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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

32 Spitz, Pfk. Hl. Mauritius 1398

Wappengrabplatte des Wolfhard von Au, roter Marmor, im südwestlichen Kapellenanbau (Antoniuskapelle) im Boden. Die zwischen zwei seicht eingehauenen Linien angeordnete Umschrift rahmt ein Feld mit graphisch-linear eingehauener Darstellung des Vollwappens (Schild gelehnt). Die rechte obere Ecke des Steins durch Altarstufe verdeckt, gesamte Oberfläche leicht abgetreten, kleinere Stellen oberflächlich verwittert.

H. 287 cm, B. 146 cm, Bu. 10 cm. – Gotische Minuskel mit Versal aus Gotischer Majuskel.


Textedition
			

Anno d͜omini · millesi[mo · tre/centesi]moa) · no(na)gesimo · octauo · xvo · kale(ndas) · octob(ris) · obijt · discretus · uir · w͜olf/hardus d͜ e aw · consiliarius d͜o/minor(um) · d͜e · meyssaw · fund͜atorb) · hui(us) · kap͜pelle · hic · sepultusc)

Anmerkungen
a) erg. Stelle unter der Altarstufe.
b) Nexus litterarum d/a: der senkrechte Teil des gebrochenen linken unteren Bogenabschnitts von a bildet den unteren Teil des Schafts des d.
c) folgt ein ornamentales Füllzeichenbis zum Ende des vierten Schriftbands; Trennzeichen quadrangelförmig.

Im Jahre des Herrn 1398, am 15. Tag vor den Kalenden des Oktober starb der bescheidene Herr Wolfhard von Au, Rat der Herren von Maissau, Stifter dieser Kapelle, (und liegt) hier begraben.


Datum: 1398 September 17.

Wappen: Au1).


Kommentar

Der zur Maissauer Klientel in der Wachau gehörende niederadelige Wolfhard von Au besiegelte 1381 die Jahrtagstiftung seines Schwiegervaters Friedrich (des Langen) von Spitz, und dessen Frau Katharina an die dortige Pfarrkirche. 1382 verkaufte er gemeinsam mit seinem Verwandten Jans (Hans) Hülber von Krems, in jenem Jahr Maissauer Burggraf von Dürnstein, Gülten an die Kartause Aggsbach2). 1384 entschied er mit Heinrich (dem Langen) von Spitz, Richter von Krems, Hans von Pölla, Forstmeister zu Gföhl, Jans (Hans) Hülber u. a. als Spruchmann in einem Streit zwischen dem Kremser Dechant Marichard (Markward) Trepperger und den Kremser Dominikanern um zwei Häuser in der Stadt3). 1391 übernahm er zusammen mit dem Burggrafen von Dürnstein, Konrad Scheffolt, die Bürgschaft für eine Geldschuld der Kartause Aggsbach4). 1393 besiegelte er neben seinem Bruder Konrad, Burggraf von Dürnstein und Richter der Wachau, und vielen anderen den Stiftbrief des Hans von Pükhl (Püchel) über die Frühmesse in Weißenkirchen5).

1396 fungierte er als Schiedsrichter in einem Streit zwischen dem Benediktinerkloster Garsten und der Klara Zöbinger um eine Wösendorfer Erbschaft6). Im selben Jahr kaufte er zusammen mit seinem Bruder Konrad, seit wenigstens 1389 ebenso wie der dritte Bruder Hans mehrmals Burggraf von Dürnstein und Richter der Wachau sowie 1392 Forstmeister in Gföhl, vom Passauer Bürger Ortlieb Westerburger um 400 lb. den. ein Haus samt Weingärten und anderen Gütern am Loibenberg in Unterloiben, das aber schon 1399 an den Passauer Bürger Andreas Stubner weiterverkauft wurde7). In seiner Eigenschaft als Diener und Ratgeber der Herren von Maissau8) fungierte Wolfhard mehrmals als Urkundenzeuge und Siegler bei Rechtsgeschäften der Kartause Aggsbach, einer Maissauer Gründung9). Die Brüder Wolfhard, Hans und Konrad von Au finden sich im Gefolge einiger Maissauer im Bruderschaftsbuch des Hospizes auf dem Arlberg. Wolfhard war zuerst (seit wenigstens 1381) mit einer Tochter des Spitzer Bürgers Friedrich (des Langen) vermählt, seine zweite Frau, Anna Hülber aus Krems, heiratete nach Wolfhards Tod Hermann Murstetter (s. Kat.-Nr. 44 und 46)10). Bestattet wurden Wolfhard und Anna in der um 1390/95 von ihnen erbauten Kapelle Mariä Himmelfahrt (heute Antoniuskapelle) am Turm der Spitzer Pfarrkirche, beide Steine dürften noch in situ über den Gräbern liegen.

Selbstbezeichnungen von Niederadeligen mit prestigeträchtigen Funktionen im Dienst Hochadeliger wie in der vorliegenden Inschrift sind im Bearbeitungsgebiet im späten 14. Jahrhundert und weit darüber hinaus ungewöhnlich. Die mehrfach belegte Angabe des Sterbejahrs mit teilweise oder ganz ausgeschriebenen Ordinalia ist ein Usus, der mit entsprechenden Traditionen gleichzeitiger Privaturkunden in Verbindung stehen dürfte (s. auch Kat.-Nr. 44 und 46)11).

An der Gestaltung des Vollwappens der monumental dimensionierten Grabplatte fällt die ungelenke Art auf, in der einerseits die Stiele der Streithämmer einander in einer zeichnerischen Ebene überkreuzen, andererseits die für den ausführenden Steinmetzen scheinbar noch ungewohnte Form des Stechhelms, der – im strengen Profil dargestellt – in der Zeichnung der Helmglocke eher dem älteren Kübelhelm verhaftet bleibt. Die an der Rückseite des Helms abfallende Helmdecke weist keine Anzeichen einer Teilung in einzelne Bahnen oder Zaddelung auf, die ansonsten um diese Zeit bereits häufig auftritt12). Insgesamt macht die Gestaltung des Mittelfelds, die an die ältere Wappengrabplatte des Peter Echinger (Kat.-Nr. 30) erinnert, dadurch einen extrem konservativ zu nennenden Eindruck.

Die ebenfalls mit den Schriftformen des vorgenannten Denkmals verwandte Umschrift weist bei eher schlanken Schäften mäßig hohe Formen und eine weitgehende Eliminierung von Unterlängen auf, die Oberlängen sind insgesamt optisch von geringem Gewicht. Bei a endet der untere Bogen stumpf in der halben Buchstabenhöhe, der obere Bogen bleibt (wenn nicht durch die Abnützung des Steines ein entsprechender Haarstrich verschwunden ist) völlig offen, d reicht mit flach verlaufendem Linksschrägschaft nur minimal in den Oberlängenbereich, der obere Bogenabschnitt von e ist als relativ flach verlaufender abgeknickter Linksschrägschaft ausgeführt, g, mit einem vom unteren flach schräglinks abgeknickten Bogenende zum unteren Abschnitt des gebrochenen oberen Bogens führenden rechtsschrägen Haarstrich, ist vollständig ins Mittelband gehoben, der senkrechte Teil des gebrochenen Bogens von h endet stumpf an der Basislinie, bei k ist der obere Schrägschaft zum Quadrangel, der untere zu einem sehr kurzen Schaft reduziert, der Schaft des p, vom an der Basislinie fast rechtwinkelig gebrochenen unteren Bogenabschnitt minimal überschnitten, reicht mit einem kleinen Teil in die Unterlänge, Bogen-r ist als gebrochener Bogen mit geschwungener Cauda gestaltet, diese wird als rum-Kürzung statt analog zum handschriftlichen Gebrauch von einem Rechtsschrägschaft durchstrichen von einem Quadrangel begleitet, der Bogen des langen s knickt am Schaftende scharf nach unten um.

1) Zwei gekreuzte Streithämmer; Stechhelm; Flügel mit dem Schildbild belegt, s. Aue, Wappenschlüssel 332.
2) Kerschbaumer, Beiträge (1890a) 264 Plesser, Kirchengeschichte (1951) 263 (1381 August 10) und Fuchs, Urkunden (1906) Nr. 47 (1382 Oktober 3), Adamek, Grabdenkmäler (1968) 53, und Schöner, Geschichte 1, 96f.
3) 1385 besiegelte der „erber“ Wolfhard von Au, hier explizit als „gesessen ze Spicz“ bezeichnet, neben dem Spitzer Burggrafen und Richter Hans dem Waser eine Urkunde des Heinrich und der Anna Polreis für Göttweig, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 767 (1385 Mai 12).
4) Zu den beiden Urkunden (1391 Oktober 16 und 1391 Oktober 25, Gföhl: Revers der Kartause) s. Fuchs, Urkunden (1906) Nr. 106f. und vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 106. Als Siegler des Reverses der Kartause fungierte Stephan von Haslach (s. Kat.-Nr. 40).
5) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 523 (1393 August 7, Dürnstein).
6) S. Plesser, Kirchengeschichte (1954) 73f. (1396 September 29).
7) S. BayHStA München, Klosterliteralien Tegernsee 153, pag. 206 und Klosterurkunden Tegernsee Nr. 249 (1396 Februar 5) und 260 (1399 Juli 25). Ortlieb dürfte ein naher Verwandter (Bruder?) des Passauer Bürgers (1387 Bürgermeisters) Ortolf Westerburger, 1392 Bestandinhaber der Steiner Maut, gewesen sein, s. zu Ortolf Lackner, Rechnungsbuch 45 und 110. Das Haus samt Weingärten gelangte in der Folge auch kurzfristig an Hans von Thaya zu Unterloiben, schließlich etwa in der Mitte des 15. Jahrhunderts an die in Krems und Stein ansässigen Angehörigen der Passauer Familie Handschuster und von diesen vermutlich durch Heirat an den Münchener Bürger Bartholomäus Schren(c)k (vgl. Kat.-Nr. 99) 1395 hatte Konrad von Au mit seiner Frau Katharina einen Weindienst von 42 Eimern in Rehberg von Hans und Anna von Pielach gekauft; als Siegelzeuge fungierte u. a. der „oheim“ der Aussteller, Ortlieb Westerburger, der hier als Steiner Bürger bezeichnet wird, s. StiA Herzogenburg, K. n. 208 (1395 Februar 2).
8) 1392 etwa besiegelte er zusammen mit seinem Bruder Konrad ausdrücklich als Diener Hans’ von Maissau eine Urkunde seines Herren, s. StiA Herzogenburg, D. n. 96 (1392 Dezember 21), als Diener Hans’ auch dessen wichtigste Stiftung an die Dürnsteiner Frauenkapelle, D. n. 104a (1395 Jänner 26, Dürnstein).
9) S. etwa Fuchs, Urkunden (1906) Nr. 81 (1388 Februar 2), 137 (1396 Juni 29), 147 (1397 November 2) und 155 (1398 Juli 15).
10) Vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 263 (1381 August 10).
11) S. Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 246f. (Anm. 43) und 292 (307).
12) Vgl. etwa die Wappengrabplatte des Konrad von Maissau (gest. 1396) in der Fk. St. Anna i. Felde in Pöggstall, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 7.
Literatur

Lind, Aeltere Grabmale 151. – ÖKT 1, 391 (fälschlich 1415). – DASP, Nachlässe 5, Heft H (unfol. Beilage zwischen fol. 54 und 55). – Schöner, Kapelle 19. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 265. – ÖAW, NLH, 29. 9. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 5f., 19 und Kat.-Nr. 1 (Abb. 1). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 37. – Eppel, Wachau 198. – Hülber, Name 15 und 20. – Schöner, Abriß 20 und 36. – Schöner, Geschichte 1, 96f. und 188. – Dehio Nord 1107 (falsche Jz. 1415). – Rigele, Maissauer 127 (Anm. 13). – Aichinger-Rosenberger, Studien (1999) 27 (Abb. 121). – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 8 (Abb. 8). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 134, 246f. (Anm. 43) und 292 (Anm. 307). – Aichinger-Rosenberger, Studien (2006) 19 und 51.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 32,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj32.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 27: Grabplatte des
Wolfhard von Au (1398)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)