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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

42 Langenlois, Pfk. Hl. Laurentius (1415?)

Schmerzensmannskulptur mit erklärender Beischrift und Reliquienkatalog, Sandstein, außen an der Turmostseite im Erdgeschoß. In mehrfach profilierter Spitzbogennische vollplastische Halbfigur Christus als Schmerzensmann mit über dem Bauch überkreuzten Armen, unter der Nische achtzeilige Inschrifttafel. Noch 1907 Nischenrahmung und gesamte Inschrifttafel unter neuzeitlichem Verputz. Nischenprofil und Schrifttafel durch Oberflächenausbrüche (wohl im Zuge der Entfernung des Verputzes) teilweise stark beschädigt, in der Längsachse leicht rechtsschräger Sprung. Alle Ausbrüche bei Restaurierung unter Leitung des BDA im Spätsommer 2003 (Erich Pummer, Rossatz) unter minimalem Verlust an Schriftdetails verschlossen, die Figur steinfarbig geschlämmt1). Die Transkription erfolgt nach der 1997 entstandenen Aufnahme im Fotoarchiv der Arbeitsgruppe Inschriften der ÖAW.

H. (der Schrifttafel) 47 cm, B. 83 cm, Bu. 3,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Jn · disem · pilde · ist · chr(ist)[i]a) · [c]hrev[cz]b) · so · ịṃ [– – –] / span · alhie · ist · uorc) · de[sd) ·] gvrtel · maria · Alle · / inert · andrein · hailtv[m] · is[t] · [– – –]i[– – – p]ilde) / stain · Sa[n]d · iorigens · phite · einf[...]f) · vnd [– – –] / [– – – g]emaiteg) · und · auch · sand · Cristoff · vi[..] / tag · [– – –]av · der · [p]issoholffh) · her · iorig · / ge[– – –]ll[– – –]a · [v]or · uallen · Avf · ir · / sinne · is[– – –]m · herczi)

Anmerkungen
a) Nomen sacrum, Bestand: xp[i] mit Kürzungszeichen.
b) vom Schaft des c das untere Ende, von z der Rest eines Haarstrichs an der Basislinie sichtbar.
c) sic! wohl versehentlich statt von.
d) erg. nach dem Sinnzusammenhang; für das alternativ denkbare m ist zu wenig freier Raum.
e) von p noch Reste an der Oberlinie erkennbar, bei ild die untere Hälfte des Mittelbands zerstört.
f) nach f Beschädigung des Mittelbands an der Oberlinie, erkennbar sind vier nebeneinanderstehende Schäfte.
g) Reste des g an der Oberlinie einwandfrei zuordenbar.
h) sic! für pischolff.
i) Trennzeichen paragraphzeichenförmig.

Kommentar

Wahrscheinlich handelt es sich bei der gegenständlichen Skulptur um jene ursprünglich (wohl im Rücken der Halbfigur) eine Kreuzpartikel und andere Reliquien enthaltende Skulptur („bild“), die Hans Drosendorfer auf dem Langenloiser Friedhof aufstellen ließ, und die 1415 vom Passauer Bischof Georg von Hohenlohe mit einem 40-tägigen Ablaß begabt wurde2). Eine Datierung der Skulptur samt der zugehörigen Inschrifttafel vor 1423 ergibt sich jedenfalls aus dem Sterbejahr des offenbar in der Inschrift, einem Katalog von in der Halbfigur verschlossenen Reliquien, genannten Passauer Bischofs Georg von Hohenlohe3).

Typologisch steht die Skulptur mit den überkreuzten Armen als gröberes und provinzielleres Beispiel dem bekannten sogenannten „Zahnwehherrgott“ aus St. Stephan in Wien (um 1395)4) nahe. Heiligenfiguren als Reliquienbehälter sind im Spätmittelalter häufig anzutreffen5). Auch die Begabung von öffentlichkeitswirksam auf Friedhöfen von Pfarrkirchen aufgestellten oder angebrachten Statuen und Wandgemälden mit Ablässen ist im Untersuchungsgebiet anderweitig belegt6).

Die relativ geringe Zahl und die überwiegend konservativen, meist dem Kanon der Gotischen Majuskel verhafteten Formen der Versalien, die geringe Ausdehnung von Ober- und Unterlängenbereich und die häufige Verwendung von v auch für den vokalischen Lautwert und im Wortinneren entsprechen ganz dem überwiegenden Befund der Gotischen Minuskel im Bearbeitungsgebiet im ersten Jahrhundertviertel. Die Buchstaben wurden moderat gedrungen proportioniert und unter sorgfältiger Beachtung regelmäßiger Abstände von etwa doppelter Schaftbreite relativ locker gesetzt. An Einzelformen seien erwähnt a mit mindestens drei Viertel der Höhe des Mittelbands einnehmendem gebrochenen unteren Bogen, der senkrechte Teil oben waagrecht abgeschnitten, d mit fast zum Quadrangel verkürzten oder nahezu waagrecht verlaufendem Linksschrägschaft an der Oberlinie des Mittelbands, e mit Balken aus steil rechtsschräg bis fast an die Basislinie reichendem, dort nach rechts umgebogenen Haarstrich, f mit etwa in zwei Drittel der Höhe des Mittelbands verlaufendem, den Schaft überschneidendem Balken, dieser ganz rechts vom an die Fahne angesetzten senkrechten Haarzierstrich überschnitten, und i mit rund eingebohrtem i-Punkt. Der untere Bogen des g holt leicht nach rechts aus, am kurzen, am gebrochenen rechten oberen Bogenabschnitt angesetzten Balken befindet sich ebenso wie am Balken des t und an der zum Quadrangel reduzierten Fahne des r ein knapp nach oben und bis an die Basislinie reichender senkrechter Haarzierstrich. Das obere Schaftende von h trägt ein kleinen krallenartigen Sporn, der Schaft des p reicht bisweilen nicht bis in den Unterlängenbereich, wodurch der gebrochene Bogen lediglich die oberen zwei Drittel des Mittelbands einnimmt. Der schlichte, im Mittelteil kräftig verstärkte Versal S endet in starken dreieckigen Sporen.

1) S. König, Denkmalpflegemaßnahmen 276.
2) S. diese Annahme, jedoch mit unzureichenden Quellenangaben, schon bei NN., Beiträge 474 (1415 Dezember 8), in ÖKT 1, 287 und 290, ausführlicher bei Plesser, Kirchengeschichte (1932) 405. Der Wiener Bürger Ulrich Drosendorfer fungierte 1439 zusammen mit Hans Röster als Testamentär des verstorbenen Peter Ledler und verkaufte in dieser Funktion des Haus des Toten vor dem Wiener Widmertor in der „Ofenlucke“ um 18 lb. den. an den Maler Jakob Kaschauer, s. Perger, Künstler 75. Eine Beziehung Ulrichs zu Hans Drosendorfer konnte jedoch nicht hergestellt werden.
3) Zu Georg von Hohenlohe (Bischof von Passau 1384–1423) siehe knapp Schmid, Hohenlohe und vgl. DI 67, Kat.-Nr. 113†.
4) Vgl. zuletzt mit Verweisen auf die ältere Literatur Brucher, Gotik, Kat.-Nr. 130 (Lothar Schultes). Ebenfalls aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt eine Schmerzensmannhalbfigur in der Fk. Hl. Michael in St. Michael, vgl. Schultes, Plastik 102f. (Abb. 11). Einen anderen Typus, der der Figur auch noch die arma Christi beigibt, repräsentiert etwa ein Terracotta-Schmerzensmann aus der Zeit um 1400 aus der Rosenkranzkapelle des St. Pöltener Doms, heute Diözesanmuseum St. Pölten, vgl. Zykan, Plastik (1959) 71 (Kat.-Nr. 174) und Abb. 14, Dies., Plastik (1963) 128 und Abb. 1, bzw. Kronbichler/Kronbichler-Skacha, Diözesanmuseum 43 (Kat.-Nr. 57 mit Abb. 24).
5) Vgl. etwa die von Zwettler Abt Wolfgang (II.) Örtl 1500 in Auftrag gegebene Madonna auf der Mondsichel aus der Kapelle von Flachau bei Döllersheim, bei der sowohl die Marienreliquien als auch eine erklärende Urkunde in einer Spanschachtel im Rücken der Figur erhalten geblieben sind, heute im Niederösterreichischen Landesmuseum, Inv.-Nr. 7269, s. Feuchtmüller, Landesmuseum, Kat.-Nr. 28 (Abb. 15f.).
6) Vgl. eine verlorene Wandmalerei mit Mariendarstellung auf dem Friedhof der Kremser Pfarrkiche St. Veit, für die der Kremser Apotheker Heinrich Stöckl 1474 einen Ablaß erwirkte, s. Kühnel, Tausend Jahre 6.
Literatur

Topographie 5, 657. – ÖKT 1, 24 und 290 (Fig. 187; 1415). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 162 (1415). – ÖAW, NLH, 12./13. 4. 1965. – Eppel, Waldviertel 148. – Eppel, Kunst 230. – Zotti, Kunst 2, 211 (1415). – Dehio Nord 636.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 42,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj42.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 29: Schmerzensmannskulptur (1415)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)