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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

44 Spitz, Pfk. Hl. Mauritius 1419

Wappengrabplatte des Hermann Murstetter, roter Marmor, im Chor in der südlichen Sessionsnische an der Wand. Ursprünglich im Langhausboden, wohl beim spätgotischen Umbau im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts gehoben und in der Sessionsnische vermauert. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein Feld mit graphisch-linear eingehauener Darstellung eines Vollwappens (Schild gelehnt), der Sehschlitz des Helms stärker eingetieft. Platte, der Profilierung der Nische folgend, teils (besonders erstes und drittes Schriftband) beschnitten bzw. unter dieser vermauert.

H. 222 cm, B. 132 cm, Bu. 10,5 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

[Anno · d(omi)ni · millesimo · / quadrin]gentesimoa) · xixo · obiit · nobilis · vir · [– – – / – – –] mvrsteter · in · die · s(an)c(t)i · / leonhardi · confessoris · hic · sepvltvs · orate · p(ro) eob) ·

Anmerkungen
a) entsprechend Kat.-Nr. 46 ergänzt, s. Kommentar.
b) beide Wörter indistinkt; Trennzeichen paragraphzeichenförmig.

Im Jahre des Herren 1419 starb der edle Herr (...) Murstetter am Tag des heiligen Bekenners Leonhard. Bittet für ihn.


Datum: 1419 November 6.

Wappen: Murstetter1).


Kommentar

Hermann, ein Sohn des Jörg (Georg) und der Anna Murstetter, war vermutlich als erster seines niederadeligen Geschlechts (ursprünglich wohl nach Murstetten) in Spitz ansässig. 1407 kaufte er von Bernhard von Streitwiesen um 1.500 lb. den. die Burg Artstetten samt Zubehör, die er bis zu seinem Tod in Besitz hielt. Daneben besaß Murstetter mehrere Wein- und Baumgärten in Spitz und Aggstein2). 1411 besiegelte er die Verzichtserklärung des Andreas Hager über eine Schuld von 6 ß den. des Jakob Grabner3) und stiftete zusammen mit seiner Frau Anna, geb. Hülber, Witwe nach Wolfhard von Au (s. Kat.-Nr. 32 und 46), eine tägliche Messe in der von Annas erstem Mann um 1390/95 erbauten Kapelle Mariä Himmelfahrt (heute Antoniuskapelle) am Turm der Spitzer Pfarrkirche. Von 19 lb. den. Einkünften mehrerer Wein- und Obstgärten in Spitz und Umgebung (der Weingarten „Grünberger“ in Spitz war zur Errichtung der Stiftung wenige Wochen vor Ausstellung des Stiftbriefs von einem landesfürstlichen Lehen zu freiem Eigen verwandelt worden) sollten fünf Wochenmessen sowie Sonn- und Feiertags­messen von einem eigenen dem Spitzer Pfarrer unterstehenden Kaplan gelesen und ein ewiges Licht in der Kapelle unterhalten werden4). 1416 war ihm das Haus des Spitzer Bürgers Heinrich von Polan (Pölla) und dessen Frau Katharina, in Spitz „bei dem prunn“ neben dem Haus des Spitzer Richters Heidenreich Rauber gelegen, mit dem zugehörigen Weingarten dienstbar5). Noch in seinem Sterbejahr stellte Hermann Murstetter offenbar gemeinsam mit Hermann Schad von Lengenfeld eine Urkunde aus6).

Der offensichtlich mit dem Grabdenkmal von Murstetters Frau Anna (Kat.-Nr. 46) und der Grabplatte des Seifried Ritzendorfer (Kat.-Nr. 49) aus einer Werkstatt stammende Stein dürfte auch annähernd zeitgleich mit dem der Anna Murstetter von jener bald nach Hermanns Tod in Auftrag gegeben worden sein, da auf der Platte für Anna Murstetter (vgl. die dortige Schriftbeschreibung) nur die Zehnerstelle der Jahreszahl eingehauen, der Rest, da zu ihren Lebzeiten entstanden, freigelassen ist. Zur Schrift­beschreibung und mutmaßlichen Werkstattzusammenhängen s. Kat.-Nr. 46.

Die abschließende Fürbittformel orate pro eo scheint auf Grabdenkmälern des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts selten auf7).

1) Schrägbalken; Stechhelm; ein Ohrenpaar und zwei Büffelhörner aus der Helmdecke wachsend.
2) S. Plesser/Groß, Heimatkunde 146, Adamek, Grabdenkmäler (1968) 57f. und Schöner, Geschichte 1, 97f. Zu den Murstettern allgemein s. die Notizen bei Kallbrunner, Murstetten passim und vgl. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 642 (1367 Juni 21; Konrad, Jörg und Hartlieb Murstetter).
3) S. Schmidt, Kopialbuch 43 (1411 Juni 13). Die Summe entsprach den Diensten zweier behauster Güter bei Persenbeug, genannt die „Fürsthueb“ und „Vor dem Holz“. Andreas Hager begegnet 1416 mit seiner Frau Elisabeth als „gesessen zu Emerstorf“ und fungierte 1425 als Landrichter von Wolfstein, s. NÖLA, Hs, 78/1, pag. 500 und 508.
4) S. Kerschbaumer, Beiträge (1890a) 264f. und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 268f. und 279 (1411 Juni 29 und August 1; Druck des Stiftbriefs nach kopialer Überlieferung des 18. Jh. in Spitz; als Siegler u. a. die „vettern“ Hermanns, Otto und Jörg Murstetter, Moritz von Spitz und Konrad Hülber). Die Niederalteicher Bestätigung stammt erst von 1421, s. ebd. 272 (1421 März 27), vgl. auch Adamek, Grabdenkmäler (1968) 5f.
5) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 271 (1416 Mai 29).
6) S. NÖLA, Hs. 78/1, pag. 401. Im selben Jahr fungierte er – soferne es sich nicht ohnehin um dieselbe Urkunde handelt – zusammen mit Hermann Schad von Lengenfeld und anderen Niederadeligen der Gegend als Spruchmann in einer unbekannten Streitsache, s. NÖLA, Hs. 78/1, pag. 520. Mit Otto Murstetter, der die Verkaufsurkunde des Koloman Grassaer über Gülten in (Nieder-)Fellabrunn und an anderen Orten um 115 lb. den. an Ulrich Harasser besiegelte, war Hermann Murstetter wohl nicht verwandt, s. NÖLA, Privaturk. 1950 (1416 Februar 24; Siegel Murstetters beschädigt).
7) Vgl. etwa die 2004 bei Grabungen neu aufgefundene und seit 2005 in der Pfarrkirche Maria Hietzing (Wien XIII.) aufgestellte beschädigte figürliche Grabplatte eines 1424 verstorbenen Klerikers bzw. das gemalte Epitaph des ermländischen Dekans und Domherren Magister Bartholomäus Boreschow in der Kathedralkirche Frauenburg, s. Karel IV. 95 (Kat.-Nr. 12.11; Abb.). Eine gemalte Stifterinschrift in der Wertheimer Pfarrkirche von 1448 fordert den Leser ebenfalls zur Fürbitte zugunsten des Wohltäters auf: „Orate ergo pro eo fideliter“, s. DI 1, Kat.-Nr. 11.
Literatur

Reil, Donauländchen 152. – Lind, Vereins-Excursion 126. – NN., Notizen (1894) 144f. – DASP, Nachlässe 5, Heft H, fol. 55r. – ÖKT 1, 390 (falsche Jz. 1719). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 323 („Vierzehn Grabsteine: 1415 bis 1775“). – Schöner, Kapelle 20. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 271 (Name falsch und unvollständig). – ÖAW, NLH, 23. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 5–9, 11f., 19 und Kat.-Nr. 4 (Abb. 4). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 37–40. – Eppel, Wachau 198. – Hülber, Name 15. – Adamek, Grabdenkmäler (1971) 184. – Schöner, Geschichte 1, 98 und 188. – Dehio Nord 1107. – Aichinger-Rosenberger, Studien (1999) 42 (Abb. 253). – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 9 (Abb. 9). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 134, 241 (Anm. 18) und 246f. (Anm. 43). – Aichinger-Rosenberger, Studien (2006) 21 (Abb. 34).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 44,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj44.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 35: Grabplatte des
Hermann Murstetter (1419)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)