) cm, II. 0,8 cm, III/1. ±3 cm, III/2–12. ± 1,5 (± 3,5) cm, IVa-b. ± 1 (± 1,5) cm, V. 0,4 cm. – Kapitalis (I, II, V) bzw. Fraktur (III/2–12, IVa-b).


Textedition
			

I. NATVSa) DISCE MORI MORS CERTA EST, TECTAb) SED / HORA MORTIS TV CHRISTO NITERE, TVTVS ERISc) · II. I · N · R · I · III/1. Ich will mein Gesetz in Jhr He=/rtz geben vnd in ihren Sinn Schre=/iben Ierem(ias) 31, III/2. Es sollen wohl Berge weich/en und higel hinfallen: Aber meine / Gnade soll nicht von dier weihen und / der Bund meines Fridenß sol nit hin / fallen: Spricht der HERR dein / Erbarmer. Es(ai)a 54. III/3. Wier haben ein fest Proph=/etisch WORT vnd ihr Tueht / wohl das ihr darauf ach/tet 2 petri · 1 · III/4. So man von Hertzen glaubt, so / wird man Gerechtfertiget, vnd so man / mit dem munde bekennet, so wirdt / man Seelig . Rom(er). 13 . III/5. Die Hoffnvng die sich vertzeiht, / angstet das Hertze, wenns aber kvmt, / das man begehret, das ist ein Bavm / des Lebens. ProV(erbia) 13, III/6. Diß Vreutze JESVM Christum / trägt, / Jesus Christus dis Creitz trägt, / diß Creitze Cristus für mich trägt / Für mich Christuß mein Creitz, / trägt. III/7. Da wier denn sind gerecht wor/den durch den Glauben so haben / wier fride magen durch unsern / hern Jesum Christ durch welliche(n) / wier auch einen zugang haben / im glaubenm zu dieser gnade darin / wier stehen und nehmen vol der / hoffnunh der zukhunftigen herligkeit / die gott geben soll: Rom(er). 5. III/8. Dem Wort mein ohr, herr JESU / hort dein krafft Vnd macht Leib vnd / Seel spricht Wie es gescheh versteh ich nich(t) / dein Gegen wart Durch Dich / Glaub Jch III/9. Er gedencket ewigklich an seinen / Bund des WORTS das er verheiszen / hat, Psal(m) 105 · III/10. Die Liebe Gottes ist Ausgoßen in / Vnser Herz durch den heilligen / Geist Welicher mier gegeben / Ist / Ibidem, III/11. HERR darvon lebet man Vnd das / Leben meines Geistes stehet gar in dem / selben Esaia͜ e 38, III/12. Ich tilge deine Müssethat / wie ein wolken, und deine Sün/de wie den Nebel. Esaia 38. IV/1a. Hermann Dauidt. IV/1b. Ernst Wilhelmb. IV/1c. Christof Walthasar. IV/1d. Hanß Andrae. IV/1e. Georg Heinrich. IV/1f. Mathes Bernha(rd). IV/2a. Sabina Margareth IV/2b. Anna Maria. IV/2c. Maria Elisabeth. IV/2d. Chatarina Johann(a). + V. CHRISTOF AN/DRE KVLMER ZVM RO[SENPICHLd) – – –

Anmerkungen
a) über dem V ist ein diakritisches Zeichen.
b) das A ist kleiner beim T eingestellt.
c) alle Anfangsbuchstaben vergrößert.
d) hier erkennt man noch Reste der ursprünglichen Beschriftung, die aber später übermalt wurde.

Schon von Geburt an lerne zu sterben; denn der Tod ist sicher, verborgen aber ist die Todesstunde. Stütze dich auf Christus, dann wirst du geborgen sein (I).

Jer 31,33 (III/1); Is 54,10 (III/2); 2 Petr 1,19 (III/3); Rm 10,10 (III/4); Spr 13,12 (III/5); Rm 5,1 (III/7); Ps 105, 8 (III/9); Rm 5,5 (III/10); Is 38,16 (III/11); Is 44,22 (III/12).

Elegisches Distichon (I).


Wappen: Kulmer zum Rosenpichl2), Staudach3).


Kommentar

Durch den fehlenden Aufsatz mit der Gedenkinschrift wurde dieses Epitaph bislang als Hausaltar bezeichnet. Richtig ist aber wohl die Zuordnung zur Kategorie der Epitaphe, hier als Grabdenkmale der Protestantenzeit, wie auch ein zweites vergleichbares Pendant auf der Burg Hochosterwitz in der Kirche St. Nepomuk vorhanden ist (vgl. dazu Kat.-Nr. 489). Stand dort die genealogische Darstellung im Vordergrund der Bildgestaltung, so ist es hier der religiöse Hintergrund, der für das Mittelbild bestimmend war: das Vorherrschen des geschriebenen Wortes, der vielen Bibelzitate, auch aus Apostelbriefen, ist ein beherrschendes Motiv der Kunst der protestantischen Adeligen im ausgehenden 16. und in der frühen ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sie weisen aber auch auf die noch starke protestantische Gesinnung des Auftragebers hin. Stifter des Epitaphs war Christoph Andreas Kulmer zum Rosenpichl auf Hohenstein (vgl. Kat.-Nr. 743), der dieses Grabdenkmal zur Erinnerung an seine erste Ehefrau Judith von Staudach errichten ließ, Tochter des Christoph Reinhart von Staudach und der Anna Maria von Mosheim, die er 1612 geheiratet hat und die vor/um 1629 gestorben ist. Er war aber offensichtlich nicht nur Stifter, sondern scheint sich selbst auch als Maler zumindest des großen Mittelbildes mit den Bibelsprüchen versucht zu haben. Die Ausführung die Figuren des Mittelbildes ist sichtlich von schwächerer Qualität als etwa die Malerei im unteren Bildteil mit dem auferstandenen Christus und den Familienangehörigen, die wohl von einem kundigen Meister gefertigt wurden. Im Mittelbild wird man auch den gekreuzigten Heiland und die beiden Wappendarstellungen dem professionellen – leider unbekannten – Künstler zuschreiben müssen.

1) Gallenstein, Führer 57. – Landesmuseum 114f.
2) Vgl. Kat.-Nr. 489, Anm. 1.
3) KLA, WB A fol. 82, WB C fol. 195b. – Bartsch, Wappen=Buch fol. 145, 125, Nr. 126a, b. – Weiß A., Kärnthens Adel 138, 248. – Kä 125f., Taf. 11. – Lanjus, Geschlechter 147, Taf. VI. – Wutte, Wappen 137. – Kraßler, Wappenschlüssel 14, 160. – Neumann, Wappenbuch C 183. – DI 21 (Spittal an der Drau, Hermagor) Kat.-Nrr. 173, 522.
Literatur

Kienzl/Deuer, Renaissance 114. – Leitner F., Epitaph der Kulmer-Staudach 143f.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 685,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil4/kaernten-2-obj685.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 242: Epitaph Judith Kulmer zum Rosenpichl (vor 1629)
©  Landesmuseum Kärnten (Ulrich Peter Schwarz)