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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
40 |
Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster |
1415 |
Figürliche Grabplatte des Stephan von Haslach, roter Marmor, im linken Vorraum zur Krypta in der Ostnische, ursprünglich vermutlich im Boden der Klosterkirche nahe dem Hochaltar, vor 1721 schrägliegend im Boden der Klosterkirche, offenbar im Langhaus, unmittelbar vor dem Speisegitter, teilweise von den Stufen zum Altarraum verdeckt1), 1855 beim Eingang des damals sogenannten Sakristeikellers im Klosterhof aufgefunden und an den heutigen Standort versetzt. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein Mittelfeld mit der graphisch-linear eingehauenen Figur eines Tonsur tragenden Priesters in Alba und Kasel, die Hände vor der Brust zum Gebet gefaltet. Rechts unten neben den Beinen der Figur ein kleiner Schild. Stein ungefähr in der Mitte leicht linksschräg zerbrochen, besonders am rechten unteren Rand Beschädigungen der Kante. Durchgehend kleinere Oberflächenbeschädigungen.
H. 220 cm, B. 107 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
+ Anno · d(omi)ni · m · cccc · xv / · pridie · ydus · octob(ri)s · oby[t]a) ·
hono(ra)bil(is)b) · vir · d͜om(inu)sc) / Stephanus · d͜e · hasla/ch · p(ri)m(us)d) ·
h(uius) · mo(na)ste(r)ije) · fvnd[a]torf) · c(uius) a(n)i(m)a · req(ui)escate) · i(n) ·
pa͜ceg)
Anmerkungen
Datum: 1415 Oktober 14.
Wappen: Haslach (Kloster Dürnstein)2).
Kommentar
Nach dem Tod des spätestens im Frühjahr 1387 verstorbenen Johannes Palmer (Hans von Weitra,
s. Kat.-Nr. 36†) fungierte Stephan (nachweislich wenigstens seit dem Frühjahr 1388) als „Oberkaplan“
der Dürnsteiner Marienkapelle, an der offenbar auf seine Initiative hin zunächst ein
weltliches Kollegiatkapitel eingerichtet werden sollte, und erweiterte den bestehenden Kirchenbau
mit einem 1407 vom Passauer Bischof Georg von Hohenlohe persönlich geweihten neuen Chor
und einer Krypta. 1401–1403 ist er als Kammerschreiber Herzog Wilhelms von Österreich nachweisbar.
Zwischen 1403 und 1406 stritt er mit Johann (Herl) von Mautern um die Pfarre St.
Ulrich in Wiener Neustadt, die er im letztgenannten Jahr endgültig an seinen Konkurrenten
abtreten mußte. 1407 erweiterte Otto von Maissau die Dotation des kleinen, zunächst vier, dann
fünf Kapläne zählenden Dürnsteiner Quasi-Kollegiatkapitels, das sich in der Folge aus dem Defacto-
Propst Stephan und acht Säkularkanonikern zusammensetzte (s. Einleitung). 1410 erfolgte
die Umwandlung der nie formal ins Leben getretenen Propstei in ein Chorherrenkloster, in das
Augustiner-Chorherren aus Wittingau/Třeboň einzogen, während Stephan anscheinend umgehend
auf die Dürnsteiner Pfarre resignierte3). Offenbar befand sich wenig später in diesem
Chorherrenkonvent auch ein Neffe Stephans, Thomas von Haslach.
Während Stephan vor seinem ersten Auftreten in Dürnstein 1388 quellenmäßig bislang nicht
faßbar war, könnten zwei Imbacher Urkunden eventuell Aufschluß über seine Jugend geben. 1349
und 1351 sorgte in zwei Urkunden „Stephan cze den zeiten schreiber meins herren des jungen
herrn Leutolts [III.] von Chunring“ für die Aufbesserung des Unterhalts seiner in das Imbacher
Dominikanerinnenkloster eingetretenen Schwester Katharina4). Beide Urkunden stammen offensichtlich
von einer Hand, die vielleicht dem Aussteller selbst gehört, und stimmen trotz einer
zeitlichen Distanz von mindestens 40 Jahren im Schriftbefund samt charakteristischen Eigenheiten
so weitgehend mit der Schrift des nachweislich von Stephan von Haslach eigenhändig angelegten
älteren Dürnsteiner Kopialbuchs überein, daß eine Identifizierung des Urkundenausstellers/-
schreibers von 1349/51 mit dem späteren Dürnsteiner Kaplan nicht völlig unvorstellbar ist.
Die Tätigkeit Stephans als Schreiber im kuenringischen und maissauischen Umfeld der Jahrhundertmitte
würde jedenfalls mit dessen späterer Position als Kaplan der kuenringisch-/maissauischen
Dürnsteiner Marienkapelle und seiner Tätigkeit als Schreiber mehrerer heute verlorener
Handschriften zusammenstimmen. Bei einem anzunehmenden Geburtsjahr nicht viel später als
1330 müßte Stephan bei seinem Tod 1415 jedoch deutlich über 80 Jahre alt gewesen sein. Der
mutmaßliche Herkunftsort Stephans, Haslach, läßt sich mit keinem der (nieder-)österreichischen
Orte dieses Namens sicher identifizieren.
Stephans bedeutende Rolle bei der Gründung des Chorherrenklosters Dürnstein stellt die Prunkausfertigung
der Stiftungsurkunde von 1410 dar, in der zugunsten des als treibende Kraft wirkenden
Petenten Stephan die Rolle des Ausstellers Otto (IV.) von Maissau marginalisiert erscheint:
Während in der Miniatur der linken Zierleiste zuoberst Elisabeth von Kuenring vor Maria mit
dem Kind in einer gotischen Kirchenarchitektur, unter dieser in zwei Bildstreifen die sieben
Maissauer Mitstifter, zuunterst elf Chorherren unter der Leitung ihres Propstes im Gebet kniend
dargestellt sind, zeigt der rechte Rand die große Einzelfigur des im Gebet knienden Stephan von
Haslach mit Tonsur in weißer Alba und dunkelgrauer Wollalmutie, von den gefalteten Händen
geht ein Spruchband mit der Inschrift „Vias tuas d(omi)ne demonstra m(ihi)“ aus. Zu Füßen der
Stifterfigur ist dessen gelehnter Wappenschild (in Schwarz ein goldener Henkelkorb, das Attribut
der Hl. Dorothea, beseitet von zwei goldenen Kreuzen) abgebildet5). Das verlorene ältere Dürnsteiner
Nekrolog nannte Stephan von Haslach zusätzlich zur Bezeichnung als „fundator“ auch
noch den „constructor huius monasterii“, schon im 17. Jahrhundert wurde er in der Haustradition
fälschlich als erster Propst (1380–1410) gezählt6).
An der mit gutem schriftgestalterischen Niveau ausgeführten Inschrift sind für den Entstehungszeitraum
übliche Merkmale, wie die geringe Ausdehnung von Ober-, v. a. aber Unterlängenbereich
und der spärliche Einsatz von Versalien zu beobachten. An Einzelformen sei auf a mit
etwa die halbe Höhe des Mittelbands einnehmendem senkrechten Teil des gebrochenen unteren
Bogens und durch geschwungenen Haarstrich geschlossenem oberen Bogen, d und p mit kaum
das Mittelband verlassenden (Schräg-)Schäften (der senkrechte Teil des gebrochenen unteren
Bogens bei d nur etwa zwei Drittel der Höhe des Mittelbands einnehmend, das untere Schaftende
von p rechtsschräg abgeschnitten) und l mit gegabeltem oberen Schaftende hingewiesen. Charakteristisch
ist die eher ungewöhnliche Gestaltung der Bogenbrechungen, die am deutlichsten
an o zu beobachten ist. Hier läuft der senkrechte Teil des gebrochenen linken Bogens bis zur
Oberlinie des Mittelbands und trifft dort, eigentlich bloß rechtsschräg abgeschnitten, mit dem
breiten, relativ flach linksschräg verlaufenden oberen Teil des gebrochenen rechten Bogens zusammen.
Sinngemäß gleich erfolgt die Brechung des unteren Bogenabschnitts, wodurch sich kein
annähernd symmetrisches, sondern ein parallelogrammartig verschobenes Zeichen ergibt. Für das
frühe 15. Jahrhundert ist die Verwendung von u für den vokalischen Lautwert eher selten.
Die Schriftformen insgesamt und andere Details wie der charakteristische us-Haken sowie vor
allem auch die Parellelen in der Figurenzeichung (Gesicht und Faltenwurf der liturgischen Kleider)
lassen den vorliegenden Stein mit den jüngeren Grabplatten der Göttweiger Äbte Petrus (II.)
von St. Pölten und Lukas Lauchlaibl von Stockstall und anderen Göttweiger Inschriften (Kat.-
Nr. 41, 43, 55 und 59) enger zusammenschließen, wie bereits Gert Adamek im Sinne eines Werkstattzusammenhangs
vermutet hat (s. dazu Kat.-Nr. 46).
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster • Grabplatte • roter Marmor • Gotische Minuskel mit Versalien • Inschriften des Totengedenken •
Adamek, Gert •
Albrecht V. •
Arthofer, Honorius •
Johann von Mautern •
Hohenlohe, Georg •
Hülber, Anna, •
Konrad •
Kuenring •
Kuenring-Dürnstein, Elisabeth, Leutold III. •
Lauchlaibl, Lukas •
Maissau •
Maissau, Otto IV., Stephan •
Murstetter, Hermann •
Ortolf von Pölla •
Palmer, Johannes •
Peter •
Petrus II. von St. Pölten •
Ritzendorfer, Seifried •
Stephan von Haslach •
Thomas von Haslach •
Übelbacher, Hieronymus •
Wachau, Georg •
Walchun, Niklas •
Weißenkirchen, Herstell •
Imbach, Dominikanerinnenkloster •
Mautern a. d. Donau •
Wiener Neustadt •
Wittingau, Augustiner-Chorherrenkloster
Abbildungen
Abb. 28: Grabplatte des Stephan von Haslach (1415) ©
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Im Jahr des Herrn 1415 am Vortag der Iden des Oktober starb der ehrwürdige Herr, Herr Stephan von Haslach, erster Stifter dieses Klosters, dessen Seele in Frieden ruhe.