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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
12 |
Dürnstein, ehem. Klarissenkirche |
1304 |
Gedenkinschrift (?), Wandmalerei, an der Chorsüdwand über der Tür zur ehemaligen Sakristei nahe dem Triumphbogen. Ein in bloß geritzter Vorzeichnung belassenes, nicht farbig ausgeführtes Konsekrationskreuz (Kreuz mit Kleeblattenden in schmalem doppelten Ring) wird von einer zweizeilig schwarz aufgemalten Umschrift umgeben. Schräg rechts darunter ein gelehnter, an einem gemalten Nagel mit einem ebenfalls gemalten ringartigen Riemen illusionistisch aufgehängter Wappenschild, rechts über dessen Hinterrand das westlichste der zwölf farbig ausgeführten Konsekrationskreuze. Inschrift nur im linken oberen Viertel der Schriftleiste vollständig erhalten, geringe Buchstabenreste im unteren rechten Teil. Bei der Restaurierung 1950/52 (Prof. Fritz Weninger) mehrere Buchstaben verfälschend schwarz nachgezogen.
D. (Kreuz samt Umschrift) ca. 63 cm, Bu. 4 cm. – Gotische Majuskel.
Textedition
– – –]LPa) · DO(MINVS)b) · LIVPOLD[VSc) – – –/ – – – M]CCCoIIIId) Oe) ·
NOP[– – –]SA[– – –
Anmerkungen
Kommentar
Leutold (I.) von Kuenring, geb. 1243 als ältester Sohn des österreichischen Oberstschenken Albero (V.) von Kuenring und der wohl 1240 mit jenem vermählten Gertrud von Wildon, war der eigentliche Begründer der Dürnsteiner Linie seines Geschlechts, bemühte sich jedoch auch – etwa durch Erwerb von Litschau 1282 und kurzfristigen Rückgewinn von Weitra 1292 – um die älteren kuenringischen Besitzungen im Waldviertel2). Im Konflikt zwischen König Přemysl Otakar II. von Böhmen und König Rudolf I. hatte er sich anders als sein Vater, der stets ein Parteigänger Otakars geblieben war, zusammen mit seinen Brüdern 1276 auf die Seite des Habsburgers gestellt, war jedoch 1295/96 als einer der begütertsten und „mächtigsten Herrn nördlich der Donau“ an der österreichischen Adelsopposition gegen den späteren König Albrecht maßgeblich beteiligt und verlor nach deren Niederschlagung neben Litschau und Weitra Teile seines Wachauer Besitzes (die bayerischen Lehen Spitz und Wolfstein) zeitweise an den Landesfürsten, der sie zunächst für fünf Jahre an Leutolds Verwandten Eberhard (IV.) von Wallsee-Linz verpfändete3).
Scheint sich nach 1296 eine Fokussierung der grundherrlichen Interessen Leutolds auf den Raum um Feldsberg im nördlichen Weinviertel abzuzeichnen, blieben viele der älteren kuenringischen Vogtei-Bezüge zu den bayerischen Klöstern mit Besitz in der Wachau, die dem Geschlecht zusammen dem Erwerb von verschiedenen Gerichtsrechten den Aufstieg als Grundherren ermöglicht hatten, unter Leutold (I.) ebenso wie die Lehensbindungen an die bayerischen Herzöge aufrecht. 1296 fungierte er etwa als Richter in einem Streit zwischen dem bayerischen Benediktinerkloster Tegernsee und Wernhart von Inn(e) um Weingärten im Gericht Unterloiben und eine Bürgschaft des Abtes4), 1299 schloß er einen Vertrag mit Abt Markward von Tegernsee wegen der zuvor strittigen Gerichtsrechte von dessen Eigen in Unterloiben, als dessen Erbvogt er fungierte5), und war wie sein Vater Vogt von Niederalteich in Spitz, des Mettener „Amts“ Eisenreichdornach und des Mallersdorfer Besitzes in Stratzdorf sowie des Besitzes von St. Nikola bei Passau in Weinzierl a. Walde6). 1293 war er von Erzbischof Konrad von Salzburg mit den Salzburger Kirchenlehen seiner Familie (den Vogteirechten über die Salzburger Güter in Österreich) belehnt worden7).
Offenbar hatte Leutold, auch Vogt des Klosters Göttweig8), für einen Adeligen seiner Zeit außergewöhnliche Bildung erworben, möglicherweise Lesen und Schreiben gelernt und sich aktiv um die Geschicke des Zisterzienserklosters Zwettl, der Stiftung eines seiner Vorfahren, Hadmar (I.), das Leutold als dritten Stifter verehrt, gesorgt. Zwar hatte er über das Waldviertler Kloster nicht mehr die umfassenden Vogteirechte Hadmars (II.) von Kuenring geltend machen können, doch übte er nach wie vor bedeutenden Einfluß auf die Zisterze aus, in der er fallweise auch „private“ Urkunden aufbewahren ließ9). Neben der Gründung des Klarissenklosters Dürnstein (s. Einleitung) tätigte er, teils zusammen mit seiner Frau oder seinen Brüdern Heinrich (VI.) und Albero (VI.) auch an das von seinen Schwiegereltern Albero von Feldsberg und Gisela von Ort ins Leben gerufene Dominikanerinnenkloster Imbach mehrere Stiftungen10). 1281 verzichtete Leutold zusammen mit seinem Bruder Heinrich (VI.) auf sein strittiges Vogtrecht über den Erlahof bei Spitz, den Abt Konrad von Niederalteich um 1230 von den Brüdern Hermann und Bertold (von Erla?) angekauft haben dürfte. Der Verzicht auf das Vogtrecht scheint von Abt Volkmar zur Bedingung für die Belehnung der Kuenringer mit den Wachauer Lehen des Klosters gemacht worden zu sein11). Leutold war in erster kinderloser Ehe mit Agnes, Tochter Alberos von Feldsberg und der Gisela von Ort, die ihm die bedeutenden Herrschaften Seefeld und Feldsberg zubrachte, nach deren Tod 1299 seit 1300 mit Agnes Gräfin von Asberg verheiratet. Aus zweiter Ehe stammten die jeweils im ersten Lebensjahr verstorbenen Kinder Klara (gest. 1301 oder 1302) und Hadmar (VI., gest. 1305), die in der von Leutold gegründeten und bestifteteten Dürnsteiner Klarissenkirche beigesetzt wurden, sowie die Söhne Jans (Hans) (I., geb. 1302) und Leutold (II., geb. 1303) und die Töchter Elisabeth und Agnes (geb. 1304), verheiratet mit Andreas von Liechtenstein-Murau. Leutold (I.) starb am 18. Juni 1312 in Dürnstein und wurde in der alten Grablege des Geschlechts im Zisterzienserkloster Zwettl beigesetzt, das väterliche Erbe in der Wachau trat der ältere Sohn Hans (I.) an, mit dem der wirtschaftliche und soziale Niedergang des Geschlechts einsetzte12).
Die zwischen 1950 und 1952 erfolgte Restaurierung der Wandmalereien der ehemaligen Klarissenkirche
durch Prof. Fritz Weninger hat zu verschiedenen Verfälschungen des originalen Buchstabenbestands
geführt. Besonders kraß ist die im vorliegenden Fall zu konstatierende Entstellung
des Stifternamens Leutold (LIVTOLDVS) zu Leopold (LIVPOLDVS), einem von Weninger postulierten Passauer (Weih-)Bischof dieses Namens, der die Konsekration vorgenommen haben soll13). Die Position der nicht mehr sinnvoll deutbaren Inschrift in unmittelbarem Konnex mit dem Weihekreuz legt zwar die Annahme des Datums 1304 als Weihejahr des für den zahlenmäßig anwachsenden Minoritenkonvent vergrößerten Chors nahe, die Inschrift selbst dürfte jedoch nicht primär an den Akt der Konsekration erinnern, sondern in Kombination mit dem nebenstehenden Wappenschild im weiteren Sinn das Stiftergedächtnis aufrechterhalten.
Weitere als Wandmalerei ausgeführte Wappenschilde des frühen 14. Jahrhunderts ohne Beischriften befanden sich neben zwei Schilden an der Chornordwand (u. a. jener der mit den Kuenringern verwandten Buchberger) bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts an den Langhauswänden der ehemaligen Klosterkirche, wurden jedoch teilweise in das Stiegenhaus des unmittelbar angrenzenden, in den adaptierten Resten des Klostergebäudes untergebrachten Hotels Richard Löwenherz übertragen14). Die insgesamt sehr fett ausgeführte, aber locker spationierte Inschrift entspricht dem Entwicklungsstand der Gotischen Majuskel am Beginn des 14. Jahrhunderts im Bearbeitungsgebiet. Während C – mit teilweise kräftiger Bogenschwellung – von leicht durchgebogenem Schlußstrich abgeschlossen wird, zeigt L mit kräftig dreieckig endendem Balken keine Anzeichen zur Schließung. An C, D und P ist die weitgehende Ausrundung der Innenkonturen deutlich, bei D erscheint zudem der Schaft an der Basislinie etwas verkürzt, wodurch der links angesetzte Sporn mit starker Durchbiegung am unteren Schaftende in den linken unteren Bogenabschnitt überleitet. Das heute irrtümlich zu P veränderte runde T bestand ursprünglich aus mit kräftigen Bogenschwellungen versehenem und stark eingerolltem sowie in einer tropfenförmigen Verdickung endenden Bogen sowie bis zu diesem durchgebogenem Deckbalken. Die ungewöhnliche Suspensionskürzung für DO(MINVS) wird durch ein zwischen D und O über der Oberlinie stehendes Dreieck angezeigt; eine an sich naheliegende Auflösung als D(E)O ist jedoch aufgrund des folgenden Eigennamens, der zweifellos ein stützendes Epitheton erfordert, unwahrscheinlich.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Dürnstein, ehem. Klarissenkirche • Gedenkinschrift • Wandmalerei • Gotische Majuskel •
Albrecht I. •
Asberg, Agnes •
Bertold •
Buchberg •
Feldsberg •
–, Agnes •
–, Albero •
Gregor X. •
Hadmar von Spitz •
Hermann •
Konrad •
Konrad •
Kuenring-Dürnstein, Agnes, Albero V., Albero VI., Elisabeth, Hadmar I., Hadmar II. von, Hadmar VI., Heinrich VI., Klara, Jans I., Leutold I., Leutold II. •
Liechtenstein-Murau, Andreas •
Margarete von Spitz •
Markward •
Ort, Gisela •
Přemysl Otakar II. •
Rudolf I. •
Seifried Helbling •
Volkmar •
Walchen, Friedrich •
Wallsee, Eberhard •
Weninger, Fritz •
Wernhart von Inn •
Wildon, Gertrud •
Dürnstein, Klarissenkloster •
Eisenreichdornach •
Spitz, Erlahof, Niederalteicher Wirtschaftshof •
Valtice •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Imbach, Dominikanerinnenkloster •
Kotzendorf •
Litschau •
Lyon •
Maiersch •
, Benediktinerkloster •
Metten, Benediktinerkloster •
Niederalteich, Benediktinerabtei •
Salzburg •
Seefeld •
Spitz •
St. Nikola bei Passau, Augustiner-Chorherrenkloster •
Stendorf •
Stratzdorf •
Tegernsee, Benediktinerkloster •
Thaya •
Unterloiben •
Weinzierl a. Walde •
Weitra •
Wolfstein •
Zwettl, Zisterzienserkloster
Abbildungen
Abb. 10: Gedenkinschrift (1304), Detail ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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