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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

31 Albrechtsberg a. d. Gr. Krems,
Pfk. Mariä Stiegen
(1388?)

Fragment der Wappengrabplatte des Ulrich (III.) und der Agnes von Neidegg (?), hellroter Marmor, an der Südwand der südlichen Kapelle (Marienkapelle) der erste Stein von Westen, ursprünglich vermutlich vor dem Hochaltar im Boden der alten Pfk., nach deren Umbau um 1765 vermutlich im Boden der Marienkapelle, seit 1914 (?) am heutigen Standort. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmte ein Feld mit graphisch-linear eingehauenem Vollwappen, erhalten sind nach querrechteckigem Beschnitt der Platte lediglich das erste Schriftband, das letzte Wort des vierten Schriftbands und die oberen Enden zweier Federn (?) der Helmzier, rechte obere Ecke ausgebrochen.

H. 52 cm, B. 111 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel mit Versal(ien?).

Ergänzung nach ÖNB, Cod. 9221, fol. 57r.


Textedition
			

Anno · domin[ia) / m · ccclxxxi · obyt Dominus Ulricus de Neudek miles hic sepultusb) – – –] uxorc) ·

Anmerkungen
a) Schaftbrechung von i an der Oberlinie des Mittelbands noch sichtbar.
b) ab m · ccclxxxi erg. nach ÖNB, Cod. 9221, fol. 57r.
c) Trennzeichen quadrangelförmig.

Kommentar

Das vorliegende Fragment dürfte ein Überrest der Grabplatte Ulrichs (III.) von Neidegg zu Brunn a. Walde, Gillaus und Albrechtsberg sein, der in der durch häufige Vergabe einiger weniger Leitnamen komplexen Genealogie der zeitweilig weitverzweigten ritterlichen Familie der Neidegger (wohl nach dem Weinviertler Neudegg bei Großriedenthal) bislang schwierig einzuordnen schien. Friedrich Hausmann hielt ihn fälschlich – mit der Zählung als Ulrich (IV.) zu Gillaus-Albrechtsberg – für einen Sohn des einer ursprünglich angeblich bayerischen Linie zugehörigen und schlecht belegten Konrad (IV.) von Neidegg. 1372 sei Ulrich noch in Bayern in der Gegend um Rosenheim ansässig gewesen, spätestens 1380 jedoch, als er nach Gillaus zubenannt aufscheint, nach Österreich eingewandert1).

Tatsächlich war Ulrich ein Sohn des zwischen wenigstens 1328 und etwa 1335 als Inhaber eines Hauses am Graben in Wien ansässigen, danach jedoch hauptsächlich in der Gegend um Brunn am Walde begüterten Konrad (nach Hausmann: III.) von Neidegg und dessen Frau Gertr(a)ud2). Vermutlich als Erbe seines nach 1347 verstorbenen Vaters war Ulrich wohl seit spätestens 1359 Besitzer der freieigenen Burg Brunn am Walde und vielleicht schon 1373, sicher 1375 bis 1377 Burggraf von Rehberg und Pfleger von Krems.

Urkundlich war Ulrich erstmals 1337 zusammen mit seinem Vater Konrad und seinem älteren Bruder Hans (nach Hausmann: I.) aufgetreten, der zeitlich nächste Beleg fällt bereits ins Jahr 1353, als er mit seinem Bruder Hans, beide als „erbere chnecht“ bezeichnet, eine Urkunde Heinrichs des Prant(h) besiegelte3). 1354 verkaufte Ulrich die 1348 erworbene Burg Kronsegg, ein Kuenringer Lehen, mit dem zugehörigen Patronat über die Pfarrkirche Schiltern um 560 lb. den. an Eberhard (V.) von Wallsee-Linz (?)4). 1368 hatte Ulrich Gülten in Ottenthal und Schönfeld als Pfand Heinrichs (III.) von Wallsee-Drosendorf gegen 170 lb. den. Pfandsumme inne, die in jenem Jahr ersatzweise auf der Gföhler Maut, landesfürstliches Pfand der Wallseer, neu versichert wurde5). 1377 kaufte er zusammen mit seinem Sohn Hans (nach Hausmann: III., s. Kat.-Nr. 50†) die Burg Albrechtsberg a. d. Gr. Krems samt dem Patronat über die Burgkirche Mariä Stiegen und umfangreichem Zubehör um 1950 lb. den. von Rüdiger von Starhemberg zu Wildberg und dessen gleichnamigem Vetter an6). Noch 1380 wurde er von Herzog Albrecht III. mit den Burgen und Herrschaften Meires, Dietreichs und Kornberg nebst Gerichtsrechten (darunter das nicht unbedeutende Spielberger Gericht) und anderen Gülten in Waldviertler Streulage belehnt. Ulrich starb wohl im Jahr 13817).

Seine in der Grabinschrift zuletzt genannte Gemahlin war seit spätestens 1355 Agnes von Ranna, durch die das reiche Erbe der ritterlichen Familie von Ranna an die Neidegger fiel8). Aus der Ehe stammten zumindest zwei Töchter Klara, 1399 Konventualin in Imbach, und Dorothea, 1376 Witwe nach Hans von Ruckendorf9), und ein Sohn Hans (nach Hausmann: III., s. Kat.-Nr. 50†). ÖNB, Cod. 9221 überliefert für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Pfk. Albrechtsberg „auff der erdt beym altar“ zwei Grabplatten: die heute noch vollständig erhaltene der Margarete (geb. von Kirchstetten) und des Wolfgang (I.) von Neidegg (Kat.-Nr. 62) und eine mit der Inschrift Anno Dom: M · CCCLXXXI · obyt Dominus Ulricus de Neudek miles hic sepultus10). Daß die Inschrift des vorliegenden Fragments mit uxor schließt, also offenbar auch auf Ulrichs Ehefrau Bezug nimmt, spricht nicht gegen die Identifizierung des Bruchstücks mit dem kopial überlieferten Grabdenkmal, da der Abschreiber auch bei der Transkription der erhaltenen zweiten Grabplatte den Sterbevermerk der Ehefrau (dort in der Inschrift sogar an erster Stelle) völlig ausblendet. Die sehr bedachte Positionierung des letzten Worts (auf der Höhe der inneren Begrenzungslinie des ersten Schriftbands abschließend, während das einleitende Anno an der inneren Begrenzungslinie des vierten Schriftbands ansetzt) deutet darauf hin, daß die gesamte Inschrift erst nach Agnes’ Tod (wohl 1388) angefertigt wurde.

Der konservative Versal A in breiter pseudounzialer Grundform, das vollständig im Mittelband verbleibende d und das eher plumpe x, bestehend aus etwa in der Buchstabenmitte von kurzem Balken durchkreuztem Schaft und knapp unterhalb der Oberlinie des Mittelbands neben das obere Schaftende gesetztem Quadrangel unterstützen den erschlossenen Zeitansatz aus inschriftenpaläographischer Sicht.

1) S. Hausmann, Neudegger 23, 89f., 188f., 197 und 218. 1380 scheint Ulrich als Inhaber mehrerer Höfe und Hofstätten in Gillaus und Albrechtsberg sowie weiterer Gülten als Lehen des Rüdiger von Starhemberg auf, s. ebd. und Plesser, Kirchengeschichte (1911) 194. Die von Hausmann getroffene Zuordnung urkundlicher Belege der Neidegger Ulriche des 14. Jahrhunderts zu einzelnen Personen ist – wiewohl die Arbeit gegenüber unbrauchbaren älteren genealogischen Überblicken wie etwa bei Knaflitsch, Neudegg passim nach wie vor mit Gewinn heranzuziehen ist – insgesamt zu revidieren.
2) S. zu ihm, 1316 in erster Ehe mit einer Katharina, 1328 in zweiter Ehe mit Gertr(a)ud, Tochter Konrads Fuetrer verheiratet, Hausmann, Neudegger 16–18, 187f. und 218.
3) S. NÖLA, Privaturk. 449 (1353 Mai 15) und vgl. NÖLA, Hs. 236/5, pag. 21 und Hausmann, Neudegger 43 (fehlerhaft), 156 und 195.
4) HHStA, AUR 1354 III 17, s. Plesser, Kirchengeschichte (1911) 255 und Hausmann, Neudegger 43; als Siegler der Urkunde fungierte u. a. wiederum Ulrichs Bruder Hans.
5) S. NÖLA, Privaturk. 736 (1368 Mai 12), vgl. NÖLA, Hs. 236/5, pag. 21 und Hausmann, Neudegger 45.
6) S. NÖLA, Landrechtsurk. Nr. 2 (1377 Mai 1; fehlerhafte Abschr. von 1671 Februar 26), NÖLA, Hs. 78/3, pag. 232–234 (Abschr. der Kaufurkunde über Albrechtsberg mit umfangreichem Zubehör, 1377 Mai 1), Biedermann, Albrechtsberg 32f., Plesser, Kirchengeschichte (1939) 6 und Hausmann, Neudegger 46.
7) S. Hausmann, Neudegger 38, 46 und 195, wonach Agnes noch 1395 am Leben gewesen sein soll.
8) S. Hausmann, Neudegger 44f., 195 und 222. Zum mußmaßlichen Sterbejahr Agnes’ vgl. Kat.-Nr. 50†. 1364 bezeichnete Niklas von Ranna Ulrich, der seine Urkunde besiegelte, als seinen „schwager“, s. StiA Herzogenburg, K. n. 145 (1364 Juli 12; Niklas von Ranna stiftet zur Aufbesserung des Unterhalts seiner Schwester Dorothea, Nonne [seit spätestens 1382 Äbtissin] im Dürnsteiner Klarissenkloster jährlich 2 lb. den. auf Eigengut in Elsarn i. Straßertal), vgl. Gröbl, Klarissenkloster (2005) 215f.
9) S. Hausmann, Neudegger 45, 195f. und 222.
10) S. ÖNB, Cod. 9221, fol. 57r.
Literatur

ÖNB, Cod. 9221, fol. 57r (nur die Transkription der Is. Ulrichs von Neidegg).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 31,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj31.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 26: Grabplattenfragment des
Ulrich von Neidegg (1388?)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)