Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
43 |
Göttweig, „Apothekergang“ |
1417, 1432 |
Bauinschrift des alten Konventsgebäudes und Sterbevermerk sowie Gebetsanrufung des Abtes Petrus (II.) von St. Pölten, roter Marmor, seit 1981/82 im sogenannten Apothekergang an der Nordwand der vierte Stein von Osten, unmittelbar unter Kat.-Nr. 41, bis 1719 in der Barbarakapelle (ursprünglich Kapitelsaal) im Ostflügel des alten Kreuzgangs an der Wand, 1958 im Apothekergang an der Südwand der sechste Stein von Westen, dort vielleicht schon seit wenigstens 1777. Schmucklose querrechteckige Platte mit achtzeiliger Inschrift, Reste der Zeilenlinierung sichtbar.
H. 64 cm, B. 108 cm, Bu. 5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
Anno · d(omi)ni · mo · cccco · xvijo · Completa · est · / hec · structu(r)aa) ·
h(uius) · Capituli · d͜ormitorij · et · / ambit(us) · cu(m) · omnib(us) · eoru(m) ·
attin(en)cijs · a fu(n)da·/m(en)tisb) · p(er) venerabile(m) · d(omi)n(u)m · d(omi)n(u)m
· petru(m) · d͜e / S(an)cto · yp͜olito · tu(n)c · abbatem · Jn Gottwico · / Sit ·
laus · d͜ eo · (et) gloria · chr(ist)oc) · Obijt · aut(em) / p(re)dictus · abbas · Anno ·
d(omi)ni · mo · cccco · x<xxijo> / Ora · p(ro) med) · s(an)cta · virgo · (et) ·
martir · Barbarae)
Anmerkungen
Kommentar
Zum Neubau der in der Inschrift genannten Gebäude vgl. die Einleitung und Kat.-Nr. 55. Die Inschrifttafel befand sich bis zum Abbruch des spätmittelalterlichen Konventsgebäude und des Kreuzgangs nach 1719 in situ in der damals sogenannten Barbarakapelle, dem südlichsten Raum im östlichen Kreuzgangflügel. Da die Inschrift, auf ihren Anbringungsstandort bezogen, von der Errichtung h(uius) Capituli spricht, ist klar, daß der Raum zunächst als Kapitelsaal errichtet worden war. Aus dem Kupferstichaufrißplan des Klosters in der Bausituation von 1718 (s. Einleitung, Anm. 41) sowie aus der kopialen Überlieferung Gregor Schenggls (s. unten) geht hervor, daß es sich um einen vom Kreuzgang her zugänglichen, fast quadratischen, aber zweijochigen und dreischiffigen Hauptraum mit auf zwei Mittelsäulen ruhenden Gewölben gehandelt haben muß, wobei das Mittelschiff über einen massiven Triumphbogen mit einem einjochigen, aus der Ostwand nach außen tretenden Chor mit 3/8-Schluß versehen war, während die beiden Seitenschiffe gerade abgeschlossen und mit je einem Fenster beleuchtet waren. Insgesamt war die Kapelle nach Schenggls Maßangaben etwa 10–11 m lang, 4 m breit und (bis zum Gewölbescheitel) 8 m hoch. In der Chorkapelle befanden sich noch 1719 in die Wand eingelassene umlaufende Sitzbänke, die der Funktion als Kapitelsaal Rechnung trugen. Von den übrigen vier Räumen im Erdgeschoß des Kreuzgangostflügels ist vor deren Abbruch keine Nutzung mehr außer der von Abstellkammern („conditoria pro diversis necessitatibus“ nach dem Kupferstichplan) überliefert, doch muß aus dem dritten und vierten Raum von Norden ein sekundärer Zugang zur ursprünglich wohl freistehenden, 1335 errichteten Benediktskapelle östlich des Kreuzgangs möglich gewesen sein. Spätestens 1718, wahrscheinlich aber schon im 16. Jahrhundert, war diese unter Aufgabe der liturgischen Funktion mit einer Zwischendecke versehen worden, sodaß im Obergeschoß die Bibliothek Platz finden konnte, während das Erdgeschoß, durch mehrere Mauern in kleinere Raumkompartimente abgeteilt, unbekannten Zwecken diente.
Im Obergeschoß des Kreuzgangostflügels, zum Teil auch über der Barbarakapelle, befanden sich noch bis 1719 die Zellen der Konventualen ohne Priesterweihe.
Die Inschrifttafel wurde offenbar von jener wohl auch mit der Herstellung von Bauplastik an den im Text genannten Gebäuden selbst beschäftigten Steinmetzwerkstatt angefertigt, aus der schon die zwei Jahre zuvor gehauene Grabplatte des Stephan von Haslach (Kat.-Nr. 40) und die Inschrift auf die Fertigstellung der Gotthardskirche (Kat.-Nr. 41) stammten. Ebenso wie bei letzterer wird hier die Mitteilung der Baufertigstellung mit dem Sterbevermerk der führend beteiligten Person unter ursprünglicher Aussparung des nachgetragenen Todesjahrs verknüpft. Zur Bedeutung der Gebetsanrufung an die Hl. Barbara für Abt Petrus (II.), dessen Grabplatte schließlich ebenso wie die seines Nachfolgers von derselben Werkstatt angefertigt wurde, s. Kat.-Nr. 55. Zu Charakteristika der Schriftformen vgl. Kat.-Nr. 40 und 41.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Im Jahr des Herrn 1417 wurde der Bau dieses Kapitelsaals, Dormitoriums und Kreuzgangs mit all ihren Nebenräumen von Fundament auf durch den ehrwürdigen Herrn, Herrn Petrus von St. Pölten, damals Abt in Göttweig, vollendet. Lob sei Gott und Ehre sei Christus! Der vorgenannte Abt aber starb im Jahr des Herrn 1432. Bitte für mich, heilige Jungfrau und Märtyrerin Barbara.